ToyCams im Test: Instagram-Effekte ohne Handy
Lomografie ist in Europa schon lange kein Fremdwort mehr und bezeichnet analoge Fotografie, die bewusst nicht das technisch perfekte Bild sucht. Der Reiz ist, die Makel der oft billig verarbeiteten Kameras als bewusstes Stilmittel einzusetzen. Dieser Trend zum möglichst wenig perfekten Foto wird nun auch digitalisiert. Die Kameras sind dabei möglichst klein, zumeist aus Plastik und sehen kurios aus, um auch dem Hipster-Faktor zu entsprechen.
In Wien hat sich ein neues Geschäft in der Westbahnstraße dem Trend verschrieben und bietet die japanischen Toycams zum Verkauf an. Das West of Vienna zählt zu einem der ersten Geschäfte in Europa, die sich vorwiegend den Spaßkameras widmen. Inhaber Christian Zagler erklärt: "Es geht nicht um das perfekte Foto, es geht um den Spaß am Fotografieren".
Trendsetter
Instagram
Der Trend zum Retro-Foto setzte bereits mit der Smartphone-App
Instagram ein, wo man geschossene Fotos mit entsprechenden Filtern versehen kann. Jene haben sich sehr schnell großer Beliebtheit erfreut, die App hat mittlerweile mehr als 50 Millionen User. Die Gründe, warum manche dennoch lieber zur Plastikkamera, anstatt zum Smartphone greifen sollte, sind vielfältig: "Es ist einfach ein anderes Gefühl, zu fotografieren. Die Kamera ist außerdem schneller einsatzbereit und Schnappschüsse passieren so viel spontaner und werden dadurch natürlicher. Außerdem liefern die ToyCams laut Zagler teilweise deutlich bessere Bilder, als aktuelle Handykameras."
Natürlich spielt auch der Individualisierungsfaktor eine große Rolle: "Mit dem Handy kann jeder fotografieren, die kleinen Kameras sind jedoch etwas Besonderes", so Zagler. Durch die Plastikkameras erlange man außerdem einen ganz anderen Zugang zu den Fotos. Die Zielgruppe dafür ist vielfältig. Angefangen von Kindern, die die Kameras für erste Fotografie-Erfahrungen nutzen, bishin zu Profifotografen, die neue Wege beschreiten wollen.
Digital Harinezumi 3.0
Die Harinezumi kann in Japan mittlerweile schon als Kult bezeichnet werden. Ganze Ausstellungen und Kinofilme wurden der Serie mittlerweile gewidmet. Als prominente Fotografen gelten unter anderem REM-Frontmann Michael Stipe, Sonic-Youth-Bassistin Kim Gordon oder der Regisseur Patrice Leconte.
Die Form der Harinezumi ist an Kodaks Pocketfilm (auch 110 genannt) angelehnt. Die Kamera ist mal 67 × 115 × 47mm groß und wiegt 104 Gramm. Die Haptik lässt sich mit dem Wort "Plastik" am besten beschreiben. Die Knöpfe klappern und der aufklappbare "Sportsucher" macht auch einen eher zerbrechlichen Eindruck.
Die Brennweite des Objektivs beträgt 8mm, was einem Kleinbildäquivalent von 38mm entspricht. An der Rückseite befindet sich ein Display mit einer Diagonale von 1,5 Zoll (3,81 Zentimeter). Neben dem Auslöseknopf befindet sich an der Oberseite der Kamera noch der Power-Knopf. An der Rückseite ist der Menü-, OK- und ein Auswahlknopf. Über die Menü-Taste kann man zwischen den verschiednene Bildeffekten wählen. An der Unterseite liegt noch ein Auswahlschalter, mit dem man zwischen normalem und Makro-Modus umschalten kann. Zusätzlich befindet sich an der Unterseite noch ein Stativgewinde, sowie das Batteriefach, wo auch die microSD-Karte eingesetzt wird. Mit Strom wird die Harinezumi über eine CR2-Batterie versorgt.
Fotos macht die Harinezumi mit einer Auflösung von drei Megapixel (2048 x 1536 Pixel). Videos werden mit 640 x 480 Pixel, wahlweise mit 30, acht oder einem Frame per Second (FPS) gemacht. Die Lichtempfindlichkeit beträgt entweder 100 oder 800 ISO. Für Fotos und Videos bietet die Harinezumi eine Reihe von Filtern. Abgesehen vom normalen Modus sind insgesamt zehn Effekte vorhanden. Damit kann man den Fotos Farbstiche geben, übersättigen, oder kontrastreiche Schwarz-Weiß-Aufnahmen machen.
Bei den Bildern fällt auf, dass die Harinezumi sehr dazu neigt, Verzerrungen zu erzeugen. Durch die Bauweise muss man beim Fotografieren darüber hinaus darauf achten, nicht aus Versehen den Finger vor der Linse zu haben.
Ohne Batterie kostet die "Harinezumi 3" 159 Euro, mit zwei CR2-Akkus und Aufladegerät kommt sie auf 179 Euro.
Necono
Die Kamera in Katzenform ist optisch die kurioseste Kamera im Vergleich. Das Design stammt von der schwedischen Designerin Lisa Larson, die ansonsten für ihre Keramikarbeiten bekannt ist. Die Foto-Katze wiegt 40 Gramm und macht Fotos über eine kleine Linse, die im linken Auge sitzt. Die Aufösung der Fotos beträgt drei Megapixel ( 2048 × 1536 Pixel), Videos werden in 640 x 480 gemacht.
Die Necono bleibt bei der Funktionalität sehr bodenständig. Neben dem Power- und Auslöseknopf sind an der Oberseite (auf Höhe des Schwanzes) noch zwei Auswahltasten vorhanden. Mit jenem kann zwischen den vier verschiedenen Modi umgeschaltet werden. Foto, Foto mit Selbstauslöser, Video und Video & Foto. Bei letzterem wird ein Video gedreht, während etwa alle drei Sekunden ein Foto in voller Auflösung geschossen wird.
Gespeichert wird das ganze auf einer microSD-Karte, die unter einer Plastikabdeckung an der Unterseite sitzt. Dort befindet sich auch die microUSB-Schnittstelle, über die die Katze geladen wird. Der Akku ist dabei fest verbaut. Eine Besonderheit hebt die Necono noch von den anderen Modellen ab: Die Füße der Katze sind magnetisch, was in Verbindung mit dem Selbstauslöser zahlreiche interessante Möglichkeiten eröffnet.
Bei der Necono hat man keine Möglichkeit, zwischen verschiedenen Effekten zu wählen. Die Fotos werden alle übersättigt und stark vignettiert. Was im Test etwas negativ auffällt, ist die starke Auslöseverzögerung, die die Freude an den schnellen Schnappschüssen etwas trüben kann. Die Necono kostet 149 Euro.
Joco VX5
Die ToyCam von Joco versucht sich mit einem eher konventionellen Design. Beim Material wird aber abermals auf Plastik gesetzt. In Sachen Ausstattung hat die Joco den anderen Modellen im Vergleich einiges voraus. So fotografiert der Sensor mit zwölf Megapixel (Videos in 640 x 480) , außerdem ist es die einzige Kamera im Vergleich mit integriertem Blitz.
Mit Strom wird die Kamera über drei handelsübliche AAA-Batterien versorgt, Speichermedium sind SD-Karten. Der LCD-Monitor an der Rückseite hat eine Displaydiagonale von 2,5 Zoll.
Die Bedienung gleicht in etwa jener, von konventionellen Digitalkameras. Etwas ungewöhnlich ist nur der Weg, wie man den Makro-Modus aktiviert. Dazu muss man einfach das Objektiv nach rechts drehen. Die Kamera bietet unter anderem die typischen Retro-Effekte, wie übersättigte Farben und starke Vignettierung. Insgesamt sind sieben Farbeffekte vorhanden.
Die Joco wird oft auch als "Digital Holga", oder "Digital Lomo" verkauft und wird dieser Bezeichnung auch durchwegs gerecht. Die Bilder und die Haptik erinnern sehr stark an die analogen Spaßkameras. Die Joco kostet 179 Euro.
Bee
Schon durch die Form der Bee wird klar, dass es bei dieser ToyCam vorwiegend um das Filmen geht. Das Plastik-Gehäuse in Form einer Super-8-Kamera kommt mit Handschlaufe und bleibt in der Verarbeitung ebenfalls dem Plastik treu. Die AVI-Videos werden in 640x480 gemacht, Fotos können mit 1,2 Megapixel geschossen werden. Darüber hinaus ist ein optischer Sucher vorhanden.
Der Akku ist fix verbaut, geladen wird über eine Mini-USB-Schnittstelle. Abgespeichert werden die Videos auf einer microSD-Karte, die direkt neben dem USB-Anschluss eingesetzt wird.
Auch bei der Bee sind die Aufnahmen von übersättigten Farben und starker Vignettierung gekennzeichnet. Wie schon die Harinezumi neigt die Bee oft dazu, die Aufnahmen zu verzerren. Was im Test positiv überraschte, war die Tonqualität der aufgezeichneten Videos. Sprache und Geräusche werden klar aufgenommen. Aufpassen heißt es bei der Foto-Funktion: Die Bilder werden erst einen Augenblick nach dem Piepton der Kamera gespeichert. Man sollte die Kamera also nicht zu früh von dem Motiv abwenden.
Mit Handschlaufe kostet die Bee 59 Euro.
Ein Tipp für zukünftige Plastik-Filmer: Die Videos lassen sich mit der aktuellsten Version des VLC-Players unter Windows nicht korrekt abspielen, da der Ton fehlerhaft wiedergegeben wird. Grund ist der integrierte Treiber.
Problemlos funktioniert die Wiedergabe der Bee-Videos etwa mit dem Windows Media Player.
Fazit
Eines haben alle ToyCams gemeinsam: Es macht Spaß damit zu fotografieren. Die ungewöhnlichen Formen und der Umstand, dass man nie so genau weiß, was beim Auslösen herauskommt, bieten einfach eine Faszination, die sich rational nicht einfach erklären lässt.
Zu welcher Kamera man greifen soll, lässt sich allgemein nur schwer sagen. Wer bereit ist, ein wenig mehr Geld auszugeben, sowohl Fotos, als auch Videos macht und dabei auch Wert auf eine kuriose Optik legt, sollte zur Harinezumi greifen. Sie bietet außerdem den größten Funktionsumfang in Sachen Effekte und Funktionen, auch die Ergebnisse stimmen. Unter den getesteten Modellen war es auch die Harinezumi, mit der das Fotografieren aus den genannten Gründen den meisten Spaß machte.. Mit 179 Euro (samt zwei Akkus) gehört sie zu den teuersten Toycams.
Eine noch deutlich außergewöhnliche Optik, jedoch mit weniger Funktionen, bekommt man mit der Necono. Zwar können sich die Bilder durchaus sehen lassen, aber mangels verschiedener Effekte stößt man hier sehr schnell an die kreativen Grenzen.
Auch die Bee in Form der 8mm-Kamera hat nur einen fix eingestellten Filter. Dieser Umstand lässt sich jedoch angesichts des vergleichsweise Preises von 59 Euro verkraften. Für das ein oder andere Video oder den gelegentlichen Schnappschuss bietet die Bee einen günstigen Einstieg in die Welt der ToyCams.
Mit der Joco wiederum bekommt man einen leichten Begleiter, der sich wie eine gewöhnliche Kamera bedienen lässt. Bei der 179-Euro-teuren Kamera steht die Bildqualität im Vordergrund, was man auch durch die hohe Auflösung bemerkt. Dabei hat die Joco im Vergleich auch die Nase vorne, dafür muss um man in Sachen Originalität Abstriche machen.
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