Waldpädagogik macht Stadtkinder mit der Natur vertraut

Waldpädagogik macht Stadtkinder mit der Natur vertraut
Immer mehr Kinder leben in der Stadt und wachsen ohne Grün auf. Das birgt Gefahren für ihre psychische Gesundheit.

Bullerbü ist der Inbegriff einer glücklichen Kindheit, auch weil in dem fiktiven schwedischen Dorf die Natur zum größten Spielplatz wird. Dass so viel Grün der Seele guttut, ahnte bereits die Autorin Astrid Lindgren.

Jetzt ist es sogar wissenschaftlich belegt: Wer als Kind von Wiesen, Feldern oder Parks umgeben ist, der hat ein geringeres Risiko, später als Erwachsener psychisch zu erkranken. Dänische Forscher haben anhand von Satelliten-Daten herausgefunden, wie Seele und Natur zusammenhängen. Sie haben sich angeschaut, wie die Umgebung der Elternhäuser von einer Million Dänen im Zeitraum von 1985 bis 2013 ausgesehen hat, und verglichen, wie hoch das Risiko ist, im Erwachsenenalter eine von 16 psychischen Krankheiten zu entwickeln.

Das Ergebnis fasst Studienleiterin Kristine Engemann von der Universität Aarhus so zusammen: „Das Risiko nimmt schrittweise ab, je länger man als Kind von Geburt bis zum Alter von zehn Jahren von Grünflächen umgeben ist.“

 

Angesichts der Tatsache, dass immer mehr Menschen in Städten leben, eine alarmierende Entdeckung. Denn gerade in der Stadt gibt es viele Kinder, die nur ganz selten oder nie in der Natur spielen. Das bemerkt etwa die Waldpädagogin Jutta Rabenau (www.walderlebt.at), die Naturspaziergänge für Kindergartenkinder und Schulklassen organisiert: „Für manche ist die Natur derart fremd, dass sie sich sogar etwas vor dem Wald fürchten.“

Konkret etwa davor, dass sie sich an einem Brombeerstrauch stechen. „Einige verunsichert, wenn sie über Wurzeln steigen sollen. Für sie ist es ein Erfolg, eine Stunde zu trainieren, über unebenes Terrain zu gehen.“ Andere fürchten sich, schmutzig zu werden. Die Waldpädagogin hilft den Kindern dabei, ihre Ängste zu überwinden. „Besonders wenn wir sie über ein Jahr immer wieder bei uns haben, merken wir, wie sie eine Beziehung zum Wald aufbauen.“

Schnecke auf der Hand

Mehr noch: „Die Kinder sind ausgeglichen – auch wenn sie laut in der Natur toben. Das gilt insbesondere für diejenigen, die in der Schule besonders unruhig sind, wie mir Lehrer berichten.“ Schüchterne Kinder werden hier manchmal sogar zum Helden: „Neulich schaffte es einer, der ein bisschen ein Außenseiter war, als einziger, eine Nacktschnecke in der Hand zu behalten.“ Das hebt natürlich das Selbstbewusstsein des Kindes – auch weil es von seinen Mitschülern anders wahrgenommen wird.

Städte anders planen

Doch Kinder nur für einige Tage in den Wald zu schicken, kann nur der Anfang sein – das macht die dänische Studie auch klar: Die Städte müssen so geplant werden, dass Grünflächen für ihre Bewohner gut erreichbar sind – nicht nur für Kinder.

Der Stressforscher Mazda Adli von der Berliner Charité fasst das Problem des Stadtlebens so zusammen: „Zu viele Menschen an einem Ort, während man gleichzeitig zu wenig Kontakt zu diesen Menschen hat.“ Das betrifft Erwachsene und Kinder gleichermaßen. Die Natur hilft beiden, Stress abzubauen. Die Frage bleibt offen, wie viel Grün es dazu in einer Stadt braucht. Reicht es dazu, in die Natur zu blicken, oder muss man sie auch aktiv begehen? Auch darauf werden Forscher Antworten finden.

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