Sexpuppen: "Es geht darum, der Frau keinerlei Macht zu geben"

Sexpuppen: "Es geht darum, der Frau keinerlei Macht zu geben"
Immer mehr Männer wählen zur Befriedigung eine sogenannte "Real Doll". Das verändere die Sexualität, sagt Expertin Wogrolly.

Bereits heute werden fast lebensechte Sexpuppen produziert - auch in Österreich. Die Grazer Psychotherapeutin Monika  spricht im KURIER-Interview über das eher schlechte Image der Silikon-Geschöpfe, die Motive der Käufer und mögliche Gefahren, etwa durch kindliche Puppenkörper.

KURIER: Sex mit Puppen hat nicht das beste Image. Viele Käufer, meistens Männer, scheinen aber zufrieden zu sein. "Es gibt Hinweise darauf, dass Sexpuppen ihren Besitzern Erleichterung, Sicherheit und Glück verschaffen", heißt es in einer Studie der polytechnischen Universität Kalifornien. Können Puppen glücklich machen? 

Monika Wogrolly: Ja, es kann auch glücklich machen zu lieben, ohne geliebt zu werden. Der Mensch hat einen Fürsorgetrieb, einen Sozialtrieb oder Sorgetrieb. Dabei geht es nicht allein um das sexuelle Begehren, sondern in einer pervertierten Form um eine eindimensionale Beziehung und Bindung zu einem idealisierten Objekt. Man nennt das Objektophilie. Man kann einen Laptop oder sogar eine Straßenbahn lieben, die einen nicht zurück lieben.

Bei einer täuschend nach Mensch aussehenden Puppe hat man im Prinzip das Gefühl, jemand wartet auf einen. Das ist vergleichbar mit der Liebe zu einem Teddybären, den man als Kind wie ein echtes Tier kuschelt, füttert und liebt. Eigentlich ist er aber nur ein zusammengenähter, gefüllter Stoff.

In Online-Foren diskutieren Sexpuppen-Besitzer, wem und wie man davon erzählen sollte. Es sind auch Ehemänner und Familienväter darunter. In die Öffentlichkeit geht hierzulande kaum jemand. Warum?

Ich würde derzeit dezidiert von einem Outing abraten. Auch wenn man es nur zur eigenen Zufriedenheit macht – als eine spielerisch erweiterte Art der Selbstbefriedigung –, wird es mit großer Wahrscheinlichkeit anders ausgelegt und nicht gerade positiv bewertet. 

Warum?

Eine Puppe ist tote Materie, man hat vielleicht sogar die Assoziation mit Nekrophilie (Sexualpräferenz für Leichen, Anm.) und mit totaler Kontrolle. Manche denken dabei an Sadismus und Perversion. Es genießt jedenfalls keinen guten Ruf, Sex mit Puppen zu haben. Es gilt allerdings für mich die Faustregel: Wenn kein selbst- oder fremdschädigendes Verhalten vorliegt, ist alles im grünen Bereich und erlaubt.

Sexpuppen: "Es geht darum, der Frau keinerlei Macht zu geben"

Monika Wogrolly.

Es werden immer mehr solche Puppen verkauft, auch in Österreich. Woran liegt das?

Viele Menschen streben derzeit nach Beziehungsvermeidung. Sobald ein anderer Mensch im Spiel ist, kann es unangenehm werden. Dieser kann fordernd werden, keine Lust auf Sex haben oder einen verlassen. Deshalb ist die Puppe eine willkommene Alternative. Ich möchte das aber nicht auf Männer reduzieren. Die Menschen gehen generell zunehmend auf Nummer sicher. Wir leben auch in einer Gesellschaft, in der es nicht mehr so zentral um Beziehung und Partnerschaft geht wie früher.

Die Sexpuppen tauchen auch immer stärker im Rotlicht-Milieu auf. Manche Laufhäuser in Wien haben neben Zimmern für Prostituierte bereits Räume mit Puppen. Was kann einen Mann dazu bewegen, lieber eine Puppe zu besuchen als eine echte Frau?

Viele Männer glauben, sich schützen zu können, wenn sie sich nur einer Puppe hingeben. Es passiert auch immer wieder, dass Männer sich in eine Prostituierte verlieben und Bindungsgefühle entwickeln. Der Wunsch ist also, Abhängigkeit zu vermeiden und der Frau keinerlei Macht zu geben, auch nicht in der sexuellen Situation.

Verändert sich die Sexualität eines Mannes, wenn er regelmäßig mit einer Puppe Verkehr hat?

Auf alle Fälle, so wie auch fortwährende Masturbation die Sexualität verändert. Es kann sein, dass man als Mann sexuelle Funktionsstörungen entwickelt, wenn man dann einer echten Frau gegenübertritt. Man muss sich beim Sex auf den anderen einstellen. Einem Menschen muss ich ja Vertrauen und Bindungsfähigkeit entgegenbringen, anders als einer Puppe. 

Viele Puppen sehen sehr jung aus, nicht 18 Jahre alt, sondern eher wie 13. Kann das eine pädophile Neigung verstärken?

Es wird kontroversiell diskutiert, ob der Einsatz von Puppen die Lust auf das Verbotene nährt oder ob das eine Ersatzhandlung ist, die präventiv gegen Sexualstraftaten wirkt. Ich bin überzeugt, dass es als Verstärker des Begehrens wirkt. Es ist etwas anderes, verbotene Lüste nur zu fantasieren als diese auszuagieren. Das Ausleben an der Puppe kann eine Vorstufe zu verbotenen kriminellen Handlungen an Minderjährigen sein. Ich sehe darin keine Präventivmaßnahme, sondern eine Gefahr.

Auch bei Puppen, die nicht so jung aussehen, hört man, dass in den Bordellen grob mit ihnen umgegangen wird. Kann Sex mit einer Puppe Gewaltfantasien verstärken und Gewalt gegen Frauen fördern?

Das ist eine ähnliche Frage wie die Pädophilie. Ich meine eher, dass dies Frauen keine Gewalterfahrungen erspart, sondern dass es wie ein Trigger wirkt und sogar Lust darauf macht. Wenn man einmal auf den Geschmack kommt, wie sich das anfühlt, will man das irgendwann auch an einer lebenden Person probieren.

Müsste man nicht als Gesetzgeber den Puppenherstellern Auflagen geben, dass sie zum Beispiel keine 12-jährigen Mädchen nachbauen, sprich keine 1,50 Meter kleinen, zierlichen Puppen?

Mich erstaunt, dass das nicht der Fall ist und dass man das rechtlich einfach so machen kann. Wir wissen bei allen Suchterkrankungen: Nach kurzer Zeit reicht die Ausgangsdosis nicht mehr aus und der Suchtkranke verlangt nach einer Steigerung. Die wohl katastrophalste Steigerung könnte sein, dass der Käufer oder Mieter einer Puppe auf einen lebendigen Menschen "umsteigt".

Wenn Puppen auf dem Markt sind, die Kinderkörper haben, geht das genau in diese Richtung der Eingewöhnung in das Verbotene. Männer werden förmlich darauf konditioniert, ihr sexuelles Verlangen an "kindlichen Körpern" auszuleben - auch wenn es "nur" Puppenkörper sind. Dennoch werden hier natürliche Grenzen überschritten, innere Blockaden überwunden und ein Tabu gebrochen: quasi der Weg bereitet, seine kriminellen und krankhaften Träume real auszuleben.

Zur Person:

Monika Wogrolly arbeitet als Psychotherapeutin in der Privatklinik St. Radegund und in freier Praxis in Graz und Wien. Sie hat außerdem eine Philosophische Praxis, ist Literatin und Sachbuchautorin. Zuletzt ist von ihr "Die Beziehungsformel - Endlich glücklich leben" (Ueberreuter) erschienen.

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