Super-Mamas düsen mit Vollgas durch die (Teil)Zeit

Super-Mamas düsen mit Vollgas durch die (Teil)Zeit
Wer hat je von einer Superheldin gehört, die halbtags im Einsatz ist?“, fragt die deutsche Autorin Nina Puri in ihrem Buch und hält berufstätigen Müttern einen Spiegel vor. Es ist wie ein Kabarett für Mütter: zum Lachen und zum Nachdenken.

KURIER: Sie schreiben, Mütter haben keinen Karriereknick, sondern „können ihre Karriere komplett knicken“. Bei den Schwierigkeiten, die Sie beschreiben, stellt sich die Frage: Wer behindert die Frauen mehr? Sie sich selbst, die Arbeitgeber, die Kollegen, die Gesellschaft?
Nina Puri: Es ist eine Mischung aus allem. Wir haben das Gefühl, dass wir gar keine Zeit haben, um Karriere zu machen. Wir glauben, dass wir uns von früh bis spät um unsere Kinder kümmern müssen. Wir bringen unsere Männer dazu, Elternzeit zu nehmen und dann stehen wir aber mit Türsteherblick hinter ihnen beim Wickeltisch. Es dauert gefühlte fünf Minuten, bis die Mutter sagt: Lass mich mal machen. Ich sehe das auch bei mir selbst: Wir treffen Kollegen zum Mittagessen, um am Ball zu bleiben und dann reden wir mit ihnen über Einschlafrituale. Frauen suchen nach der super-top-perfekten Tagesmutter und heulen, wenn das Kind sie mag. Frauen geben Gas und bremsen gleichzeitig.

Frauen wollen professionell sein, weil sie es im Beruf so gewohnt waren. Wie viel hat das mit dem neuen Frauenbild zu tun?
Frauen können nichts abgeben von dem, was immer ihre Domäne war: Für Heim und Herd verantwortlich zu sein. Es wird von außen als alleinige Aufgabe der Mutter gesehen, wie sich das Kind entwickelt.

Matthias Horx hat mir gesagt: „Die 24-h-Eltern sind eine deutsch-österreichische Erfindung. Die gibt es in anderen Ländern nicht.“
Ja, und die gab es auch nie! Man hat heute ein Idealbild, dass früher die Mutter in der Küche stand, daneben die Wiege und die spielenden Kinder. Zu keiner Zeit in keinem Land war die Mutter alleine mit ihrem Kind zu Hause. Da gab es immer noch Großmütter und Tanten und die Kinder waren nicht ständig mit ihrer Mutter.

Wo ist es besser?
So wie man sich das wünschen würde, ist es in wenigen Ländern. Am ehesten noch in Skandinavien. Da können Mitarbeiter auch mal um 17 Uhr nach Hause gehen. Es ist viel selbstverständlicher, dass, wenn ein Kind krank ist oder Ferien sind, die Eltern auch mal von zu Hause arbeiten. Und ganz wichtig: nicht nur die Mutter, sondern auch der Vater. Da werden die Buben und Mädchen von der Schule ganz anders erzogen. Sie sind etwa gleich gut in Mathe. In Frankreich werden die Zu-Hause-bleib-Mütter schief angeschaut, das ist auch nicht ideal. Da fürchtet man sich vor der Glucken-Mutter. Mir hat eine Frau mal gesagt: „Ich liebe meine Kinder, ich darf sie nur nicht zu oft sehen.“

Eine Freundin in Paris darf „schon“ um sechs Uhr abends zu den Kindern gehen, arbeitet aber zu Hause weiter ...
Mütter geraten oft in die Situation, dass sie sich zum Computer setzen, wenn die Kinder schlafen. Mit meiner Lektorin habe ich generell um zehn oder elf Uhr abends gemailt. Dabei ist es schon hilfreich, wenn man einen halben Tag von zu Hause arbeiten kann. Aber bei uns haben viele Firmen Angst vor Kontrollverlust.

Sie kritisieren in Ihrem Buch auch die Teilzeit-Falle.
Interessanterweise sind Mütter, die 70 Stunden arbeiten, mit denselben Themen konfrontiert, wie Mütter, die zu Hause bleiben: Mit der Angst zu versagen. Teilzeit klingt wie Weihnachten und Ostern gleichzeitig: halb Kind und halb Job. Das sind Mütter, die keine Mittagspause machen, weil sie in der kürzeren Zeit so viel arbeiten wie in einem Ganztagsjob.

Die Mütter stehen auch untereinander in Konkurrenz, schreiben Sie.
Es wird unter Frauen heiß diskutiert, ob eine Mutter Teilzeit oder Vollzeit arbeitet. Da schauen Frauen ganz genau auf die anderen Ich erlebe immer wieder, dass die Emotionen hochgehen. Dass sie das Gefühl haben, ihr ganzes Lebensmodell und ihre Person wird infrage gestellt, wenn man etwas an Ihnen kritisiert. Und wenn nicht alles glatt läuft, liegt man nachts wach und überlegt, was man falsch gemacht hat. Das würde einem Vater kaum passieren.

Wie erleben Sie Ihren Arbeitsalltag im Vergleich zu der Zeit davor?
Mein Tag ist sehr viel gestraffter. Ich werde total nervös in Meetings, in denen nichts weitergeht, weil ich mir immer denke: Was könnte ich in dieser Zeit weiterbringen.

Sie schreiben: Auch das Kind einer berufstätigen Mutter muss aufgeweckt, gekämmt, gewaschen und mit zwei halbwegs zusammenpassenden Socken in Kindergarten oder Schule erscheinen. Wie ist das bei Ihnen?
Bei mir sind alle aus dem Haus. Eine Kollegin ohne Kinder kann sich nicht vorstellen, dass ich vor dem Büro ein Drei-Stunden-Programm hinter mir habe. Und die Mütter, die nicht arbeiten, glauben, ich sitze gemütlich beim Computer.

Kennen Sie auch Mütter, die zufrieden sind mit ihrem Leben unter Doppelbelastung?
Ich glaube, das sind jeweils Phasen. Es gibt bei mir Zeiten, da finde ich, dass ich alles sooo toll unter einen Hut bringe. Aber dann kommt ein kleines Problem und das ganze Kartenhaus bricht wieder zusammen.

Viele Zu-Hause-bleib-Mütter stellen sich vor, wie schön das Leben wäre, wenn sie berufstätig wären. Da ist was dran. Im Arbeitsleben gibt es sogar Momente, an denen man sich regelrecht fühlt wie auf Mütter-Kur.

Alleine schon auf dem Weg zur Arbeit können Sie James Blake oder Arcade Fire hören statt Anne Kaffeekanne und das Flummi-Lied. Die Kollegen essen Ihre Heftklammern nicht auf, schmieren keinen Apfel-Brei in die Tastatur und verkleben Ihre Schubladen nicht mit Glitzersternchen.

Nach Monaten, in denen "Da, da, da!" die einzige Form der Unterhaltung war, werden Sie staunen, wie schön Sätze wie "Wir müssen die Strategie noch mal überarbeiten " klingen.

Dem kinderlosen Kollegen auf der anderen Seite des Schreibtischs müssen Sie nicht 78-mal in gleichbleibend fester Stimmlage "Gibst du mir bitte den Kugelschreiber, Horst?" repetieren, bevor er reagiert.

Es besteht eine Chance, dass jemand die Dinge, die Sie tun, wahrnimmt und Sie gelegentlich lobt. Ja, vereinzelt könnte es Ihnen sogar passieren, dass Sie das Wort "Danke" zu hören bekommen – und zwar, ohne dass Sie mit strenger Stirn "Und wie heißt das Zauberwort?" mahnen mussten.

Dass das nur die halbe Wahrheit ist, merken Sie , wenn Sie berufstätige Mutter sind.

"Karriere im Eimerchen" (Droemer Knaur, 240 Seiten 10,30 €)

Schließlich haben sie Erfahrung im Unternehmen und müssen nicht wie neue Mitarbeiter extra eingeschult werden. Interessant ist der Umkehrschluss: Fast vier von zehn Befragten denken anscheinend nicht, dass es sich auszahlt, Frauen aus der Karenz zurückzunehmen. Durchgeführt wurde die große Umfrage unter den Kontakten von Regus, einem Anbieter von flexiblen Arbeitsplätzen. Also einem Unternehmen, dessen Kunden sicher ohnehin eine überdimensional hohe Flexibilität aufweisen.

Die wichtigsten Faktoren für die Vereinbarkeit sind bekannt:

flexible Arbeitszeiten (96 Prozent)

der Möglichkeit, näher am Wohnort zu arbeiten (94 Prozent)

Krippenplätze in Büronähe (92 Prozent)

Verzicht auf manche Geschäftsreisen durch Nutzung von Videokonferenzen (71 Prozent)

Jobsharing (69 Prozent)

„Studien belegen, dass die Benachteiligung von Frauen im Job einige Länder bis zu 27 Prozent ihres Pro-Kopf-Einkommens kostet“, sagt Celia Donne, Global Operations Director bei Regus. „Firmen mit mehr Frauen im Vorstand wirtschaften hingegen vielfach profitabler. Firmen werden dann auch mit produktiven und loyalen Mitarbeitern belohnt.“

Nur mehr neun Prozent der Mütter mit Kindern der Jahrgänge 1996-2008 sind Hausfrauen. Bei den Müttern der Kriegs- und 68er Generation betrug der Hausfrauen-Anteil dagegen noch 53 Prozent.

Die Mehrzahl der Mütter der jungen Generation sind als nicht leitende Angestellte tätig (39 Prozent), gefolgt von leitenden Angestellten (18 Prozent) und nicht-leitenden Beamtinnen (zwölf Prozent). Die Hausfrauen landen noch vor den Freiberuflerinnen (fünf Prozent) auf Platz vier. Erst dahinter kommen Facharbeiterinnen und ungelernte Arbeiterinnen mit jeweils drei Prozent.
Ansonsten zeigt die Studie, für die 4.000 Personen ab 15 Jahren befragt wurden, einmal mehr die generelle Bildungsexpansion der vergangenen Jahrzehnte sowie das Aufholen der Frauen bei den Abschlüssen. Insgesamt hatten acht Prozent der Väter und fünf Prozent der Mütter der Befragten einen akademischen Abschluss - bei der jüngsten Gruppe waren es bereits jeweils fast rund ein Fünftel. Bei den mittleren Abschlüssen und AHS-Maturanten haben die Frauen die Männer schon überholt.

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