Neue Doku zeigt Alltag junger Musliminnen

"Es ist nicht selbstverständlich, dass muslimische Frauen mit Kopftuch joggen."
Der Alltag mancher Musliminnen unterscheidet sich wenig von jenem anderer Menschen.

Wenn Medina Korkut durch Schönbrunn joggt, erntet sie oft verwunderte Blicke. "Es ist nicht selbstverständlich, dass muslimische Frauen mit Kopftuch joggen. Ich bekomme aber viel Zustimmung. Die Leute grüßen einander beim Joggen, weil sie etwas gemeinsam haben. Es verbindet uns – unabhängig von unserer Religion", sagt die 20-jährige Studentin für Molekulare Biotechnologie.

Es werde oft über die unterdrückte, muslimische Frau gesprochen, die ein Kopftuch tragen und zuhause sitzen muss – "ich finde es toll, dass wir die Gelegenheit bekommen, selbst zu sprechen", sagt Korkut. Sie ist eine der Protagonistinnen für eine Laiendoku im Rahmen des Projekts "Sichtwechsel".

Neue Doku zeigt Alltag junger Musliminnen
Sichtwechsel
Der Initiatorin Esther Lienbacher war es wichtig, etwas an der ängstlichen Einstellung gegenüber dem Islam zu ändern. "Radikaler Islamismus und der Dschihad sind sehr präsent – es gibt immer wieder anlassbezogene Interviews mit Moslems. Aber da geht die Alltagsrealität unter." In ihrer Doku stellt sie die Lebenswelt von fünf jungen Musliminnen vor. Darin ist auch die 23-jährige Sevde Özdemir zu sehen, die sich aktiv in der Interkulturellen Studentenvereinigung engagiert. "Wir wollten nicht wie so oft den Dschihad und Co. erklären, sondern zeigen, dass unser Alltag gleich ausschaut", sagt sie in breitem oberösterreichischen Dialekt.

Denn die jungen Frauen kommen häufig unter Rechtfertigungszwang, sagt Korkut: "Ich mache Moscheenführungen und bin oft im Austausch mit den Menschen. Da werde ich immer wieder darauf angesprochen, dass das Kopftuch ein Symbol der Unterdrückung ist." Unangenehm wird es immer kurz nach aktuellen Vorfällen mit radikalen Islamisten – "da nehmen auch die verbalen Angriffe zu." Mit ihrer Teilnahme an dem Projekt wollen die Frauen ihre Unabhängigkeit zeigen.

Özdemir erzählt, wie sie schon in der Schule mit Vorurteilen konfrontiert war: "Meine Lehrerin hat mir nichts zugetraut und mir ständig gesagt, dass ich eh bald heirate und Kinder kriege." Inzwischen hat Özdemir nicht nur maturiert, sondern macht derzeit ihren Doktor in Turkologie. "Mit der Lehrerin bin ich noch immer in gutem Kontakt und sie hat ihre Meinung inzwischen geändert."

Viele Gemeinsamkeiten

Die Musliminnen wollen ihrer Umwelt vor allem klar machen, dass sich ihr Alltag gar nicht so sehr von dem anderer Menschen unterscheidet. In der Doku sprechen sie über ihren Lieblingsautor, über Zeichentrickserien, die sie sich als Kinder angesehen haben und über ihren beruflichen Werdegang. "Wir wollen zeigen, wie viele Gemeinsamkeiten es eigentlich gibt."

Neue Doku zeigt Alltag junger Musliminnen
Soufeina Hamed
Darauf hat sich auch die Berliner Comic-Zeichnerin Soufeina Hamed spezialisiert. In ihren Illustrationen zeigt sie vor allem Vorurteile auf. Anfangs wollte sie damit den Frust aus ihren eigenen Alltagserfahrungen abbauen. Mittlerweile geht es ihr darum, Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es Frauen mit und ohne Kopftuch in vielen Lebenslagen gleich ergeht. Dass sie viele ähnliche Sorgen und Probleme haben. Ein plötzlicher Regenguss ist nicht nur lästig, wenn die Haare durchnässt sind. Auch ein nasses Kopftuch ist unangenehm.

Und tendenziell gibt es ja mehr schöne Kopftücher als Jogging-Stirnbänder.

Kommenden Sonntag, 26. April, wird das Projekt "Sichtwechsel" des Instituts für Umwelt, Friede, Entwicklung von 14 bis 19 Uh im Wiener Stadtkino (1., Akademiestraße 13) vorgestellt. Nach einer Podiumsdiskussion wird die Kurz-Doku vorgeführt. Außerdem sind die Comics von Soufeina Hamed zu sehen. Der Eintritt ist frei. Nähere Infos unter www.iufe.at

Für Aufklärung

Die Interkulturelle Studenten- vereinigung engagiert sich mit zahlreichen Aktionstagen, Workshops und Bildungsreisen. Am 16. Mai ist etwa ein StudyDay nach Vorbild der BeSt³ geplant, um den Anteil von Menschen mit Mitgrations- hintergrund an Universitäten zu erhöhen. Geplant ist auch eine Lange Nacht der Moscheen. Infos: www.facebook.com/isv.wien

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