Zeit. Ganz einfach Zeit. Oder genauer: ein bisschen mehr davon. Das wäre mein persönlicher Wunsch an das Jahr 2030 zum Abschluss unserer -Serie über die Welt im Jahr 2030, in der es um – eben – unsere Freizeit geht. Und, Überraschung: Wir verbringen jetzt schon 53 Prozent unseres Lebens mit
Freizeit, während Arbeit inklusive Ausbildung nur 14 Prozent ausmachen. Diese erstaunlichen Daten hat
Peter Zellmann vom österreichischen Institut für Freizeitforschung erhoben und, auch wenn sich die Arbeitsjahre wieder vermehren, in den kommenden 20 Jahren sollte sich der Freizeit-Anteil in unserem Leben sogar noch ein wenig steigern. „Wir werden ja auch älter“, erklärt
Peter Zellmann. Dass wir gefühlt für überhaupt nichts mehr Zeit haben, ist eine subjektive Wahrnehmung, die verschiedene Ursachen hat. „Wir füllen unsere Terminkalender mit scheinbar wichtigen und sehr vielen eindeutig unwichtigen Dingen an“, bringt Jochen Schweizer, der Ex-Stuntman, Unternehmer und weltweit agierende Freizeit-Experte, einen der wichtigsten Gründe auf den Punkt.
Schweizers Rezept dagegen: „Zeitfresser eliminieren. Einmal am Tag innehalten und sich fragen: Was ist mir heute noch wirklich wichtig? Und dann unter Umständen eben nicht den Fernseher einschalten.“ Gerade auf diesem Gebiet sieht der deutsche Erlebnis-Anbieter für die Zukunft ein enormes Potenzial. „Unser Ziel muss es sein, Souveränität über die Zeit, die wir zur Verfügung haben, zu erlangen.“ Und wer glaubt, dass der Mann, der Bungee-Jumping in
Deutschland und
Österreich populär gemacht hat und Modeschauen auf zu vertikalen Laufstegen umfunktionierten Wolkenkratzern veranstaltet, diese Zeit in Zukunft ausschließlich mit immer stärkeren Adrenalin-Kicks gefüllt sieht, der irrt. „Bungee-Jumpen, also der freie Fall in Bodennähe, ist in seiner Art ja nicht zu toppen, das durchbricht ohnehin die für den Menschen vorgesehene Daseinsebene. Aber das zu erleben, ist ein individueller Wunsch, der auch von der Tagesverfassung abhängt, und kein Zukunftstrend, den man verallgemeinern könnte.“
Wichtig ist für Schweizer die Möglichkeit, etwas zu erleben, am besten gemeinsam mit Partnern, weil das private und auch soziale Beziehungen stärkt. „Aber das kann ebenso etwas Entschleunigendes sein. Zen, Yoga, Kultur, ein schönes Essen, die Natur – der Punkt, um den es geht, ist: Ich muss mich hinterher besser fühlen.“Eine Souveränität des Einzelnen im Umgang mit seiner Freizeit sieht auch der österreichische Wissenschaftler Peter Zellmann für die Zukunft: „Im Industriezeitalter war die Freizeit etwas geradezu Unanständiges, akzeptabel allein dafür, die Arbeitskraft wieder herzustellen. Wir befinden uns heute in einer Übergangsphase vom Industriezeitalter zum Dienstleistungszeitalter. Die hat etwa 1970 begonnen, bis der Wechsel vollständig vollzogen ist, dauert es zwei Generationen, im Jahr 2030 sollte er abgeschlossen sein.“ Und dann? „Dann sollten wir bei einem selbstbewussten und vor allem selbstbestimmten Umgang jedes Einzelnen mit seiner Freizeit angelangt sein – so nicht eine Krise, eine entscheidende Naturkatastrophe oder Pandemie dazwischen kommt.“
Dazu müssen wir vor allem, wie Zellmann betont, den „alten, unsinnigen Satz des Industriezeitalters“ überwinden: Müßiggang ist aller Laster Anfang. „Alles dreht sich um die 14 Prozent unseres Lebens, die wir mit Arbeit verbringen, während die Wertigkeit der Freizeit, auch für die Politik, extrem niedrig ist. Da muss noch einiges passieren.“ Und wie sieht dann die Zukunft der Freizeit aus? „Ihr Stellenwert wird sich ändern. So wie sie heute noch oft als Gaudi-Zeit oder Rest-Zeit betrachtet wird, die halt mit irgendwas gefüllt werden muss, wird man ihr nicht gerecht. Oder lassen Sie es mich so, also praktisch an den Medienbereich geknüpft, sagen: Wenn die „freizeit“ endlich wichtiger ist als die „Chronik“, dann sind wir in der Zukunft, im Jahr 2030 angekommen.
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