Wie Radfahrer dem Winter trotzen
In der Früh sitzt der Experte für sanfte Mobilität draußen in Ober St. Veit auf, um die Stadt Wien von Westen her aufzurollen. Zum Warmwerden radelt er durch die Hietzinger Hauptstraße und weiter entlang des Wien-Flusses. Spätestens beim Schloss Schönbrunn ist sein Körper wie der Motor eines Autos – auf Betriebstemperatur. Im Frühjahr, im Sommer, im Herbst und auch an Wintertagen radelt er so dahin.
Christian Gratzer ist der Sprecher des Verkehrsclubs Österreich, kurz VCÖ. In einer Presseaussendung des Mobilitätsclubs berichtet er, dass sieben von zehn Österreichern den Drahtesel als Fortbewegungsmittel benützen. Und dass in dieser großen Gruppe immerhin jeder Sechste auch im Winter mit dem Fahrrad unterwegs ist. Gratzer beruft sich dabei auf eine repräsentative Umfrage des Instituts Integral und auch auf eigene Beobachtungen. Der VCÖ-Mitarbeiter ist selbst vitaler Teil des winterwiderspenstigen Sechstels.
"Mir ist nicht kalt"
Auffallend ist, dass der Winterradler nicht adjustiert ist wie Extrembergsteiger beim Bezwingen eines Achttausenders. Er trägt eine leichte gut sichtbare Daunenjacke, eine dünne Haube, dicke Handschuhe, dazu dunkle Jeans und Halbschuhe.
Nach einer halben Stunde bzw. 8,5 Kilometer gemütlicher Radfahrt, die er nach eigenen Angaben auch im Winter täglich genießen kann, erreicht Christian Gratzer die Bräuhausgasse in Margareten. Dort hängt er sein Rad vor dem Büro des VCÖ mit einem massiven Schloss an.
"Gut gesehen werden"
Für die Fahrt durch den Winter hat er einige praktische Tipps zusammengefasst (siehe rechts). Wichtig ist ihm vor allem das Thema Beleuchtung (Licht und auch Reflektoren): "Man gerät im Winter schnell einmal in die Dunkelheit. Umso wichtiger ist es für uns Radfahrer, dass wir gut gesehen werden." Seine Tipps gelten auch für die schöne Jahreszeit, aber bei Temperaturen um den Gefrierpunkt ist mehr Vorsicht geboten, auch tempomäßig: "Vor allem in den Kurven bitte aufpassen."
Auch zu beruflichen Terminen fährt Gratzer mit dem Rad: "Ich erspare mir somit den Ergometer im Fitnesscenter. Und für die Luftqualität in Wien und meine Öko-Bilanz ist diese Art der Fortbewegung auch kein Nachteil."
Argwohn begegnet ihm im Winter selten, erklärt der Radfahrer und zitiert weitere Umfragedaten: Im Dezember des Vorjahrs wurden in Wien um ein Drittel mehr Radler gezählt als im Dezember 2011. In Salzburg und Graz fahren im Winter bereits halb so viele Menschen mit dem Rad wie im Sommer. In Ober St. Veit ist man noch nicht ganz so weit. Das Beispiel des Radfahrers, der abends mit einem satten Lächeln heimkehrt, macht jedoch langsam Schule.
Christian Gratzer empfiehlt einen Nabendynamo sowie ein Standlicht als Rücklicht.
2. ReflektorenBitte kontrollieren: Sind alle vorgeschriebenen Katzenaugen montiert bzw. sind die Reflektoren am Radreifen noch sichtbar?
3. BremsenIhre Funktion soll regelmäßig kontrolliert werden. Öl hilft, dass die Züge nicht eintrocknen.
4. KetteAuch die Radkette freut sich, wenn sie ab und zu geölt wird.
5. Reifendruck und SattelBei Eis- und Schneefahrbahn ein wenig Luft auslassen, und den Sattel etwas niedriger stellen.
6. TempoDas Tempo den Fahrbahnverhältnissen anpassen. Bei Eis und Schnee Vorsicht in den Kurven! Nicht abrupt bremsen!
7. EnteisungssprayHilft, Schlösser zu enteisen.
Die Zeiten, da Radfahrer im Winter aussahen, als würden sie sich anschicken, die Arktis zu durchqueren, sind endgültig vorbei. Industrie- und sogar Modedesigner ließen sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts einiges einfallen:
Verhüterli für den Sattel
Unglaublich: ein Sattelüberzug, der aus Lammfell produziert wurde. Er hält den Sattel (vor allem Ledersättel) warm, wenn der Drahtesel längere Zeit in der Kälte parken muss. Gesehen bei der Cooperative Fahrrad in Wien um 22,90 €. www.fahrrad.co.at
Verhüterli für Batterien
Cover für E-Bike-Akkus, hergestellt von der Firma Fahrer in Berlin. Mit 45 € nicht ganz preisgünstig. Aber was ist bei einem Elektrofahrrad heute schon preisgünstig? www.fahrer-berlin.de
Kleines Flut-Licht
Extrawarme Handschuhe
Airbag für Radfahrer
Eine Innovation aus dem hohen Norden, vom schwedischen Hersteller Hövding. Man trägt diesen Airbag wie einen Schal, und Radfahrer berichten, dass das Ding bei einem Aufprall mit dem Kopf tatsächlich aufgeht. Für seinen Preis (299 €) hat man früher einmal ein schönes Fahrrad bekommen, aber die Hightech-Helme sind bekanntlich auch nicht ganz billig. www.hovding.com
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