Haben die Jungen die Lust auf Sex verloren?

Bei den Teenagern hält sich die Lust laut einer US-Studie in Grenzen
Millennials hüpfen weniger schnell mit jemandem ins Bett als ihre Mütter und Väter.

Ohne Moral, viel zu freizügig – so lautet die Diagnose älterer Menschen, wenn es um die "Jungen" geht. Das war immer so, das ist heute nicht anders. Derzeit im Fokus: die ständig verfügbare Online-Pornografie und Dating-Apps wie Tinder & Co. Sie erwecken den Eindruck, als würde sich bei den Millennials heute alles nur noch um Sex drehen. Genau das Gegenteil ist der Fall, zeigt jetzt eine Studie der US-Uni San Diego: Bei den jungen Erwachsenen geht es seltener zur Sache als bei der Generation davor.

Die Jüngeren fangen mit dem Sex erst gar nicht an und die Älteren hören wieder auf, lassen sich die Ergebnisse zusammenfassen. Bei den Teenagern hält sich die Lust in Grenzen: Gab im Jahr 1991 noch die Hälfte der Highschool-Schüler an, Sex zu haben, sind es heute zehn Prozent weniger. "Diese Generation scheint länger mit dem Sex zu warten, sogar bis in ihre 20er-Jahre", kommentiert die Psychologin Jean M. Twenge die Ergebnisse. " Jeder achte 20- bis 24-Jährige hatte seit Jahren überhaupt keinen Sex mehr."

Internet statt Sex

Warum ist die Lust entschlafen? Psychologin Twenge hat eine interessante Erklärung: "Es gibt mehrere Ursachen für den neuen Enthaltsamkeitstrend. Einerseits bemerken wir ein erhöhtes Sicherheitsbewusstsein, vielleicht weil in den Medien so viel über Missbrauch steht. Die Jungen trinken auch weniger Alkohol." Außerdem zeige das Internet seine Wirkung: Facebook, Twitter und Co. sollten zwar helfen, Kontakte zu knüpfen, wirken aber eher desozialisierend, so die Psychologin, deren Buch über die "Generation Me" ein US-Bestseller war.

Das Internet biete eine große Bandbreite an Gratis-Pornos, was das Verlangen nach Sex mit einem Partner zu mindern scheint. Als weiteren Lusthemmer führt sie an, dass immer mehr Erwachsene noch bei ihren Eltern leben. Nicht nur in den USA sind die Jungen enthaltsamer als die ältere Generation, zeigt eine aktuelle Studie des Bravo-Magazins: Die Hälfte der 17-Jährigen hatte noch nie Sex, sondern bleibt beim Küssen (siehe Grafik).

Mehr Last als Lust

Der österreichische Sexualpädagoge Wolfgang Kostenwein schätzt den Einfluss des Internets ähnlich wie US-Kollegin Twenge ein: "Jugendliche bekommen sehr viel Information zum Thema Sex. Nicht nur via Pornografie, sondern auch in den Medien – zum Beispiel, wie häufig Menschen Sex haben. Aber das, worum es bei partnerschaftlicher Sexualität wirklich geht – intime Fragen und Gefühle –, ist nach wie vor tabu."

Er erlebt in seinen Schulworkshops die Diskrepanz zwischen den Sex-Trends und der Gefühlswelt der Jugendlichen. Das Bild von Sexualität werde von der Gesellschaft vorgegeben. "Die fragen ‚Wie bläst man richtig?‘ oder ‚Wie geht Analverkehr?‘, aber das entspricht gar nicht ihrem tatsächlichen Empfinden." Die Sexualpädagogen müssten den Jugendlichen helfen, ihren Gefühlen zu folgen.

Der Psychologe beurteilt die US-Studie pragmatisch: "Es gab immer Jugendliche, die früher Sex hatten, und andere, die später dran waren." Er glaubt aber, dass sich die Art der Sexualität verändert hat. "Jugendliche unterscheiden sehr zwischen Beziehung und ‚nur Sex‘." Dabei sind die Jungen zurückhaltender als ihre Eltern: Die früheren "Babyboomer" stiegen öfter mit verschiedenen Sex-Partnern ins Bett als ihre konservativen Kinder.

Das zeigt auch der österreichische Trendmonitor: Treue und Geborgenheit sind den heutigen Jungen viel wichtiger als Sex.

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