Wiener Müllmänner: "Specki" und die starken Männer
Kurz atmet er im Keller eines Gründerzeithauses in Wien-Mariahilf durch, dann stemmt er gleich zwei randvolle 120-Liter-Mülltonnen hoch und wuchtet sie 26 enge, steile Kellerstiegen hinauf.
Dienstag, kurz nach 6 Uhr, Gerhard Stiedry nimmt seine Arbeit nicht auf die leichte Schulter, doch dank seiner Erfahrung ein Stück weit gelassen: „Wenn einer von uns noch nicht richtig aufgewärmt ist, hier auf dem Loquaiplatz wird auch ihm schnell warm.“
Schwitzen in der "Gruam"
Stiedry ist einer von insgesamt 670 Müllauflegern, die in der Magistratsabteilung 48 registriert sind. Ihre Aufgabe ist es, den Müll aus den Häusern der Großstadt zu bringen. Restmüll und Altstoffe fallen täglich an, und sie werden nicht weniger.
Seine Kollegen nennen ihn liebevoll „Specki“ und zeigen zugleich Respekt vor der Leistung des 55-Jährigen. In der „Gruam“ wächst er über sich hinaus. Für alle, die den „48er“-Jargon nicht beherrschen: „Gruam“ ist die kompakte Umschreibung eines Hauses mit steilen Auf- und Abstiegen für Müllmänner.
„Specki“ und sein langjähriger Kollege Matthias „ Motzl“ Gonter sind heute die Vorträger. Sieben Mal hintereinander steigen sie hinunter in den Untergrund, um alle Kübel zu bergen und auf die Straße zu stellen. Dort werden sie von ihrem Kollegen zur Entleerung im Müllauto gebracht. Klaus Schmidt wohnt in „Sankt Hütteldorf“, und er trägt ein grün-weißes Rapid-Herz unter seinem orangenen Latz und auf seiner Zunge. Sind die Kübel leer, werden sie von den beiden Leerträgern zurück an ihren Standort gebracht.
Das "Luis-Trenker-Haus"
Die Tour Nr. 446 ist eine von 260 Müll-Touren in Wien. Sie führt durch das enge Gassenwerk des alten Bürgerbezirks, vom Naschmarkt bis zur Mariahilfer Straße, vom Haus des Meeres bis zum Margaretengürtel. „Das sind keine Autobahnen“, weiß Norbert Nowack, der den Wagen 7029-48 mit viel Fingerspitzengefühl, gutem Auge und großer Routine zentimetergenau an parkenden Autos vorbeimanövriert. Auch er hat sich im Laufe der Jahre viel Gelassenheit angeeignet, dreht das Lenkrad und zuckt mit den Schultern: „Mal kommt man durch, mal bleibt man hängen. Dann muss man woanders fahren.“
Seine Mitfahrer, die Aufleger, haben andere Herausforderungen zu bewältigen. Als Königsetappe bezeichnen sie das „Luis-Trenker-Haus“, das der Südtiroler Bergsteiger nie betreten hat, dessen extrem steiler Anstieg jedoch ihm gewidmet wurde. Auch kein Bemmerl für Untrainierte: die „Katzenhüttn“, ein nettes Haus mit vielen Katzen und noch mehr Katzenstreu.
Die Zahl jener, die in Wien auf die „48er“ übel zu sprechen sind, ist im Sinken begriffen, sagt Klaus „100 % Hütteldorf“ Schmidt. Was von seinem Vorgesetzten bestätigt wird. Nicht zuletzt aufgrund ihrer Leistungen, aber auch dank einer schlauen Werbekampagne ist ihr Image merklich gestiegen. Die knallorangefarben uniformierten Müllaufleger sind zu einer Marke, zu einem Bestandteil, einem Lebensgefühl dieser Stadt mutiert. Vorträger „Motzl“ grüßt eine ältere Dame, dann erzählt er: „Man sieht immer wieder die gleichen Leute. Die fragen schon mal nach, wenn einer von unserer Partie fehlt.“
Der erste „Drahra“ (Dreher, Teil 1 der Tagestour) ist noch vor zehn Uhr zu Ende. Während Chauffeur Nowack den Wagen zur Müllverbrennungsanlage am Flötzersteig steuert, stärken sich seine Kollegen in ihrer Unterkunft. Der Hunger ist groß, immerhin liegen das Frühstück und der Dienstbeginn nun schon einige Stunden zurück.
Nach der Pause wartet der zweite Tour-Teil. Am Ende des Tages sind die Aufleger 14,5 Kilometer zu Fuß durch Mariahilf marschiert, da sind die Meter in Häusern, Höfen und Kellern nicht eingerechnet. Der Müll in Wien wird mehr, weil mehr Menschen in der Stadt leben. Erfreulich ist immerhin, dass die Pro-Kopf-Müllmenge gesunken ist.
Keine Müllfrauen
Die gemeinsame Anstrengung schweißt zusammen. Oft hilft den „48ern“ auch eine Portion erdiger Humor – bei manchem Schmäh der Straße würden die gestrengen Aufpasser der Stadt Wien, die sich der Political Correctness verschrieben haben, heiße Ohren bekommen.
Auffallend ist auch, dass nur von Müllmännern die Rede ist. Müllfrauen gibt es in Wien nicht. „Unsere Kübel sind einfach zu schwer“, sind sich die eingeschworenen Kollegen von der Tour 446 einig. Und ihr Aufseher nickt. Dienstschluss ist, wenn alle Kübel geleert sind. Erfahrungsgemäß ist das vor 14 Uhr. Und selbst einer wie der „Specki“ ist jetzt ein bisserl geschlaucht.
Müllvermeidung: Wie man weniger Mist baut
„Jeder kann etwas tun“, betont Ulrike Volk von der Magistratsabteilung 48 der Stadt Wien. Seit vielen Jahren beschäftigt sich Volk mit dem Thema Abfallvermeidung. Damit die Müllberge in Österreich langsamer wachsen – hier einige praktische Tipps der Expertin:
Weniger Lebensmittel einkaufen: „Auch wenn Aktionspreise locken, nur so viel besorgen, wie Sie tatsächlich benötigen. Lieber weniger einkaufen, dafür öfter, wenn man weiß, was man wann isst. Ein kurzer Blick vor dem Einkauf in den Kühlschrank zeigt, was noch verfügbar ist. Auch der klassische Einkaufszettel hilft.“
Weniger Lebensmittel heimbringen: „Eine Alternative zum Plastiksackerl ist der Einkaufskorb oder das Stoffsackerl, das jederzeit gewaschen und wieder verwendet werden kann.“
Lebensmittel richtig lagern: „Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist ein Richtwert, der angibt, bis wann ein Lebensmittel ungeöffnet und bei richtiger Lagerung mindestens haltbar ist. Nach Ablauf des MHD müssen Lebensmittel aber keinesfalls gleich entsorgt werden. Es empfiehlt sich dann, vor dem Verzehr Aussehen, Geruch und Geschmack genau zu prüfen.“
Secondhand kaufen: „In vielen Städten und Gemeinden gibt es Secondhandmärkte mit günstigen Angeboten, so wie den 48er-Tandler in Wien.“
Secondhand schaffen: „Gerätschaften, die noch funktionieren, müssen nicht zwangsläufig im Restmüll landen. In Wien können sie etwa in der Tandler-Box auf den Mistplätzen weitergegeben werden, oder an karitative Organisationen.“
Geräte kaufen: „Grundsätzlich gilt ja: Schrauben sind besser als Schweißnähte. Dazu ein praktischer Hinweis: Es gibt ein eigenes Nachhaltigkeitssiegel für reparaturfreundliche und langlebige Elektrogeräte. Und wenn das Gerät doch einmal kaputtgeht, kann man sich in Wien an das Reparaturnetzwerk wenden. Dieses vereint zahlreiche Reparaturbetriebe.“
Tipps zur Abfallvermeidung und letztendlich zur Reduktion der Lebenshaltungskosten: http://www.wenigermist.at/lifestyle
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