Was der Blick in die Zukunft tatsächlich verrät

Mehr Klarheit im Leben - das erhoffen sich viele von Wahrsagerei
Wahrsagerei: Warum so viele wissen wollen, was passieren wird.

Falco hat sich vor seinem Tod zwei Mal von Adele Birnbauer aus der Hand lesen lassen. "Beim ersten Mal habe ich ihm gesagt, dass sein Leben sich mit 40 verändern wird. Ich konnte ihm ja nicht sagen, dass er stirbt, aber man hat es deutlich gesehen." Da war Falco 37 und hat der Handleserin im Marchfelderhof recht gegeben, weil er in die Dominikanische Republik ziehen wollte. "Beim zweiten Mal war er 39 und hat mir gesagt, dass er glaubt, nicht älter als 40 Jahre alt zu werden."

Ist es möglich in die Zukunft zu sehen? Ereignisse zu erahnen? Geht es nach Prof. Wolfgang Hell, lautet die Antwort eindeutig Nein. "Nehmen wir an, alle Menschen wüssten, was die nächsten Lotto-Zahlen sind – dann würden alle ein paar Euro gewinnen und keiner hätte mehr etwas davon."

Für unsichere Zeiten

Hell gehört zum Wissenschaftsrat der "Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften", kurz GWUP. Der Psychologe erklärt, dass abergläubische Handlungen vor allem in unsicheren Zeiten zunehmen. Ein Beispiel: "Wenn ich ein neues, zuverlässiges Auto habe, dann würde ich nie den Zündschlüssel auf eine bestimmte Art und Weise drehen, damit das Auto anspringt. Abergläubische Rituale erfolgen dort, wo der Erfolg des eigenen Handelns nicht sicher ist. Niemand macht das, wenn er sicher ist, dass sein Auto funktioniert."

Sehnsucht Sicherheit

Der Anthropologe Bronislaw Malinowski hat den Aberglauben bei Südseevölkern verglichen. Jene Stämme, die in einer sicheren Lagune fischen gegangen sind, haben kaum abergläubische Handlungen gesetzt. Andere Völker hingegen, die auf hoher See fischen mussten – wo der Erfolg nicht sicher war und wo es viele Gefahren gab – waren sehr abergläubisch. "Je unsicherer der erwünschte Erfolg der eigenen Handlung, desto abergläubischer die Menschen. Und umgekehrt: Je sicherer der Erfolg, desto weniger Aberglaube", sagt Hell.

Ein Blick durch diverse Esoterik-Foren im Internet zeigt, welche Fragen die Menschen zu Wahrsagern treiben: Ich brauche dringend mehr Klarheit in Sachen Liebe... Im Beruf geht es drunter und drüber, wie bekomme ich mehr Ordnung in das Chaos? ... Wann kann ich auf einen neuen Partner hoffen?

Was der Blick in die Zukunft tatsächlich verrät
Glaskugel: Bildnummer: 51061122 Datum: 01.10.2005 Copyright: imago/Attila Kleb 2 x Innen (Blitze & Wiese): jeweils Fotolia Was bringt die Zukunft? Hände liegen beschwörend über einer Glaskugel, Objekte , Körperteile; 2005, Budapest, Wahrsagerei, Wahrsagen, Kugel, Wahrsager, Wahrsagerin, Kugeln, Hand, Hände, Wahrsagerei, Esoterik, Glaskugeln, beschwören, Hellsehen, Hellseherein, Hellseher, Kristallkugel, Kristallkugeln, Zukunft, blicken, sehen; , hoch, Kbdig, Einzelbild, Ungarn, ,

Viel Geldmacherei

Der Psychologe Hell erklärt: "Die Menschen gehen immer in unsicheren Situationen oder vor schweren Entscheidungen zum Wahrsager – es ist sehr selten, dass jemand kommt und sagt, es geht ihm richtig gut und er will einfach nur wissen, was rauskommt." Darauf sind auch die Wahrsager vorbereitet und stellen sich auf ihr Gegenüber ein. "Einem Mitte-60-Jährigen wird es wohl eher um Fragen rund um seine Gesundheit und seine Ersparnisse gehen als um berufliche Sorgen oder Liebensangelegenheiten." Ein kleines Nicken oder Kopfschütteln würde reichen, damit der Wahrsager weiß, in welche Richtung er weiterreden muss.

Dass in ihrem Metier viel Geldmacherei betrieben wird, ist auch Birnbauer klar, die 50 Jahre Erfahrung mitbringt. Sie differenziert jedoch: "Man kann zum Beispiel nicht in einem Jahreshoroskop behaupten, dass alle Zwillinge nächstes Jahr unglücklich sein werden." Hier werde oft viel zu sehr verallgemeinert.

"Hand wie ein Computerchip"

Das Handlesen ist für sie hingegen keine Esoterik, sondern eine Wissenschaft – man spricht auch von Chiromantie (aus dem Altgriechischen: Chiro steht für Hand, Manteia für Weissagung). "Die Hand ist wie ein Computerchip, es steht alles drinnen – vom Lebensverlauf über die Zahl der Kinder bis hin zu den Anfangsbuchstaben der großen Liebespartner."

Auch hier hat der Skeptiker Hell eine Erklärung parat: "Ob Sie Kaffeesud lesen oder Karten legen – je komplexer das Verfahren, desto besser kommt es bei den Leuten an. Wenn man vorgibt, eine Handschriftenanalyse zu machen, bekommt die Person das Gefühl, das ist speziell für mich." (siehe auch das Astrologie-Experiment unten) Bei allgemeinen Sätzen, die einem schmeicheln, wie etwa "Sie haben den Willen, etwas aus sich herauszuholen", würde jedem eine dazugehörige Situation einfallen. "Ich werfe Ihnen einen Brocken hin und Sie machen daraus etwas, das in Ihr Leben passt."

Genaue Antworten

Birnbauer akzeptiert die Kritik – "Ich bin selbst skeptisch. Und jeder hat ein Recht darauf, nicht daran zu glauben." Doch sie ist überzeugt davon, ihren Klienten sehr genaue Antworten zu geben. "Bei Entscheidungen im Beruf oder in der Partnerschaft kann ich sagen, wie es in der einen oder anderen Richtung wäre – entscheiden muss die Person dann selbst. Ich helfe, den Weg zu ebnen, aber ich schreibe kein Drehbuch."

Ob man mit den Antworten auch die eigene Zukunft beeinflussen kann? "Manchmal schon. Die meisten stehen um die 40 herum vor einer Entscheidung – da kann ich ihnen sagen, ob sie den Weg der Veränderung gehen sollen oder nicht."

"Verbindung aufbauen"

Um helfen zu können, muss sie die Menschen allerdings persönlich treffen, um "eine Verbindung aufzubauen". Daher hält sie nichts von Wahrsagerei über das Telefon. "Ich muss jemandem gegenübersitzen, um auf ihn eingehen und klare Antworten geben zu können. Ich spüre mein Gegenüber sehr stark – wenn es ihm schlecht geht, geht es mir dann auch schlecht."

Was der Blick in die Zukunft tatsächlich verrät
An diesem Punkt kommen sich die beiden Seiten – der Skeptiker und die Hellseherin – näher. Denn beide sind sich einig, dass beim Wahrsagen für kurze Zeit eine intime Beziehung mit einem fremden Menschen entsteht. Und Birnbauer ist überzeugt, dass es 98 Prozent ihrer Besucher nach einer Sitzung mit ihr besser geht. "So ein Treffen ist natürlich auch eine Art Lebensberatung. Wenn zum Beispiel jemand traurig ist, sage ich ihm, er muss die Traurigkeit begrüßen und umarmen – erst wenn er sie annimmt, kann er sie wegschicken."

"Antworten durch Intuition"

Jemandem Mut zu machen, lohne sich aber nur bei Dingen, die man selbst beeinflussen kann – etwa mit Selbstvertrauen in einen neuen Job oder eine neue Beziehung zu gehen, betont der Psychologe Hell. "Die Menschen kaufen sich für kurze Zeit einen intimen Gesprächspartner. Wenn man in seinen persönlichen Beziehungen gefestigt ist, dann braucht man keinen Wahrsager."

Doch gute Freunde könnten weder handlesen, noch hätten sie spirituellen Kontakt, entgegnet die Hellseherin Birnbauer. Zumindest die meisten nicht. "Viele Menschen brauchen Hilfe. Psychologen haben studiert, ich bekomme die Antworten durch Intuition."

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Bekannte Wahrsager: Von Nostradamus bis Hanussen

Das Experiment von Bertram R. Forer aus dem Jahr 1948 ist bis heute beispielgebend dafür, wie sehr wir Auswertungen Glauben schenken, wenn wir denken, dass sie auf uns abgestimmt sind. In seiner Studie machte der Psychologe seinen Studenten vor, dass sie an einem Persönlichkeitstest teilnehmen. Dann legte er allen dieselbe Auswertung vor, die aus Sätzen bestand, die er sich aus Zeitungshoroskopen zusammengestellt hatte.

Etwa: Sie brauchen die Zuneigung und Bewunderung anderer, dabei neigen Sie zu Selbstkritik. Oder auch: Einige Ihrer Wünsche scheinen mitunter eher unrealistisch. Den Aussagen ist gemeinsam, dass jeder solche Eigenschaften gerne über sich hört und gleichzeitig treffen sie auf viele zu. Die Studenten mussten auf einer Skala von 1 (trifft nicht zu) bis 5 (trifft sehr zu) angeben, wie sehr sie sich von dem Text angesprochen fühlten – die durchschnittliche Bewertung lag bei 4,26.

Frage nach Sternzeichen

In Folge-Experimenten fragte man Studenten zunächst nach ihrem Sternzeichen. Alle bekamen wieder denselben Text – und fühlten sich wieder sehr gut getroffen. Noch besser war die Bewertung der Studenten, wenn sie zuvor nach genauem Geburtsdatum, -ort und -zeit gefragt wurden. Sie glaubten ein persönliches Horoskop zu bekommen und fühlten sich sehr gut beschrieben.

Benannt wurde der Effekt übrigens nach Phineas Taylor Barnum, einem amerikanischen Zirkuspionier aus dem 19. Jahrhundert.

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