Wie Kellnerinnen vor sexueller Belästigung geschützt werden
Erin Wade ist Mitbegründerin und Geschäftsführerin des Restaurants "Homeroom" im kalifornischen Oakland. In diesem werden vor allem Mac and Cheese, also mit Käse überbackene Nudeln, serviert. Ihr Anspruch ist es schon seit jeher, eine Restaurantkultur zu etablieren, die vielfältig und inklusiv ist. Bis vor drei Jahren war sie der Annahme, dass dieser Plan im Alltag gut funktioniert und das Restaurant sowohl für Kunden als auch für die Mitarbeiter ein Ort zum Wohlfühlen ist.
Doch dann erhielt sie von Mitarbeiterinnen Mails, in denen sie von Belästigung berichteten. Eine Angestellte offenbarte Wade, dass ihr ein Mann beim Abräumen des Tisches unter das Shirt gegriffen hatte, während seine vier Kinder mit am Tisch saßen. Sie sei davon so fassungslos gewesen, dass sie den Vorfall zunächst nicht mitteilte. Doch das Ereignis löste eine Flut von Reaktionen anderer Kolleginnen aus, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. "Ich war schockiert", schrieb Wade in einem Kommentar für die Washington Post. Als ihr das Ausmaß der sexuellen Belästigung gegenüber ihren Mitarbeiterinnen bewusst wurde, ging sie nach Hause und heulte.
Schließlich entschied sie sich dazu, mit ihren Angestellten eine Lösung zu erarbeiten, wie Kellnerinnen in Zukunft besser geschützt werden können. Dabei rausgekommen ist ein Farbsystem, mit dem sie signalisieren können, dass sie von Kunden belästigt werden und in welcher Intensität.
Gelb bedeutet ein anstößiger Blick oder eine unheimliche Atmosphäre
Orange signalisiert unangemessene Kommentare mit sexualisierten Anspielungen, zum Beispiel Komplimente für das Aussehen
Bei Rot gab es direkte sexualisierte Kommentare oder Berührungen oder wiederholte Vorfälle aus der orangen Kategorie
Kaum mehr "rote Vorfälle"
Sobald eine Kellnerin ein Problem hat, meldet sie die Farbe und der Manager ist dazu aufgefordert, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Bei Rot wird der betroffene Gast aus dem Restaurant geworfen, bei Orange übernimmt der Manager den Tisch, bei Gelb kann das Personal selbst entscheiden, ob es die Gäste weiterhin bedienen möchte oder ob das ein Vorgesetzter tun soll. Das alles gehe ohne weitere Fragen vor sich. Durch die Anwendung des Konzepts komme es mittlerweile kaum mehr zu "roten Vorfällen", erzählte Wade. Die meisten Kunden würden nämlich vorfühlen, bevor sie eine Kellnerin offen sexuell belästigen, dazu haben sie nun gar keine Gelegenheit mehr.
Außerdem habe man bei der Besetzung der Posten in jeder Managementebene seit geraumer Zeit verstärkt darauf geachtet, diese mit diversem Personal zu besetzen.
Das Farbsystem funktioniert laut Wade so gut, weil die Kellnerinnen negative Erlebnisse nicht neu erfahren müssen und es Managern schwierige Entscheidungen über Situationen abnimmt, die auf diese aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen möglicherweise nicht bedrohlich wirken. Außerdem erkenne das System "die Unterschiede in der Art und Weise, wie Männer und Frauen die Welt erleben", während gleichzeitig ein sicherer Arbeitsplatz geschaffen wird.
Wie weit verbreitet sexuelle Belästigung in der Gastronomie ist, zeigt unter anderem die Studie des amerikanischen "Restaurant Opportunities Centers United". Laut dieser sind 80 Prozent der weiblichen Restaurant-Angestellten schon einmal sexuell belästigt worden. Bei den männlichen Angestellten waren es 49 Prozent.
"Dieser Moment gehört uns"
"Das ist nur eine Geschichte von einem Restaurant – aber ich weiß, dass es andere gibt. Die Revolution, die wir brauchen, ist nicht nur die Verdrängung mächtiger Männer, sondern auch den Status von Frauen zu erhöhen, die sich gut benehmen." In ihrem Kommentar rief Wade "Frauen von Amerikas Unternehmen" dazu auf, ihre Vorschläge mitzuteilen, um die Probleme zu lösen, die ihren Arbeitsplatz belasten. "Dieser Moment gehört uns – nehmen wir ihn in die Hand und lassen die Welt zuhören."
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