Die Traumfrau der Antike
Auf Seite 14 fällt er das erste Mal – der Name Elizabeth Taylor. Das muss wohl so sein, wenn sich eine Amerikanerin an die Biografie einer der berühmtesten Königinnen der Geschichte wagt. Nein, tun wir Stacy Schiff nicht unrecht: Sie ist Pulitzerpreisträgerin (für „Véra“, die Biografie über die Managerin und Ehefrau Vladimir Nabokovs, dem Autor von „Lolita“), hat viereinhalb Jahre für ihr Buch recherchiert und sich in die Werke von Plinius, Plutarch, Strabon, Cäsar und und und vergraben. Die Sackgassen und fehlenden Puzzleteile in Kleopatras Geschichte hätten eine paradoxe Wirkung, „wir wollen uns mit unserem Wissen über sie nicht zufriedengeben“, schreibt sie und kommt auf Basis neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse zu folgendem Befund: Kleopatra war eine hochintelligente Herrscherin mit außergewöhnlichem politischem Instinkt, deren Strahlkraft bis heute nachwirkt.
KURIER: Warum haben Sie ausgerechnet Kleopatra gewählt, die ohnedies jeder kennt?
Wie haben Sie recherchiert?
Ich habe hauptsächlich mit Historikern gesprochen. Vor allem mit jenen, die in griechischer Geschichte bewandert sind. Die Faktenlage ist nämlich dürftig. Der Palast ihrer Kindheit liegt heute sechs Meter unter dem Meeresspiegel. Ich war drei Wochen in Ägypten – aber dort ist wenig, was mir weiterhelfen hätte können, Kleopatra näherzukommen. Es gibt zwar Artefakte, aber im modernen Alexandria findet man kaum Spuren des griechischen Alexandria der Kleopatra. Keine Papyri sind dort erhalten geblieben. Aber die Luft zu atmen, sowie Licht und Farben zu sehen, wie sie sie gesehen hat, war eine Inspiration.
Es gibt viele Mythen rund um Kleopatra und wenig Fakten. Was, denken Sie, ist gesichert?
Ich sehe die Geschichten rund um ihre überlieferte Mordlust (sie hat angeblich einige ihrer Geschwister getötet, Anmerkung) differenziert. Sie entstammte einem alten Mördergeschlecht und hatte – speziell als Frau – wohl keine Wahl. Nicht in dieser Familie, ansonsten wäre sie selbst tot gewesen. Ob ich denke, sie war ehrlich in Cäsar oder Marcus Antonius verliebt? Wir werden es nie wissen, aber wenn man als Herrscherin gezwungen ist, Allianzen zu schmieden, denkt man wohl eher in staatspolitischen Kategorien und weniger in amourösen. Sicher ist also, dass sie sich mit Cäsar verband, darüber, ob Liebe im Spiel war, müssen wir spekulieren.
Wie war sie?
Sie war sprachgewandt und hatte ungeheuren Charme. Sie war eine jener Personen, die, sobald sie einen Raum betreten, alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Wenn Kleopatra mit jemandem sprach, gab sie ihm das Gefühl, dass er der einzige Mensch auf der Welt war, der für sie zählte. Sie wurde zur Herrscherin erzogen, dazu, Entscheidungen zu treffen. Sie war smart. Sie war eine wirklich moderne Frau, die sich nicht scheute, Hand anzulegen, sich um die Wirtschaft zu kümmern, die am Boden lag, als sie an die Macht kam, eine Hungersnot bewältigte, die eine Armee führte, eine Flotte aufbaute – eine arbeitende Frau, die Verantwortung für ihre Untertanen übernehmen wollte.
Sie haben sich näher mit der Erziehung befasst, die Kleopatra genossen hat. Warum?
Ja, ein ganz wichtiger Punkt. Wie kam es, dass sie mit Cäsar oder Marcus Antonius auf Augenhöhe sprechen konnte? Sie hatte dieselbe gute Ausbildung, dasselbe intellektuelle Format. Sie war eine gebildete, kompetente Frau. Der Geschichtsschreiber Plutarch berichtete, dass sie neun Sprachen beherrschte, darunter Hebräisch, Troglodytisch, die Sprache äthiopischer Höhlenbewohner und Ägyptisch. Das war nicht selbstverständlich. Sie war die Erste und Einzige der Ptolemäer, die die Sprache der Menschen sprach, die sie regierte.
Stimmt. Mit Angelina Jolie. Sie arbeiten gerade an einem Drehbuch.
Klingt großartig ...
... (lacht)
Sind Sie nicht glücklich damit?
Ich lasse es Sie wissen, ob es tatsächlich was wird.
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