Sexualität: Mehr als nur ein Gespräch
Ein altes Sprichwort besagt "Der frühe Vogel fängt den Wurm." Was das mit der Sexualerziehung der Kinder zu tun hat, kann KURIER Familycoach Martina Leibovici-Mühlberger erklären: "Wenn Sex zum Thema wird, ist es meist schon zu spät. Aufklärung beginnt nicht erst mit dem Teeniealter." In langsamen Schritten sollte damit bereits im Kindergarten begonnen werden. Ein neuer Ratgeber zu Liebe und Sexualität beantwortet Eltern viele Fragen und hilft ihnen, in Sachen Sexualerziehung auf ihr Kind zugehen zu lernen. Das Buch wurde von drei Psychologen der Beratungsstelle "Rat auf Draht" geschrieben. Eine davon ist Lerntherapeutin und Gesundheitspsychologin Elke Prochazka, die seit 1993 Jugendliche bei "Rat auf Draht" berät. Sie versucht, Eltern den Druck zu nehmen: "Den richtigen Moment für ein Aufklärungsgespräch gibt es nicht. Jedoch kann eine Schwangerschaft in der Familie oder eine Filmszene ein willkommener Anlass für ein Gespräch sein, selbst wenn das Kind noch klein ist." Sexualerziehung und Aufklärung ist nicht nur ein Gespräch, sondern ein Prozess, der sich auch für Eltern step by step entwickeln muss.
Pubertät
In der Regel sprechen Jugendliche mit ihren Freunden über brisante Themen wie Liebe und Sex. Die Freunde haben allerdings nicht die Erfahrung, die Eltern vermitteln können. Wenn Kinder ihren Eltern spontane Fragen stellen, sollten diese wahrheitsgemäß und in aller Kürze beantwortet werden. In dieser Phase sehen sich auch Eltern mit vielen Veränderungen konfrontiert, wie Prochazka erklärt: "Oft leiden Eltern darunter, dass sie nicht Ansprechpartner Nummer eins sind." An Bedeutung verlieren sie für ihr Kind deshalb aber noch lange nicht. Einen gemeinsamen Nenner zu finden, ist halt schwierig. Eltern denen ein anstehendes Aufklärungsgespräch peinlich ist, sollten ihre eigene Unsicherheit nicht mit purer Coolness überspielen. Natürlichkeit und Ehrlichkeit zählen hier viel mehr, denn die beste Gesprächsbasis findet sich, wenn man dem Kind auf Augenhöhe und ohne erhobenen Zeigefinger begegnet. So schafft man es am ehesten die eigenen peinlichen Gefühle und die seines Kindes zu reduzieren. Prochazka will Eltern Mut machen: "Wenn das Kind den Eindruck gewinnt, von seinen Eltern ernst genommen zu werden, wendet es sich bestimmt immer wieder an Vater und Mutter, wodurch auch der Peinlichkeitsfaktor sinkt.
Gefühle vermitteln
Neben dem technischen Wissen und der Beantwortung gezielter Fragen sollten Eltern ihrem Kind die dazugehörige Gefühlswelt vermitteln. Viele Jugendliche, die zum ersten Mal verliebt sind, glauben, es muss zum Sex kommen, sobald es einer der beiden Partner will. Enttäuschungen kann vorgebeugt werden, indem Eltern klarstellen, dass Sexualität nicht einfach nur zu einer Beziehung dazugehört, weil man es eben so macht, sondern dass es darum geht, einander nahe zu sein. Prochazka rät Jugendlichen, sich nicht drängen zu lassen und vor allem in sich hineinzuhören: "Der Körper sagt uns, wann er wirklich bereit für Sex ist."
In den Medien werden Kinder sehr häufig mit sexuellen Inhalten konfrontiert, die ihnen ein falsches Bild von der Realität vermitteln. Familycoach Martina Leibovici liegt es besonders am Herzen, dass Eltern dieses falsche Bild für ihre Kinder geraderücken: "Oft wird sowohl ein eigentümliches Frauenbild, als auch vermehrt pornografisches bis beinahe sadistisches Material gezeigt." Diese Eindrücke prägen sich dann beim Jugendlichen ein und verstören mitunter auch." Aufgabe der Eltern ist es, dem Kind zu erklären, dass zu Sex auch Vertrauen und Respekt gehören und daher brutale Szenen aus dem Internet keineswegs der Norm entsprechen.
Zusammenfassend können folgende Tipps weiterhelfen: Schulmeisterei sowie übertriebene Moralisierung des Themas kommen nicht gut an. Einen besseren Draht zu seinem Kind stellt man her, indem man offene Umgangsformen pflegt und sich darum bemüht, bei anstehenden Fragen Klarheit zu schaffen, ehrlich zu sein und versucht das Zusammenspiel von Bindung und Beziehung zu erklären.
Infos
Infos und Kontakt unter: http://rataufdraht.orf.at, 147
KURIER-Familycoach-Telefonsprechstunde: Montag, 13 bis 15 Uhr, 01/526 57 60
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