Tischgespräche: Dieses Mal mit Christiane Hörbiger

Tischgespräche: Dieses Mal mit Christiane Hörbiger
Gespräche bei Tisch. Gemeinsam essen und trinken ist laut Statistik eine aussterbende Art, Zeit miteinander zu verbringen. Angelika und Michael Horowitz haben 20 befreundete Künstler um diese Zeit gebeten.

freizeit-KURIER-Chefredakteur Michael Horowitz und seine Frau Angelika luden 20 befreundete Künstler zu intensiven Gesprächen ein. Bei einem Essen, in einem Wirtshaus, in einer Atmosphäre, bei der sie sich wohlfühlten. Festgehalten wurden die "Tischgespräche" im gleichnamigen Buch. Lesen Sie in den folgenden 20 Tagen was Alfred Dorfer, Christiane Hörbiger und viele mehr bewegt. Dieses Mal zu Gast: Schauspielerin Christiane Hörbiger.

"Ich muss ernst nehmen, was ich spiele"

Christiane Hörbiger bedarf keiner Beschreibung. Jeder kennt sie als eine der größten Schauspielerinnen und als Diva des deutschsprachigen Films. Eine Grande Dame vom Scheitel bis zur Sohle. Trotzdem ist sie ein scheuer, stiller Mensch geblieben, der gerne unerkannt durch die Straßen Wiens flaniert und es liebt, im Heiligenkreuzerhof auf ihrem Bankerl hinter dem Rosenbusch zu sitzen und in den Himmel zu schauen …

Wir treffen uns hier im Hollmann Salon. Kommst du oft hierher?
Früher war ich sehr oft hier. Inzwischen seltener. Das soll nicht heißen, dass es mir hier nicht gefällt, im Gegenteil, ich finde das Lokal schöner als je zuvor, aber ich gehe jetzt sehr viel sparsamer mit meiner Zeit um. Außerdem bin ich auch beim Essen sehr sparsam geworden und trinke auch seit Jahren keinen Tropfen Alkohol mehr. Mein Lebensgefährte Gerhard Tötschinger trinkt zwar gerne hier seinen "Nightcup" …

… und was macht dann die Frau an seiner Seite?
Die trinkt manchmal ein warmes alkoholfreies Bier …

… ein warmes Clausthaler oder ein warmes Null-Komma-Josef?
Ein warmes Schlossgold. Aber ehrlich gesagt, das ist schon ein bisserl fad …

… ja, das stelle ich mir auch so vor.
Daher gehe ich auch sehr gerne sehr bald nach Hause.

Und zuhause, was kochst du dir da?
Da habe ich eine ganz besondere Spezialität. Dadurch, dass ich in den letzten Jahren sehr viele Spielfilme gedreht habe, habe ich sehr viele Catering-Firmen kennengelernt. Und da dort ja alles schnell gehen muss, habe ich ein schnelles Gericht gelernt, das ich jetzt mit Vorliebe esse. Dazu nehme ich ein wenig Gemüse …


Welches?
Am liebsten Brokkoli – oder was es gerade frisch am Markt gibt. Das wird kleingeschnitten, mit Pinienkernen und Olivenöl kurz angeröstet – das Gemüse muss dabei unbedingt knackig bleiben – und danach mit ein wenig Sahne aufgegossen. Und das ist es auch schon. Und zu Mittag – das geht überhaupt ganz einfach –, bevorzuge ich ganz etwas Leichtes …


… um das bisschen Müdigkeit, die sich zu dieser Tageszeit so gerne bleiern über den Körper legt, zu vermeiden?

Du sagst es. Wenn ich nur daran denke, was früher im gutbürgerlichen Wien so alles gegessen wurde. Beginnend mit dem Frühstück, danach die „Zehnerjause“, die fast direkt in das Mittagessen übergegangen ist, ehe man eventuell ins Theater zu gehen hatte, und spätnachts folgte dann das Nachtmahl. Wenn ich mir das nur vorstelle. Heute esse ich mittags – und das habe ich auch von einem Caterer gelernt – frische Früchte mit türkischem Jogurt. Das ist phänomenal. Und zwar das Jogurt mit dem gelben Deckel, das ist zwar etwas reichhaltiger …


… cremiger?

Oh ja. Ein sahniger Traum. Den nehme ich jetzt immer mittags in den Wohnwagen mit, wenn ich mich dort zwischendurch zurückziehe.
Und in der Früh? Wie schaut so ein Drehtag denn überhaupt aus?
Ich stehe zirka um fünf Uhr auf, ehe ich um halb sieben Uhr abgeholt werde, dann trinke ich am liebsten einen Nespresso


… mit einem frischen Semmerl oder Kipferl?
Nein, mit einer Vitamintablette.


Welche?
Jene, die mir meine Apothekerin mit dem Argument „Die gebe ich auch meiner Mutter“ empfohlen hat.


Und lebt sie noch?

Ja, ja, der Frau Mama geht es sogar sehr gut. Jedenfalls bin ich danach um sieben Uhr in der Maske, und um neun Uhr ist Drehbeginn.

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Was denkst du dir, wenn du um fünf Uhr Früh aufwachst? Freust du dich da auf den neuen Drehtag?
Erst nachdem ich bei offenem Fenster meine 30 Kniebeugen gemacht habe. Das mache ich jeden Tag. Eisern. Danach beginne ich mich auf den Tag zu freuen.


Auch, wenn du spät nach Hause gekommen bist?

Ich komme nicht mehr spät nach Hause.


Ich kann mich aber noch an Zeiten erinnern, in denen du spät nach Hause gegangen bist und auch das eine oder andere Achterl Wein getrunken hast …

… oh ja, ich erinnere mich auch. Und wir haben manchmal auch über jede Blödheit gelacht.

Stimmt, aber das Schöne ist, das kannst du heute noch genauso gut wie damals – auch ohne Alkohol.
Gott sei Dank. Aber lass uns in die Maske zurückkehren. Dort trinke ich nämlich meinen zweiten Kaffee, einen Caffè Latte. Danach beginnt sich mein Magen leicht zu verkrampfen, weil ich die ersten großen Textpassagen vor mir habe. Erst dann, wenn ich diese hinter mir habe, ist Mittagspause.


Das türkische Jogurt wartet auf dich?

Genau, das mit dem gelben Deckel. Mit Honig, wenn ich schlecht aufgelegt bin, und mit frischem Obst, wenn ich gut aufgelegt bin.

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Und danach bist du satt?
Zumindest bin ich nicht müde. Um zirka vier Uhr kommt der nächste Kaffee-Gusto. Dann nehme ich einen Espresso und – jetzt kommt es – dann esse ich kleine schwarze, weiße und braune "Dickmann’s".


Die erste Belohnung an diesem Tag.
Ja. Und Rüstzeug für die letzten zwei Drehstunden.


Und abends im Hotel? Womit verwöhnst du dich dann?

Wenn der Heißhunger kommt, gönne ich mir ab und zu ein Club-Sandwich – oder „Clöb-Sandwich“, wie ich dann gerne korrigiert werde.


… und dazu vielleicht einen "Cöp of Tea", gnä Frau?
Ja, genau.


Aber – obwohl du so diszipliniert bist – verwöhnst du dich doch manchmal auch gerne mit Süßem? Wie oft passiert so eine süße Sünde?
Immer öfter. Ungefähr zwei Mal in drei Wochen.


Besser als drei Mal in zwei Wochen.
Da hast du Recht.


Stimmt es, dass du auf Wunsch deiner Eltern eine Zuckerbäckerlehre gemacht hast?

Nein, ich wollte das nicht, aber meine Mutter hatte bereits einen Lehrplatz bei "Janele" im zweiten Bezirk für mich gefunden. Dann kam jedoch der Produzent Fritz Schulz aus Wiesbaden, hat mich zu Probeaufnahmen eingeladen und ich bekam die Rolle in den Film "Der Major und die Stiere".


Und aus war es mit der Zuckerbäckerlehre?
Ja, die "Janele"-Karriere war dahin.


Wann hast du denn begonnen, dich so bewusst zu ernähren? Mir erscheint dein Leben geradezu asketisch.
Ja, merkwürdig, nicht? Schau, solange ich Theater gespielt habe, habe ich die Belohnung nach der Vorstellung dringend gebraucht. Wenn man auf der Bühne steht und am Ende der Vorhang fällt, hat man sehr viel von sich gegeben. Doch all das, was man an Wärme ausgeteilt hat, bekommt man höchstens in einer Minute Applaus zurück. Das ist zu wenig, da muss man sich danach einfach selbst belohnen. Oder man sucht sich Trost, wenn einmal etwas nicht so gut funktioniert hat. Manche machen das mit Wein, andere mit Essen.

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Womit hast du dich früher belohnt oder getröstet?
Damals hat mich in Zürich noch meine Frau Maria bekocht und mir immer für spätnachts – wenn ich nach der Vorstellung nach Hause kam – etwas zum Essen vorbereitet. So wurde ich zum Beispiel mit einem kalten Fleischlaberl verwöhnt, aus dem dann meist sowieso drei wurden. Herrlich, so ein Fleischlaberl auf einem Butterbrot! Oder ein kaltes Wiener Schnitzel, aber auch gebackene Leber habe ich geliebt. Köstlich! Und natürlich nicht zu vergessen die "Luxemburgerli" von Sprüngli. In all ihren Farben. Manchmal hab’ ich sogar den ganzen Karton auf einmal gegessen. Aber das kann ja heute auch immer noch das eine oder andere Mal vorkommen.


Da du jetzt das Theater angesprochen hast, wann dürfen wir dich wieder auf der Bühne sehen?

Darauf würde dir mein Sohn Folgendes sagen – das empfinde ich übrigens als seinen ehrlichsten und reinsten Liebesbeweis an mich: "Willst du meiner Mutter denn etwas Schlechtes wünschen? Weißt du, wie sehr sie am Theater gelitten hat?" Und er hat Recht. Ich bin heute glücklich, vor der Kamera zu arbeiten und nicht mehr auf der Bühne stehen zu müssen."


Kann man von einem Tag auf den anderen sagen, ich lasse das Theater hinter mir, das alles ist jetzt für mich vorbei?

Ja.


Brauchst du dieses Prickeln nicht mehr?

Überhaupt nicht. Endlich keine Anspannung mehr. Endlich keine Angst mehr, den Text zu vergessen. Endlich nicht mehr rasch aus dem Kino laufen, die nächste Zeitung kaufen, um sicherzugehen, dass man heute wirklich seinen spielfreien Tag hat und sich nicht im Tag geirrt hat. Auf den Punkt gebracht, heißt das: Ich bin heute ein angstfreier Mensch und übe trotzdem meinen Beruf aus.

Dann lass uns doch über deine Filme reden. Was ist – ganz spontan – das Schlimmste am Set?
Wenn man beim Text hängt.


Wie viele Tage im Jahr drehst du im Schnitt?

Letztes Jahr habe ich vier Filme gedreht, davon ausnahmsweise eine kleinere Rolle in dem wunderbaren Film „Die lange Welle hinterm Kiel“ nach einem Roman von Pavel Kohout. Insgesamt waren das zirka 65 Drehtage. Und um den Text zu lernen, brauche ich auch noch zirka 30 Tage pro Film.


Was macht man zum Beispiel in jenen Zeiten am Set, wenn man auf den nächsten Einsatz wartet?

Das ist mir seit ein paar Jahren fast die liebste Zeit während des Drehens. Einfach nur zu sitzen und die Gedanken kommen und gehen zu lassen. Das ist wunderbar entspannend. Geradezu, als würde man vor einem Aquarium sitzen und die schwimmenden Fischerl beobachten. Das sind fast meditative Momente. Das mache ich inzwischen auch, wenn ich am Flughafen sitze und warte. So kann ich mich herrlich entspannen.

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Lässt du dann nur schöne Gedanken zu?
Ich muss mir nicht erst auferlegen, an etwas Schönes zu denken. Es kommen ganz automatisch schöne Gedanken. Zum Beispiel denke ich, wie gut es mir geht, freu’ mich über meine schöne Lederjacke und überlege mir, wann ich sie anziehen werde oder wann ich das oder jenes tragen werde. Wie ich mich schminke oder welchen Schmuck ich tragen werde.
Welch herrlich leichte Gedanken gehen mir da durch den Kopf. Wie entspannend. Allerdings mag ich es dann auch nicht, von jemandem angesprochen beziehungsweise aus meiner Gedankenwelt gerissen zu werden.


Hast du einen Lieblingsfilmpartner?

Ja, da gibt es nur einen: Götz George. Er gehört für mich zu den Aristokraten unseres Berufes.


Fällt dir spontan ein Film ein, den du gerne mit ihm machen möchtest?
"Liebe unterm Dach2 zum Beispiel.


Wir sitzen hier an einem der schönsten Plätze Wiens, dem Heiligenkreuzerhof. Was fällt dir ein – woran denkst du als Erstes, wenn du irgendwo im Ausland drehst und an Wien denkst?
Nach Hause zu kommen ist, wenn ich von irgendwoher komme und über den Kahlenberg fliege. Dann denke ich: "Da unten war die Mama und dort ist jetzt die Maresa."

Tut es dir leid, dass du nicht mehr in eurem Haus in der Himmelstraße wohnst?

Früher wollte ich mit meinen Schwestern zusammen dort wohnen und habe mir vorgestellt, dass jede von uns ein Stockwerk bewohnt. Aber dann hat meine ältere Schwester Elisabeth sehr klug gemeint: "Grinzing ist in unserem Kopf, und dort soll es auch bleiben."
Maresa hat ja das Haus inzwischen sehr schön umgebaut und sie nützt es auch mit dem "Theater zum Himmel" auf ganz wunderbare Weise. Aber es ist natürlich nicht mehr das Haus meiner Eltern und heute würde mir die Größe dieses Hauses auch Angst machen. Ich bewundere sie für diese Arbeit. Sie muss sich selbst um alles kümmern, um das Haus erhalten zu können. Maresa lebt für dieses Haus und Grinzing ist ihr Ein und Alles.


Als ich dich zuletzt bei einem deiner Geburtstagsfeste mit diesem prachtvollen Feuerwerk dort gesehen habe, hatte ich schon das Gefühl, dass du dich dort sehr zuhause fühlst. Bist du heute dort Gast oder kommst du nach Hause?

Ich ärgere mich nur manchmal, wenn eine Angestellte des Hauses glaubt, mir sagen zu müssen, wo in diesem Haus die Garderobe ist. "Gnädige Frau, da müssen S` hinauf, in den ersten Stock …" Das macht mich wütend.
Aber die Maresa hat etwas Wunderbares gemacht, sie hat meiner Schwester und mir einen Schlüssel von dem Haus gegeben. Als Symbol dafür, dass wir dort jederzeit willkommen sind.


Aber ist es nicht auch eine gewisse Befreiung von der Kindheit und den Eltern?
Natürlich. Selbstverständlich. Man hat ja an seine Kindheit und Jugend nicht nur schöne Erinnerungen. Außerdem habe ich dadurch auch das Gefühl, dass ich das, was ich heute besitze, mir selbst erschaffen habe. Das ist mir sehr wichtig. Mein zweiter Mann, Rolf Bigler, hat mir immer gesagt: "Wenn mir etwas passiert, nimmst den Bub`n und gehst nach Wien zurück. "Aber genau das wollte ich nicht, ich wollte in Zürich bleiben und mich alleine durchbeißen.

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Hast du gerne in Zürich gelebt?
Oh ja, ich habe mich in Zürich sehr wohlgefühlt. Ohne Vater, Mutter, Onkel und Tante. Nach Zürich zu gehen, war für mich ein Befreiungsschlag. Ich habe dort wunderbare Künstler und Menschen – von Friedrich Dürrenmatt über Max Frisch bis Federico Fellini – kennengelernt. Darunter waren auch viele Emigranten, die einst in die Schweiz geflüchtet sind. Man hat mich dort mit offenen Armen empfangen. Dazu hat auch der wunderbare Erwin Parker gehört, der gesagt hat: "Du gehörst zu uns."


Hast du jemals mit diesen Künstlern über das Verhalten deiner Eltern während der Nazizeit gesprochen?
Weißt du, diese Menschen, die Remigranten, die mir damals begegnet sind, waren die gütigsten überhaupt – egal ob das noch im Gasthaus "Zur Linde" beim Haeusserman-Stammtisch in Wien oder später in Zürich war. Alle sind sehr liebevoll mit mir umgegangen, und manchmal habe ich mich später gefragt, ob sie nicht mit meinen Eltern – vor allem mit meiner Mutter – zu gütig umgegangen sind. Dadurch, dass sie meine Mutter so angebetet und geliebt haben, kam nie ein Wort des Vorwurfs. Dadurch hat sie sich – meiner Meinung nach – zu wenig von dieser Zeit distanziert. Zu uns Kindern kam immer nur der Satz: "Ihr habt ja keine Ahnung, wie das damals einmal war."

War es für dich als junge Schauspielerin nicht oft sehr schwierig, die Tochter dieser berühmten Eltern zu sein? Wie bist du damit umgegangen?
Danke für die Frage, denn es war wirklich nicht einfach. Gott sei Dank, hatte ich damals bereits meinen ersten Karmann-Ghia, der mich wenigstens einigermaßen getröstet hat …


… ein Coupé oder ein Cabrio?
Ein Cabrio. Ich gab ihm den Namen "Primavera".


Welche Farbe?

Grün métallisée. Ich erinnere mich gut, als ich eines Tages vor das Geschäft des Fleischhauers Hieblinger in der Habsburgergasse vorfuhr, um mich dort vor sein Portal zu stellen …


… und dir eine Schnitzelsemmel zu kaufen?
Nein, um zu weinen.


Warum?
Weil ich schlechte Kritiken über mich gelesen hatte. Damals war meine Mutter großartig und hat gesagt: "So, jetzt zeigst du es ihnen erst recht."


Gibt es Plätze in Wien, die du besonders liebst?
Einige, aber diesen wunderschönen Heiligenkreuzerhof liebe ich besonders. Vor allem am Abend, wenn die meisten Autos weg sind. Dann sitze ich gerne auf der Bank hinter diesem Rosenbusch dort drüben und schau’ in den Himmel …


Wie verbringst du deine freie Zeit, wenn du in Wien bist?
Da ich sehr körperbewusst bin, liebe ich Massagen, flaniere gerne durch die Stadt – am liebsten unerkannt – und weiß sehr genau, wo ich mein Geld ausgeben kann.

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Würdest du sagen, du bist ein scheuer Mensch?
Ja. Ich kann mich – wenn ich nicht erkannt werden will – sehr gut unsichtbar machen und so tun, als ob ich gar nicht da wär`.


Wie macht man das?
Sonnenbrille aufsetzen und nie die Menschen anschauen, die den Blick auf dich richten.


Kannst du dich an eine lustige Begegnung mit Menschen auf der Straße erinnern?
Ich war damals noch sehr jung, spielte am Burgtheater und trug meinen ersten selbstgekauften Pelzmantel, der innen ein Bändchen zum Zuschnüren hatte, das ich allerdings vergessen hatte zusammenzubinden. Da kam eine Frau auf mich zu und sagte: "Sie sind die Christerl Hörbiger, net? Ihnen hängt hinten ein Banderl runter. Des is so schiach."
Am schönsten ist allerdings die Geschichte, die mir meine Mutter erzählt hat. Meine Eltern sind gemeinsam über den Graben gegangen, als sie hörten, wie jemand sagte: "Schau, do geht`s. Er a. Olle zwa."


Dein Schauspieler-Kollege Klaus J. Behrendt hat einmal über dich gesagt: „"Sie ist immer von Kopf bis Fuß eine Dame, von der korrekten Kleidung bis zum perfekten Make-up." Gibt es trotzdem Momente, in denen du dich gehen lässt?

Zuhause vorm Fernseher trage ich einen Bademantel. Aber selbst dieser ist sehr schön, sehr weich, sehr weiß. Und sicherheitshalber habe ich einen zweiten davon noch unbenützt in Reserve. Nein, ich glaube nicht, dass ich mich gehen lasse.


Es ist jetzt fast 25 Jahre her, dass wir unser erstes "Tischgespräch" in der Züricher Kronenhalle über Essen, Trinken und die schönen Dinge des Lebens geführt haben. Friedrich Dürrenmatt hat über dieses wunderbare Restaurant einmal gesagt: "Den Wert des Schweizer Franken erkennt man am Preis der Bratwurst in der Kronenhalle."

Eine herrliche Geschichte. Ja, ich erinnere mich.


Jetzt frage ich dich heute noch einmal: Was sind die "anderen schönen Dinge des Lebens" für dich? Damals hast du ja noch recht ordentlich in so eine saftige Bratwurst hineingebissen.
Ich genieße es heute sehr, dass ich keine Existenzängste mehr habe, keine Angst davor habe, dass mein Vertrag nicht verlängert wird, keine Geldsorgen mehr habe und mir zum Beispiel schöne Kleider leisten kann, ohne auf den Preis zu schauen …


Hattest du je Existenzängste?

Natürlich. Vertragsverlängerungen waren keine Selbstverständlichkeit. Verträge wurden nur von einem Jahr auf das andere verlängert. Egal, wer das war.

Ich erinnere mich gut, dass selbst Willy Birgel, der damals noch zum Entzücken vieler Menschen am Zürcher Schauspielhaus auftrat, aus der Straßenbahn gestiegen ist, seiner Frau mit dem Vertag in der Hand zugewinkt und geschrien hat: "Ich habe ihn wieder – den Vertrag für ein neues Jahr." Du kannst daher sicherlich verstehen, dass ich es sehr genieße, heute diese Ängste nicht mehr zu haben. Zu wissen, dass sich mein Sohn sehr gut selbst versorgen kann. Dass er eine eigene glückliche kleine Familie hat und in Wien lebt … "


… und du einen Enkel hast, den du verwöhnen kannst?
So ist es. Das sind die Freuden meines Lebens. Ich bin nur auf Fußdistanz von meinem Enkelkind Luca entfernt, wenn er mit mir spielen will.


Ich habe gelesen, dass du zwei große Wünsche hast: einen blonden Mops und eine Fahrt mit der "Queen Mary" von New York nach Hamburg. Wann wirst du dir diese Wünsche erfüllen?
Du hast Recht, für den Mops wird es tatsächlich Zeit. Aber da ich vorhabe, 95 Jahre alt zu werden, geht sich das noch gut aus. Wie alt werden Möpse eigentlich?


15 Jahre bei guter Pflege.
Na dann. Sind Möpse auf der "Queen Mary" erlaubt?

Buchtipp

Tischgespräche: Dieses Mal mit Christiane Hörbiger

Angelika & Michael Horowitz
TISCHGESPRÄCHE
Über Essen, Trinken und die anderen schönen Dinge des Lebens
Amalthea Signum Verlag
ISBN 978-3-85002-758-8
224 Seiten
VK-Preis: 19,90 €

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