Klimabericht: Europa stärker betroffen, Ende der Arten-Vielfalt
Es ist die höchste Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre seit 800.000 Jahren, die vergangenen 30 Jahre waren die wärmsten seit 14.000 Jahren, und gerade haben die Österreicher den zweitwärmsten März seit Beginn der Temperatur-Messungen im Jahr 1767 erlebt. Dass diese und andere Langzeit-Rekorde Folgen für die Natur haben werden, ist klar.
Welche, darüber beriet der Weltklimarat in Japan bis Sonntag. Nach tage- und nächtelangem Ringen haben sich Wissenschaftler und Regierungsvertreter auf eine Kurzfassung geeinigt (Details auf Englisch auf der Website des IPCC): Der Klimawandel werde nicht einfach milderes Wetter bringen – mit weniger Frost und längeren Vegetationsperioden –, was die Landwirtschaft freuen wird. Der Weltklimarat rechnet mit mehr Extremen, mit Stürmen, Fluten und Dürren. Für die Alpen bedeutet die Steigerung um einige Grad Celsius: grüne Almen statt Skipisten, Regen statt Schnee sowie Steinschlag und weiter schwindende Gletscher.
Ende der Vielfalt
Franz Essl von der Abteilung Biologische Vielfalt und Naturschutz am Umweltbundesamt geht von einem gemittelten Temperaturanstieg von 2,5 bis zum Jahr 2100 aus, "das ist das, was man sicher annehmen muss". Damit wird es für Arten wie das Karlszepter, ein Läusekraut, das nur noch im Endlacher Moor im Paltental (Obersteiermark) wächst, zu warm. Ein anderes Eiszeitrelikt, der Moorsteinbrech, ist bereits in den 1990er-Jahren aus Mitteleuropa verschwunden. Der Schuldige ist auch hier: der von Menschen verursachte Klimawandel. Essl: "Diese Pflanzen leben in großen Schutzgebieten, in die nicht eingegriffen wird. Zuvor haben sie an diesen Standorten 10.000 Jahre überdauert."
Der Klimawandel steht zwar erst am Anfang, daher sind die Auswirkungen noch nicht so gravierend, aber die Geschwindigkeit, mit der er voranschreitet, ist bemerkenswert. Temperaturbedingungen, wie sie 1989 geherrscht haben, finde man heute 270 km weiter nördlich, was der Entfernung Wien–Zagreb (Luftlinie) entspricht. Sogar Vögel, die mobilsten Tiere, hinken hinterher, die schnellsten Arten konnten ihre Vorkommen nur 90 km nach Norden verschieben.
Langsamere Tiere, z. B. Schmetterlinge, haben keine Chance: Der Kalifornische Scheckenfalter wird vom Klimawandel dezimiert, vor allem seine südlichen Territorien sind durch die steigenden Temperaturen bedroht. Dabei sind gerade die südlichen Vorkommen die genetisch vielfältigen. Hier überdauerten viele Arten die letzte Eiszeit. Wenn diese Gebiete nun unbewohnbar werden, leidet die genetische Vielfalt.
Bei Birdlife registriert Norbert Teufelbauer feine Veränderungen bei den Kurzstreckenziehern unter den Zugvögeln. Zogen bisher die meisten Ringeltauben und Hausrotschwänze im Winter in den Mittelmeerraum, bleiben nun viele in Österreich. Umgekehrt können sich Wintergäste, wie Enten, den Weg vom Baltikum zu uns sparen. Es ist warm genug im Norden.
Das Folgen-Buch: Franz Essl & Wolfgang Rabitsch: "Biodiversität und Klimawandel. Auswirkungen und Handlungsoptionen für den Naturschutz in Mitteleuropa." Springer Spektrum. Preis: 51,40 €.
Die Erderwärmung wird drastische Auswirkungen haben, wenn der Mensch sie nicht stärker bremst als bisher - das zeigt der neue UNO-Klimareport. Steigende Temperaturen erhöhten die Wahrscheinlichkeit "schwerer, tief greifender und irreparabler Folgen", heißt es in dem am Montag im japanischen Yokohama verabschiedeten Bericht des Weltklimarats (IPCC).
Zwar gibt es dem Report zufolge für den Menschen noch Möglichkeiten, sich auf die Risiken infolge des globalen Klimawandels einzustellen. Eine Anpassung funktioniere aber nur, wenn die Erderwärmung deutlich gebremst werde. Sonst werde es schwierig, warnte Chris Field, Co-Vorsitzender der Arbeitsgruppe Zwei des Weltklimarats. "Selbst ernsthafte, fortgesetzte Investitionen in die Anpassung werden ihre Grenzen haben."
Ein ungebremster CO2-Ausstoß könnte Schäden in Billionenhöhe sowie Kosten in ähnlicher Höhe verursachen, um die Folgen einzudämmen, warnen die UNO-Experten. Unter dem Klimawandel werden demnach besonders arme Bevölkerungsschichten in südlichen Ländern der Erde leiden, heißt es unter Verweis auf Wasserknappheit, Überflutungen und Armut. Der Klimawandel beeinflusse auch die Ernährungssicherheit, wobei die Menschen in ländlichen Gebieten besonders betroffen seien.
Was uns blüht
Der Klimawandel lässt die Bäume immer früher blühen. Ihre Farbe wird blasser, sie haben nicht mehr die Energie“, beklagt Toemon Sano. Seit Generationen wacht seine Familie in Kioto über die Kirschblüten. „Wenn der Klimawandel so weitergeht, ist das Überleben der Kirschbäume in Gefahr."
Was der alte japanische Gärtner beklagt, passt zu dem, worüber Hunderte Forscher und Vertreter von Regierungen aus aller Welt zur selben Zeit nur einen Steinwurf entfernt bei der Tagung des Weltklimarates IPCC debattieren. Denn im zweiten Teil ihres Klimaberichts, zu dessen Kurzfassung sich die Delegierten Sonntag durchgerungen hatten, geht es um die Folgen des Klimawandels. Häufigere Hochwasser, Dürreperioden, schmelzende Gletscher und wärmer und saurer werdende Ozeane drohen zu sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Verwerfungen zu führen.
Europa im Fokus
Erstmals wertete der Weltklimarat die Folgen des Klimawandels für einzelne Regionen aus. Die Grundaussagen des 2007 veröffentlichten Vorgängerreports gelten weiter.
Der Europateil des neuen Reports ist 93 Seiten stark – unter anderem mit folgenden Inhalten:
- Mehr Starkregen, mehr Hitze im Sommer. Gleichzeitig regenreichere Winter.
- Frostperioden verschieben sich von Dezember Richtung Januar/Februar. Dazu mehr Null-Grad-Zyklen, bei denen die Tage frostfrei, die Nächte aber frostig sind. Verbunden mit Niederschlägen ist das ein erhöhter Stress für Materialien, etwa Asphaltdecken – das Ergebnis: Schlaglöcher.
Die aktuelle Zusammenschau skizziert aber auch lebensbedrohliche Entwicklungen: So könnte der Temperaturanstieg noch in diesem Jahrhundert mehrere Millionen Küstenbewohner heimatlos machen. Mit der Erderwärmung könnten zudem Überschwemmungen einher gehen sowie Dürren und Ernteeinbußen. Die knappen Ressourcen für eine wachsende Weltbevölkerung wiederum bergen Konfliktpotenzial.
Auch wenn die Folgen der Umweltverschmutzung immer klarer werden, halten die Experten eine Kurskorrektur noch für möglich: Durch rasche und umfassende Maßnahmen zur Verringerung des CO2-Ausstoßes könnten viele Worst-Case-Szenarien abgewendet werden.
Finster von Tahiti bis Thailand, dunkel im Vatikan und in Las Vegas: Um ein Zeichen für den Schutz des Planten Erde zu setzen, schalteten Samstag jeweils um 20.30 Uhr Ortszeit Millionen Menschen die Lichter aus. Mehr als 7000 Städte in 162 Ländern nahmen an der Aktion teil, die der WWF heuer bereits zum achten Mal ausrief. Die Umweltschützer wollen die Bedeutung jedes einzelnen Erdenbürger für den Klimaschutz aufzeigen.
Auch die Österreicher sparten Strom. Die Landeshauptstädte ließen ihre Wahrzeichen für die Earth Hour unbeleuchtet. Fackelzüge und Kerzenschein erhellten die Nacht.
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