Verdacht auf ADHS bestätigt sich oft nicht

Nicht jeder aufgeweckte Zappelphilipp muss gleich an ADHS leiden
Dr. Elfriede Wegricht, Psychologin und Pädagogin in freier Praxis in Wien. Klinische- und Gesundheitspsychologin, Notfallpsychologin, Supervisorin über ADHS.
Verdacht auf ADHS bestätigt sich oft nicht
Ordi, Dr. Wegricht

Die Volksschullehrerin meines Kindes meint, es hat möglicherweise ADHS. Wie kann ich feststellen, ob das tatsächlich stimmt?

Elfriede Wegricht: Ist das Verhalten des Kindes in der Schule sehr auffällig, stört es den Unterricht, ist es unruhig und unaufmerksam, kann dies viele Ursachen haben. Zunächst denkt man an ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung), aber oft sind auch andere Faktoren der Auslöser für dieses Verhalten: Probleme in der Familie oder in der Schule, Konzentrations- und Wahrnehmungsstörungen, Unter- oder Überforderung, ein Trauma, etc. können zu einem ähnlichen Verhalten wie bei ADHS führen. Dies muss durch einen Fachmann (Psychologe/in) abgeklärt werden, der zunächst mittels Anamnese den Werdegang und das Umfeld des Kindes erfasst.

Weiters kann eine Potenzialanalyse die Fähigkeiten eines Kindes erkennen; dabei könnte auch eine Hochbegabung das Resultat und gleichzeitig die Ursache seiner Unruhe sein, weil ihm einfach im Unterricht langweilig ist. Erhärtet sich der ADHS-Verdacht, muss zur Absicherung ein Kinderneurologe hinzugezogen werden, der eine eventuelle medikamentöse Therapie empfehlen kann. Wird ADHS nicht diagnostiziert, beginnt die Suche nach den Ursachen des unerwünschten Verhaltens und eine eventuelle Modifizierung des Umfeldes. Vorschnelle medikamentöse Behandlung ist in jedem Fall kontraproduktiv.

Welche Möglichkeiten zur Diagnose haben Sie als Psychologin?

Zunächst ist die Beobachtung des Kindes, sein Verhalten in der Schule und in der Familie, die Interaktion mit den Eltern und Geschwistern, seine Motivation, sein Erscheinungsbild, das Verhalten in einer fremden Umgebung, seine Konzentrationsfähigkeit, die Impulskontrolle etc. von Bedeutung. Die Erfassung seiner Fähigkeiten wird mittels standardisierten Tests durchgeführt, die einen Hinweis auf die kognitiven Fähigkeiten und andere Potenziale des Kindes geben.

Mein Kind mag nicht in die Schule gehen und hat in der Früh häufig Kopf- und Bauchweh.

Sehr oft gibt es dafür keine körperlichen, sondern psychische Ursachen: Über- oder Unterforderung, Probleme mit Freunden oder dem Lehrer, Mobbing, oder weil es in der Schule nichts Neues zu lernen gibt (bei überdurchschnittlich begabten Kindern). Kinder genieren sich oft, den wahren Grund zu nennen oder können oder trauen sich nicht, sich jemandem anzuvertrauen. Es ist sehr sinnvoll, psychologischen Rat einzuholen und eine PsychologIn beizuziehen. Einem externen Experten erzählen Kinder oft mehr als den Eltern. Es ist sicher kein Zeichen von Schwäche, eine fachliche Beratung in Anspruch zu nehmen sondern ein Beweis, verantwortungsvoll mit einer Situation umzugehen.www.begabt.at

Dr. Elfriede Wegricht am Tel. (01/526 57 60): Mi., 11. 12., 11 bis 12 Uhr, Anfragen per eMail: gesundheitscoach@kurier.at

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