Angst, Depression, Migräne kosten 800 Mrd.

Angst, Depression, Migräne kosten 800 Mrd.
In Europa sind rund 81 Millionen Menschen von sogenannten Neuro-Krankheiten betroffen. Experten setzen auf Vorsorge und Forschung.

Es ist eine traurige Hitliste: 61,3 Millionen Europäer leiden an Angststörungen. Fast 50 Millionen Personen haben häufig Migräneanfälle. Bei Schlafstörungen gibt es rund 45 Millionen Patienten. Gemütserkrankungen wie zum Beispiel Depressionen betreffen etwa 33,3 Millionen Menschen in Europa. 20 Millionen Patienten leiden an physischen Störungen, speziell an Schmerzzuständen, für die keine körperliche Ursache entdeckt werden kann. 15,5 Millionen Europäer sind von Sucht betroffen. Die Zahl der Demenzpatienten beträgt rund 6,3 Millionen. Dazu kommen noch schwere Erkrankungen wie Epilepsie (2,6 Millionen), 1,3 Millionen Schlaganfälle pro Jahr (insgesamt betroffen: an die sieben Millionen Patienten). An Morbus Parkinson leiden 1,2 Millionen Menschen, an Multipler Sklerose etwa rund 540.000 Patienten. Neuromuskuläre Erkrankungen mit etwa 260.000 Patienten und 1,2 Millionen Personen mit traumatischen Gehirnverletzungen ergänzen das Bild.

Mit diesen monströs wirkenden Zahlen bzw. den Schicksalen dahinter haben sich Experten am Wochenende beim Europäischen Neurologenkongress in Prag beschäftigt. Erschreckende Bilanz: Rund 81 Millionen Europäer sind laut Hochrechnungen von sogenannten neuro-psychiatrischen Erkrankungen betroffen. Die jährlichen Kosten belaufen sich auf fast 800 Milliarden Euro.

Vorsorge und Forschung

"Nach jüngsten Hochrechnungen des European Brain Council stehen wir in den 27 EU-Staaten plus Schweiz, Norwegen und Island zur Zeit bei 81 Millionen Betroffenen, also fast 16 Prozent der damit erfassten 514 Millionen Europäer", betonte Heinz Reichmann (Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden), Präsident der Europäischen Neurologengesellschaft (ENS). Rund 3000 Experten aus aller Welt diskutieren in Prag neueste Entwicklungen aus ihrem Fachgebiet.

"Die ökonomische Last, die wir damit schultern, beträgt nicht weniger als 798 Milliarden Euro - gigantische Kosten, die wir nur durch konsequente Vorsorge und verstärkte Forschungsanstrengungen in den Griff bekommen können", fügte der Fachmann hinzu. Insgesamt sind 60 Prozent dieser Summe sogenannte direkte Kosten (durch Krankenbehandlung, Pflege etc.) und 40 Prozent Kosten durch Produktivitätsverlust, wobei die Anteile dieser Größen je nach Diagnose stark differieren.

Schwerpunkt Morbus Parkinson

Neueste Erkenntnisse zum Morbus Parkinson, einer der häufigsten degenerativen Erkrankungen des Nervensystems, sind ein Themenschwerpunkt des Kongresses. Eine der präsentierten Neuigkeiten: Morbus Parkinson nimmt seinen Ausgang nicht in den motorischen Zentren des Gehirns, sondern in Nervenzellen des Geruchssinns und pflanzt sich Zelle für Zelle weiter fort: Zunächst in Richtung Magen und von dort über den Nervus Vagus zum Gehirn.

"Dieses Wissen gibt uns vielleicht einmal die Möglichkeit, die Krankheit noch viel früher zu entdecken und ihre Ausbreitung zu unterbinden", so Reichmann. Bei den Ursachen wirken genetische Risikofaktoren und schädliche Umwelteinflüsse wie Kohlenmonoxid oder Mangan uvm. oder Viren oder Bakterien zusammen.

Einen ersten Schritt in Richtung wirksamer Prävention könnte die Wissenschaft schon gemacht haben. "Während wir bisher der Meinung waren, dass die Standard-Therapie mit sogenannten Dopamin-Agonisten und MAO-Hemmern erst Sinn macht, wenn die Symptome zu Behinderungen führen, gibt es nun erstmals Studienergebnisse, die anderes zeigen: Die sofortige Behandlung mit den MAO-B-Hemmern Rasagilin, eventuell auch Selegilin, scheint einer Verschlechterung der Lebensqualität vorzubeugen", so der deutsche Experte.

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