VWA

Nächstes Problem bei der Zentralmatura

Heinisch-Hosek hat Erklärungsbedarf.
Bei der Übertragung der vorwissenschaftlichen Arbeiten gibt es technische Probleme. Was Schüler und Lehrer dazu sagen.

Und noch eine Panne bei der Zentralmatura: Die Onlineplattform, auf der Schülerinnen und Schüler ihre vorwissenschaftliche Arbeit (VWA) abgeben sollten, ist überlastet. Die Folge: Die 40.000 bis 60.000 umfassende VWA, die jeder AHS-Maturant abgeben muss, kann Arbeiten nicht hochgeladen werden. Viele, die es versuchen, erhalten auf der Seite die Nachricht: "Uups, das hätte nicht passieren sollen. " Was lustig klingt, wird für viele Maturanten und Lehrer zu einer Nervenprobe.

Bis Freitag haben die Maturanten noch Zeit, ihre Arbeiten abzugeben. Wer es bis dahin nicht schafft, der kann erst im Herbst zu Prüfung antreten. Im Ministerium versucht man zu beruhigen und den Schülern die Angst zu nehmen: Die VWA muss nur bis Freitag schriftlich zweifach in Papierform und elektronisch in der Schule abgegeben werden. Es werden alle Arbeiten, die in der Schule auf diese Weise eingelangt sind ganz normal bewertet. Als Ursache nennt das Ministerium zu große Dateien: "Wenn die Arbeiten zu groß sind, dann nimmt das System sie nicht. Es wird an einem Pop-Up gearbeitet, das die Schüler darauf hinweist, so dass sie eingefügten Fotos und Grafiken verkleinern sollen."

Schulleiter: "Auf unserem Rücken"

Lehrer und Direktoren beruhigt das gar nicht: "Dass auch große Datenmengen übertragen werden, damit hätte man rechnen können. Leider wird alles was schief läuft, auf unserem Rücken ausgetragen", sagt ein Schulleiter dem KURIER. "Diese vielen Pannen belasten uns Pädagogen mental und psychisch dermaßen. Viele sind kurz vor dem Zusammenbrechen." Die Online-Plattform sei geschaffen worden, um die Schulen bei der VWA administrativ zu entlasten. "Jetzt bleibt wieder Mehrarbeit an uns hängen. Ich muss jetzt rund 100 VWA verwalten."

Eine Lehrerin, die fünf Arbeiten betreut, weist auf ein weiteres Problem hin: "Meine Schüler haben es zwar irgendwann in der Nacht geschafft, die Arbeiten hochzuladen. Doch sobald einer seine VWA online stellt, kann ich die anderen nicht mehr einsehen. Das müsste ich aber eigentlich, um sie zu bewerten."

Auch die Schülervertreter sind erbost: "Das SPÖ-Bildungsministerium hatte im Vorfeld bei Verhandlungen allerdings beschwichtigt und derartige Pannen ausgeschlossen, sagt Felix Wagner, Obmann der Schülerunion. „Das Maß ist voll! Diese Panne verunsichert die Schülerinnen und Schüler abermals. Das Bildungsministerium muss endlich alles daran setzen, um für einen reibungslosen Ablauf zu sorgen. Eine Pannenserie, wie im letzten Jahr, darf dieses Jahr nicht mehr vorkommen.“

Großes Unverständnis herrscht auch bei Bundesschulsprecher Lukas Faymann. „Das Ministerium hat bei Gesprächen im Vorfeld von einer durchdachten und problemlosen Abgabemöglichkeit geschwärmt. Bedenken der Schulpartner wurden schon vom Tisch geräumt, bevor sie überhaupt geäußert werden konnten."

Zu viel verlangt?

Beim KURIER-Schüleranwalt sind zahlreiche Mails eingetroffen. Ein Vater ist erbost:" Offensichtlich hat man nicht damit gerecht, dass x-Tausend Schüler die Arbeiten diese Woche hochladen. Es ist wahrscheinlich zu viel verlangt den Server entsprechend aufzusetzen."

Eine Schülerin schreibt: "Als ob der Stress in der 8. Klasse nicht ohnehin schon genug ist, wurde uns eine Vorwissenschaftliche Arbeit aufgedrückt. Trotz dem vielen Stress habe ich mir die Zeit genommen und meine VWA geschrieben und wollte sie, wie viele meiner Mitschüler, hochladen. Ständig wurde uns Druck gemacht, dass wenn wir die Arbeit nicht termingerecht abgeben, wir nicht zum Haupttermin der Matura antreten können, sondern auf den Herbsttermin warten müssen. Doch was ist nun? Diesen Freitag ist die Abgabefrist für die VWA der Schüler aus Wien und Burgenland. Mittlerweile muss ich sagen, dass meine Mitschüler und ich dem Bifie zu viel zugetraut haben. Wir haben damit gerechnet, dass spätestens am Donnerstag oder am Freitag die Website auf der tausende Schüler ihre VWA hochladen müssen zusammenbricht, doch bereits seit gestern scheitert jeder Versuch die VWA hochzuladen und somit die Möglichkeit zum Haupttermin der Matura antreten zu können. Es zeigt lediglich wie gut diese Zentralmatura durchdacht ist. Kaum ein Server dieser Welt schafft dies. Anstatt dass das Bifie Stellungnahme zum Problem Tausender Schüler nimmt, schweigt es und versucht alles mögliche um dieses Problem zu vertuschen. Doch was ist mit uns Maturanten? Haben wir überhaupt eine Chance zum Haupttermin antreten zu dürfen, der wunderbar durchdachten Zentralmatura?"

Auch aus dem GRG 23 erreicht den KURIER ein Mail: "Wir sitzen seit sechs Stunden am PC und versuchen unsere Arbeiten zeitgerecht hochzuladen, aber das System will sie offensichtlich nicht. Nun sind wir wirklich schon am Verzweifeln und haben sogar schon Fotos vom „Hochladungsversuch“ gemacht, um guten Willen zu beweisen. Auch die Betreueungspersonen sind informiert, da uns ja sehr viel an einer erfolgreichen Reifeprüfung liegt. Kann es sein, dass wir nicht antreten dürfen, weil das Hochladen nicht funktioniert? Das wäre wirklich eine Katastrophe für uns, denn wir alle waren immer sehr eifrige und bemühte Schüler und Schülerinnen. Wir werden es jetzt natürlich noch weiter versuchen. Vielleicht klappt das Hochladen ja noch."

Am frühen Morgen laden

Eine Schülerin schreibt: "Laut Ministerium sind ,manche' Schüler von den Pannen beim Hochladen ihrer Vorwissenschaftlichen Arbeit betroffen und das auch noch selbstverschuldet, weil die Datenmenge zu groß ist. Ich selbst bin Schülerin, werde in diesem Schuljahr maturieren und bin die letzten Tage mit dem vergeblichen Versuch meine Arbeit hochzuladen stundenlang vor dem Computer gesessen. Was ich hiermit versichern kann: Es geht all meinen Klassenkameraden genauso, weshalb man das ,manche' getrost durch ,alle' Schüler ersetzen kann, und die Datenmenge ist zumindest in meinem Fall garantiert nicht zu groß (genau gesagt sind es nicht einmal 555 KB).
Trotz den vom Ministerium verbreiteten Lügen ist es ein Fortschritt ihrerseits ein öffentliches Statement abgegeben zu haben - all die E-Mails, die meine Klassenkameraden und ich verzweifelt geschickt haben, wurden mit einer Standardantwort (inklusive Rechtschreibfehler) beantwortet bzw. beschwichtigt oder mit lächerlichen Ratschlägen versehen. Kann man von Schülern im Ernst verlangen die Arbeit am "SEHR frühen Morgen oder spät abends" hochzuladen? Im Übrigen funktioniert nicht einmal diese Maßnahme - selbst um zwei Uhr in der Nacht ist alles, was man zu sehen bekommt die Meldung "Ups, das hätte nicht passieren sollen", vorausgesetzt natürlich man hat das Glück die Website überhaupt öffnen zu können, was alles andere als selbstverständlich ist.

Aber jetzt hat das Ministerium endlich einen Plan B aus dem (brennenden) Hut gezogen. Die Frage "Wieso erst jetzt?" bleibt. Es war sogar für Laien wie mich vorherzusehen, dass der Server irgendwann überlastet sein wird (ich dachte zwar, das wäre erst am Freitag, also am Ende der Abgabefrist so weit, aber gut), konnte man nicht schon im Vorfeld einen Notfallplan erstellen? Mussten erst tausende Schüler verzweifeln, bevor etwas unternommen wird? Und noch wichtiger: Was passiert, wenn bei der ebenfalls so "gut durchdachten" Zentralmatura Probleme auftauchen? Sollen wir sie dann etwa wiederholen, weil es einfach keinen Notfallplan gibt? Denn so viel ist sicher: problemlos ablaufen wird sie nicht."

Die Schüler des Stiftsgymnasiums Melk sehen "schwarz für die Matura". Anlässlich des Serversabsturzes der VWA-Homepage hat sich die 8b des Stiftsgymnasiums Melk, uns entschlossen, unseren Ärger endlich öffentlich kundzutun und einen Brief aufgesetzt. Der Wortlaut: "Viele Fehler des Bildungsministeriums und des BIFIE, kleinere und größere Skandale haben wir willig über uns ergehen lassen, verständnisvoll akzeptiert, immerhin sind wir ja der erste Jahrgang, der die Zentralmatura durchführen wird, die „Versuchskaninchen“, wie wir uns selbst zu bezeichnen pflegen. Doch die Panne des VWA-Servers schlägt dem Fass den Boden aus und schürt die bereits große Angst der Schüler vor der Matura noch mehr.
Die neue Zentralmatura, die ab dem heurigen Jahr in allen AHS Österreichs durchgeführt werden soll, besteht aus drei Säulen. Die erste davon: eine vorwissenschaftliche Arbeit. Die Schüler verfassen eine Arbeit zu einem Thema ihrer Wahl, welche nach dem Fertigstellen in schriftlicher Form schulintern abgegeben und in elektronischer Form auf die VWA-Homepage hochgeladen wird. Die Deadline dafür ist Freitag, 13.Feburar 2015, wer seine Arbeit nicht rechtzeitig einreicht, wird automatisch negativ beurteilt. Soweit die Theorie. Was aber passiert, wenn die VWA-Homepage abstürzt, weil der Server überlastet ist? Beim Versuch, seine Arbeit hochzuladen, erscheint derzeit die Fehlermeldung „Upps, das hätte nicht passieren sollen…“. Der Meinung sind wir auch. Die Behauptung, man hätte seine VWA ja bereits vor Wochen einreichen können, kann hierbei nicht geltend gemacht werden, sind beispielsweise am Mittwoch noch neue Regelungen verabschiedet worden. Das Ministerium fordert es somit förmlich heraus, dass alle Schüler ihre Arbeit erst am letzten Drücker hochladen. Eine Lösung für dieses Problem ist derzeit nicht in Sicht, der Server ist wahrscheinlich nicht mehr zu retten und dennoch besteht laut unserer Bildungsministerin kein Grund zur Sorge.

Ständige Änderungen

Doch Schwierigkeiten wie diese sind bereits von Anfang an absehbar gewesen. Vor anderthalb Jahren haben wir die ersten Informationen zur VWA erhalten, begonnen an unserer Forschungsfrage zu arbeiten und ein Buch mit allen möglichen Richtlinien bekommen. Die Absurdität dabei: Das VWA-Buch war nach wenigen Wochen nicht mehr aktuell und somit reif für den Papierkorb, die Forschungsfrage abgeschafft. Anderthalb Jahre hindurch wurden Regeln eingeführt und wieder abgeschafft, kaum Informationen verbreitet und die Schüler und Lehrer in ihrer Ratlosigkeit alleine gelassen. Im April müssen wir unsere Arbeit präsentieren, doch auch über den Ablauf dieser Präsentation wissen wir in keiner Weise Bescheid.

Das „Projekt“ Zentralmatura wird landesweit durchgeführt, kostet dem Steuerzahler Millionen und ist trotzdem kaum durchdacht. Bereits der Jahrgang vor uns hätte an der neuen Reifeprüfung teilnehmen sollen, jedoch wurde der Start verschoben, weil das Projekt noch nicht genug ausgereift war. Die Frage, die sich uns stellt, ist jedoch, ob die Zentralmatura jetzt ausgearbeitet genug ist. Bei einem Seminar zu diesem Thema im Oktober des vorigen Jahres verlangten die Professoren Auskunft über die mündliche Matura, es gab zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht einmal den Ansatz eines Planes. Ein sogenanntes „Expertenteam“ kümmert sich seitdem mehr oder weniger schnell um diesen Sachverhalt, hoffentlich in dem Wissen, dass die Matura in drei Monaten über die Bühne gehen soll.


Ein weiterer, haarsträubender Aspekt betrifft die schriftliche Mathematik-Matura. Im Dezember wurde eine Probematura vom BIFIE veröffentlicht und in einigen Schulen als Schularbeit ausgetestet. Die Resultate waren besorgniserregend schlecht, auch eine achte Klasse des STG Melk hat überwiegend negativ abgeschnitten. Das neue Format der Mathematik-Matura ist für uns Schüler undurchschaubar und sinnlos, da es anscheinend nur mehr auf genaues Lesen der Angabe und oberflächliches Verständnis ankommt. Echte Rechenkenntnisse werden kaum mehr abgeprüft. Auch das Beurteilungssystem in Mathe bringt Schwierigkeiten mit sich, da ein Sehr Gut praktisch nicht mehr erreicht werden kann. Vielleicht deswegen haben die Mathematiklehrer den Auftrag bekommen, nicht immer nach dem Punkteschema zu arbeiten, sondern in manchen Fällen auch nach dem eigenen Ermessen zu beurteilen. Die Vergleichbarkeit der Matura an allen Schulen Österreichs ist somit wieder nicht garantiert.
Um die Pannenserie im Zusammenhang mit der neuen Reifeprüfung noch zu komplettieren, muss auch noch die Version der Zentralmatura erwähnt werden, die im vorigen Jahr an manchen Schulen bereits durchgeführt wurde. Hier ist nach der Abgabe der Englisch-Matura der Prozentsatz, der für eine positive Beurteilung notwendig ist, um 6% erhöht worden und bei der Deutsch-Matura wurde die Interpretation eines Textes von einem nationalsozialistisch eingestellten Autor verlangt. Man könnte beinahe lachen über diese Farce, wenn sie nicht unser gesamtes weiteres Leben bestimmen würde.

Unter all diesen Gesichtspunkten ist es wohl offensichtlich, dass unsere Angst vor der Zentralmatura täglich steigt. Was wird im Mai und Juni passieren? Wird die Matura überhaupt stattfinden können oder stürzt am Tag der Reifeprüfung der Server erneut ab? Unser Vertrauen schwindet mit jedem einzelnen Fehler, nicht nur in die Zentralmatura, sondern auch in das Bildungsministerium selbst, eine öffentliche Institution, welche uns Schüler frustriert und resigniert zurücklässt. Bei der Reifeprüfung wird von uns verlangt, kompetenzorientiert zu arbeiten – Wo jedoch bleibt die Kompetenz des Bifie und des Ministeriums?" Ende des Protestschreis.

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