"Lachstorm" gegen Lachverbot

Lachen verboten? Wenn es nach dem Willen von Vize-Premier Bülent Arinc geht, dürfen Frauen auf der Straße nicht mehr laut und lustig sein
Ein türkischer Politiker sorgt unfreiwillig für Protest-Stimmung.
Von Uwe Mauch

Wenn es als PR-Gag gedacht war, dann war es genial. Denn seit gestern ist Bülent Arinc weltweit bekannt, nicht nur in gut informierten Kreisen. Tausende Bilder von lachenden türkischen Frauen kursieren bereits in den sozialen Netzwerken (siehe unten).

Alle Bilder haben mit der nicht ganz so lustigen Idee des stellvertretenden türkischen Ministerpräsidenten zu tun. Der hatte allen Ernstes erklärt, dass lautes Frauenlachen in der Öffentlichkeit seinem Weltbild zufolge der "weiblichen Sittsamkeit" widerspreche. Arinc bemühte sich zwar noch schnell hinzuzufügen, dass ihm kein Lachverbot für Frauen vorschwebe, sondern nur eine Lachbeschränkung.

Doch da lachten seine Landsfrauen bereits via Twitter und Facebook. Was den Kabarettisten Pepi Hopf zu dem Kommentar bewegte: "So einem kannst du eigentlich nur mit einer Verarschung begegnen." Hopf erinnern die Bilder an seine Kindheit und seine Mutter. Die rechtschaffene Frau hat ihm ein einziges Mal in seinem Leben auf den Hintern gehauen. "Und dabei musste ich laut auflachen, was ihr die Sinnlosigkeit ihrer Aktion vor Augen geführt hat."

Lachen als Waffe

Lachen sei eine absolut wirkungsvolle Waffe der Zivilrebellen, fügt Hopf hinzu. Eine Ansicht, die auch der Wiener Sozialhistoriker und Kulturanthropologe Hubert-Christian Ehalt bestätigen kann: "Lautes Lachen kann auch als Zeichen der Nicht-Zustimmung, als eine Widerstandshandlung interpretiert werden. Wenn der Diktator eine Rede hält und ein paar Leute lachen, kann er gleich seinen Hut nehmen."

Öffentliche Lachverbote für Frauen sind im Übrigen keine Erfindung der aktuellen türkischen Regierungsspitze, man findet sie unter anderem in der Geschichte der katholischen Kirche. Lach-Haft: Frauen, die sich nicht an die Doktrin der Kirche halten wollten, kamen in Haft oder gleich auf den Scheiterhaufen.

Ein Menschenrecht

Für Ellen Müller, die eigene Lachyoga-Seminare hält, wäre ein partielles Lachverbot für Frauen "ein Eingriff in ihre Privatsphäre". Lachen sei ein elementarer Bestandteil des Lebens, öffentlich aufzulachen könne auch Hierarchien außer Kraft setzen. "Für mich ist lachen daher ein Menschenrecht."

Gemeinsam zu lachen sei nicht nur verbindend, sondern zudem gesundheitsfördernd: "Dabei werden Glücksbotenstoffe angeregt, gleichzeitig Stresshormone, Hemmungen, Spannungen und Ängste abgebaut. Wer viel lacht, dessen Lebensqualität erhöht sich eindeutig."

Eine Welt, in der Frauen nicht mehr öffentlich auflachen dürfen, ist für Kabarettisten auch aus anderen Gründen unvorstellbar, wäre sogar existenzbedrohend. Mit einem Mal hätten sie fünfzig Prozent weniger Publikum, respektive Einnahmen.

Der Kabarettist und Biobauer Pepi Hopf ist dem Spaßbremser Bülent Arinc dennoch dankbar für seine Initiative. Er spielt seit gestern sogar mit dem Gedanken, den Vizepremier in sein nächstes Programm einzubauen. Durchaus ernst fragt er: "Wie viel Angst muss der Mann vor den Frauen haben? Und was kommt dann als nächstes, vielleicht die Abschaffung des Wahlrechts für Frauen?"

Hubert-Christian Ehalt will die Lachbeschränkung globaler diskutiert sehen: "Wir leben heute in einer Disziplinierungsgesellschaft. Der Druck steigt, Dinge rasch fertigzubringen. Da ist keine Zeit, dass wir noch lachen."

Wenn es nicht so ernst wäre, könnten wir darüber lachen! Haben sich in den vergangenen Stunden Hunderte Frauen in der Türkei gedacht. Um sich dann ins Freie zu begeben und sich beim Lachen zu fotografieren. Ihre Bilder sind via Facebook und Twitter um die Welt gegangen. Der lachende Herr in der Mitte wurde übrigens schon zuvor beim öffentlichen Lachen fotografiert. Was bleibt einem Politiker wie Bülent Arinc auch anderes übrig? Er muss aus Staatsräson öfters öffentlich lachen. Was zu der nicht unberechtigten Frage führt, ob Politikerinnen seiner Idee folgend ernst bleiben müssen.

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