Pilgern: Wie macht man es richtig?
Wer ans Pilgern denkt, assoziiert damit vielleicht als erstes Religion. Tatsächlich soll sich laut Bibel Abraham als erster auf den Weg gemacht haben, weil Gott es von ihm verlangte (Genesis 12, 1). Er verließ zusammen mit seiner Frau, seinem Neffen und dessen Familie seine Heimat. Pilgern ist allerdings keine rein christliche Angelegenheit. In allen Weltreligionen kennt man die Pilgerreise als besondere Art, mit seinem Gott in Verbindung zu treten. Von jeher galt als Ziel ein als heilig betrachteter Ort, etwa eine Kirche oder das Grab eines Heiligen.
Im Mittelalter erlebte das Pilgern einen ersten Boom. Zu den wichtigsten Fernpilgerzielen zählten damals Jerusalem, Rom und Santiago de Compostela. Schon damals waren die Motive der Gehenden unterschiedlich. Sie waren vorrangig aus religiösen Gründen unterwegs: aus Dankbarkeit, aufgrund eines Gelübdes, fürs Seelenheil oder als Buße. Doch auch Abenteuerlust und Reiselust gesellten sich zu den Gründen fürs Pilgern. Im Spätmittelalter war Pilgern sogar so hoch angesehen, dass ein Fußmarsch nach Santiago de Compostela vor der Todesstrafe bewahren konnte.
Im Laufe der Zeit nahm die Pilgerbereitschaft ab, obwohl sich die Pilgerbewegung reformierte. Zwang und feste Regeln verschwanden. So war es beispielsweise nicht länger wichtig, in welcher Zeit eine bestimmte Strecke zurückgelegt wurde. Trotzdem nahm die Pilgerbewegung nach ihrem ersten Boom im Mittelalter erst wieder gegen Ende des 20. Jahrhunderts zu. 1987 erklärte der Europarat den Jakobsweg zur europäischen Kulturroute, wodurch wieder mehr Menschen den Reiz des Gehens für sich entdeckten. Als 2006 der deutsche Comedian und Moderator Hape Kerkeling mit „Ich bin dann mal weg“ einen seinen überaus humorvollen Bestseller über seine Erfahrungen entlang des Jakobsweges veröffentlichte, erlebte Pilgern seinen zweiten großen Boom.
Weitwandern vs. Pilgern
Vielfach ist es nicht mehr per se Religion, die die Menschen in die Wanderschuhe treibt. Es sind vielmehr Abenteuerlust, die Suche nach besonderen Erlebnissen und körperliche Grenzerfahrungen, die locken. Doch was ist der Unterschied zwischen Weitwandern und Pilgern? „Ich meine da immer, dass sich Pilgerinnen und Pilger ein 'Thema' mitnehmen“, erklärt Hermann Signitzer. Er ist seit 2010 Referent für Tourismus- und Freizeitpastoral im Seelsorgeamt der Erzdiözese Salzburg und Leiter des Gäteservice im Salzburger Dom. Als solcher ist er unter anderem für das Thema Pilgern von Berufs wegen zuständig.
Auf dem Pilgerweg will etwas besprochen, bearbeitet, bedacht, geklärt, angereichert oder verdaut werden. Da gibt es spirituelle Motive – etwa Gott etwas zu klagen, zu bitten oder für etwas zu danken. Es kann eine Lebenswende sein, etwa ein Neustart in Beziehung oder in Beruf sowie ein Übergang, beispielsweise von der Pension oder von der Schule in die Erwerbsarbeit
Wer schon einmal Weitwandern war, weiß, dass auch dabei diese Themen früher oder später aufkommen. Der Unterschied zwischen Pilgern und Weitwandern liegt also hauptsächlich in der Motivation des Losgehens. Meditation mit den Beinen ist beides irgendwie. Sowohl beim Weitwandern als auch beim Pilgern kann es sinnvoll sein, sich einer geführten Tour anzuschließen. „Die geführte Pilgerreise ist mit Einschränkungen das 'Rundum-Sorglos-Paket'“, erklärt der Pilgerexperte. Da hat sich schon jemand im Vorfeld um alles gekümmert und Hürden aus dem Weg geräumt. So muss man sich zum Beispiel nicht mehr um die Frage kümmern, wo man abends schläft und Rastplätze findet. Nur gehen muss man dann noch selbst!“
Der Weg ist das Ziel – Pilgertipps vom Experten
Wer sich für eine Pilgerreise interessiert, muss nicht gleich die 3.000 Kilometer von Wien nach Santiago de Compostela marschieren. Im Gegenteil, Hermann Signitzer empfiehlt jenen, die zum ersten Mal pilgern wollen, klein anzufangen:
Im Selbsttest prüfen, ob man 10, 15 und 25 Kilometer an einem Tag gehen kann. Einfach ausprobieren, das muss noch kein Pilgerweg sein, sondern kann gern auch einfach ein Rundkurs vor der Haustür sein. So kann man seine Schuhe und die Ausrüstung testen. Dann kann man einen gut beschilderten Pilgerweg ausprobieren. Oft ist der nächste nicht weit von Zuhause entfernt. In Österreich gibt es ca. 35 zum Teil hinreißend schöne Pilgerwege.“
Entdecken Sie die schönsten Pilgerwege Österreichs.
Hermann Signitzers wichtigster Tipp betrifft aber den Rucksack. Er empfiehlt, so wenig wie möglich einzupacken.
Das ist schon die erste Schule oder der erste Lerneffekt des Pilgerns: Man muss sich Gedanken darüber machen, wie wenig man braucht, um zu sein. Natürlich kommt es ein bisschen drauf an, wie weit, wie lange und unter welchen Bedingungen man unterwegs ist. Aber mit etwas Wechselwäsche, Sonnen- und Regenschutz, Handy, Geldbörse und Wasser ist man schonmal gut beraten. Es gibt in diversen Pilgerforen viele gute Tipps und Packlisten.
Kommentare