Kaum Zeit für Politische Bildung

Durchblick bis an die Knochen: Parteien, Politiker, Lobbyisten – ab Juli gelten strenge und umfassende neue Regeln für Sauberkeit. Sie gelten für Bund und Bundesländer.
Es fehlt nicht nur an Zeit, sondern auch an Unterrichtsmaterial. Wie Schülervertreter auf die Studie reagieren.

Ob Schüler und Schülerinnen in den Volksschulen und in der Mittelstufe Politische Bildung bekommen oder nicht, ist derzeit oft ein Glücksspiel. Mehr als die Hälfte der Lehrerkräfte sagt, sie hätte wegen des umfangreichen sonstigen Lehrplans keine Zeit für Politische Bildung. Zu diesem Ergebnis kommt die erste Untersuchung zur Politischen Bildung in den Schulen für Sechs- bis Vierzehnjährige, für die das Institut Sora ingesamt 476 Lehrer in Wien befragt hat. Freilich gibt selbst in der Volksschule jeder dritte Lehrer an, Politische Bildung häufig zu unterrichten, und weitere zwei Fünftel tun das manchmal. „Darauf können wir aufbauen“, sagt Melitta Aschauer, Bereichsleiterin Bildung in der AK Wien, heute Donnerstag bei der Präsentation der Studie in der Pädagogischen Hochschule Wien. Sie fordert verpflichtende Aus- und Weiterbildung der LehrerInnen in Politischer Bildung.

Neues Zentrum

Ruth Petz, Rektorin der Pädagogischen Hochschule Wien, unterstreicht die Wichtigkeit der nachhaltigen Verankerung der Politischen Bildung in Aus-, Fort- und Weiterbildung. Durch die Gründung des „Zentrums für Politische Bildung“ an der Pädagogischen Hochschule Wien in Kooperation mit der Arbeiterkammer Wien fließt Politische Bildung interdisziplinär in Lehre und Forschung ein.

Die Sora-Befragung lief im Auftrag der Pädagogischen Hochschule Wien in Zusammenarbeit mit der Arbeiterkammer Wien. Erfreulichstes Ergebnis: Über 80 Prozent der Lehrer an den Wiener Volks-, Haupt-, Neuen Mittelschulen und der Unterstufe der Gymnasien messen der Politischen Bildung in der Schule große Bedeutung zu. Rund die Hälfte der Pädagogen hält sich selbst für die Politische Bildung ihrer Schüler verantwortlich (Volksschule: 55 Prozent; Mittelstufe: 49 Prozent). Allerdings hängt die Umsetzung des generellen Unterrichtsprinzips „Politische Bildung“ (in der neuen Mittelschule und der Unterstufe der Gymnasien soll sie auch Teil des Kombinationsfachs „Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung“ sein) stark von den Lehrenden selbst ab.

Eigene Ideen

Mehr als die Hälfte der LehrerInnen sagt, sie hätte wegen des umfangreichen sonstigen Lehrplans keine Zeit für Politische Bildung. Ein Drittel sagt, es fehle die Ausbildung, um Politische Bildung zu vermitteln. Überdies verlässt sich mehr als die Hälfte der Lehrer in der Vorbereitung des Unterrichts in Politischer Bildung hauptsächlich auf eigene Ideen und selbstgestaltetes Material.
Am wichtigsten ist es den Lehrern, die Fähigkeit zu vermitteln, gewaltfrei Konflikte zu lösen und sich selbst eine kritische fundierte Meinung zu bilden. Auch die Erziehung zu Toleranz und Gerechtigkeit hat einen wichtigen Stellenwert. Umgekehrt gelingt es den Lehrern nur mäßig, die Mitgestaltung und Mitbestimmung des Unterrichts durch die Schüler zu fördern und schuldemokratische Prozesse zu begleiten.

Für Interessen eintreten

„In der Politischen Bildung sollen Schülerinnen und Schüler auch lernen können, für ihre eigenen Interessen einzutreten“, fordert AK Bereichsleiterin Melitta Aschauer auch „mehr politische Bildung im engeren Sinn“. Dabei unterstützt sie die Pädagogen, die laut Umfrage bessere Lehrmaterialien und mehr Fort- und Weiterbildung in Politischer Bildung wünschen. Ausgebaut gehöre das Fach Politische Bildung auch in der Lehrerausbildung selbst.
Rasch umgesetzt werden sollen die Pflichtmodule „Politische Bildung“ im Geschichteunterricht für die Schüler in der Mittelstufe, wie das im Regierungsprogramm versprochen wurde. Letztlich müsse Politische Bildung als eigenes Fach eingeführt werden.

Reflektieren

Rektorin Ruth Petz sieht in den Ergebnissen einen Auftrag für die starke Positionierung der Politischen Bildung im Zusammenhang mit der Pädagogenbildung Neu. „Die Resultate dieser Studie zeigen, dass auch die Politische Bildung in den verschiedenen Lehramtsstudien der Pädagogischen Hochschule Wien weiter verstärkt werden muss.“ Ruth Petz weiter: „Die professionsorientierte Reflexion des politischen Verständnisses von angehenden Pädagogen stellt eine Grundlage für die Sicherung eines solidarischen Demokratieverständnisses dar.“

Schüler-Reaktion

Die Schülerunion fordert schon lange ein eigenständiges Pflichtfach Politische Bildung ab der 7. Schulstufe. Im Regierungsprogramm wurde diese Einführung bereits festgehalten - nun müsse die Einführung folgen. Zur Stärkung des Demokratiebewusstseins bei Schülern fordert die Schülerunion außerdem die gesetzliche Verankerung von Schülerparlamenten. „In Österreich ist man mit 16 Jahren wahlberechtigt. Jugendliche haben somit eine große Verantwortung. Damit sie diese optimal wahrnehmen können, müssen wir ihnen ein angemessenes Werkzeug in die Hand geben. Daher fordern wir als Schülerunion die Einführung eines eigenständigen Pflichtfaches Politische Bildung“, so Felix Wagner, Bundesobmann der Schülerunion.
„Die Studie zeigt, dass vielen Lehrern keine Zeit für politische Bildung im Unterricht bleibt. Das unterstreicht unsere Forderung nach einem eigenständigen Pflichtfach Politische Bildung“, so Wagner im Bezug auf die veröffentlichte Studie. „Die Einführung steht bereits im Regierungsprogramm. Nun wird es Zeit, den Stier an den Hörnern zu packen, und endlich an die Umsetzung dieses Versprechens an die Schüler - und damit an die Zukunft - zu gehen“, so Wagner weiters.

Die Schülerunion hat in den vergangenen Jahren durch bundes- und länderweite Kampagnen bereits Erfolge - wie Resolutionen von verschiedenen Landtagen - erzielt. Auch ein detailliertes Konzept wurde von den Schülern ausgearbeitet.

Vertretungen

Im Rahmen der Forderung nach mehr politischer Bildung an Österreichs Schulen fordert die Schülerunion außerdem die gesetzliche Verankerung von Schülerparlamenten. Dort diskutieren Schüler über bildungspolitische Themen. Daraus resultierende Forderungen werden über die Bundes- und Landesschülervertretungen an die Politik herangetragen.
Schülerparlamente geben Schülern die Möglichkeit, Demokratie hautnah erleben zu können. Sie stellen eine optimale Ergänzung zu politischer Bildung im Unterricht dar und stärken das Demokratiebewusstsein der Schüler. Auch die gesetzliche Verankerung von Schülerparlamenten steht bereits im Regierungsprogramm. Nun wird es Zeit, den Worten Taten folgen zu lassen“, so Wagner abschließend.

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