Schnorren für den guten Zweck: Ein Ehrenmann zeigt, wie’s geht

Schnorren für den guten Zweck: Ein Ehrenmann zeigt, wie’s geht
Ehrenamtlich: Die Wiener Tafel sucht Menschen wie Hans Dokulil, der in seiner Freizeit gerne unbezahlt mithilft.

„Hosd wos für mi?“ Es ist knapp nach 7 Uhr auf dem Großgrünmarkt in Wien-Inzersdorf. Hans Dokulil kennt die Gesetze des Marktes. Er hat 45 Jahre lang erfolgreich als Manager in der Pharmaindustrie gearbeitet. Weiß daher genau, wie und wo er sein Gegenüber abholen muss. Redet jeden in seiner ihm eigenen Sprache an.

Fredl Ehrentraud, Gemüsehändler aus Großwiesendorf im Weinviertel, hat gute Gründe, warum er dem ehrenamtlichen Mitarbeiter der Wiener Tafel heute zum Salat und zum Lauch noch eine Steige voll mit knackigen Radieschen draufpackt. Natürlich, weil es für die gute Sache ist, aber auch: „Weil der Hans einfach ein liebenswerter Schnorrer ist.“

Schnorren für den guten Zweck: Ein Ehrenmann zeigt, wie’s geht

Andere Händler spricht Hans Dokulil mit „Salam“ an, dabei zeigt sich entgegen landläufiger Vorurteile, dass die Nächstenliebe und die Mildtätigkeit weit über das Weinviertel hinausreichen.

„Hello Kathy“

Seit gut einem Jahr arbeitet der Wiener für die Tafel, die heuer ein rundes Jubiläum feiert (siehe rechts). Zwei Mal pro Woche, dienstags und mittwochs, steht der Neo-Pensionist sehr früh im Norden von Wien auf, um hier ganz im Süden Obst, Gemüse und auch Gewürze vor dem Wegwerfen zu bewahren.

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Auch Katharina Jostal, die ihre Großhandelsfirma „Hello Kathy“ nennt, hat für die Wiener Tafel immer ein offenes Ohr. Sie bedient mit ihrem ausgewählt schönen Obst und Gemüse die Spitzengastronomie. Weil deren Gäste bekanntlich auch mit den Augen essen, kann Jostal mit reinem Gewissen jene Naturprodukte abtreten, die noch immer g’schmackig sind, aber vielleicht nicht mehr ganz fleckenlos.

Hans Dokulil dankt ihr für ihre feldfrischen Gaben wie immer ausgewählt höflich. Sodann schwingt er sich auf sein Elektro-Lastenrad, das ebenso gespendet wurde, und tritt damit im hohen Tempo zum nächsten potenziellen Geber. Dass er in seiner aktiven Zeit alle Länder zwischen Polen und Albanien beruflich beackert hat, erleichtert seine heutige Aufgabe. Die jungen Händler aus Serbien begrüßen ihn jedes Mal freundlich, wenn er sich ihnen mit breitem Grinsen nähert. „Leider nicht“ gibt es für sie nicht. Irgendein Kistl wandert immer auf das Lastenrad. Nur ein paar Meter weiter kündigt die Mitarbeiterin einer Floridsdorfer Markt-Familien-Dynastie für den nächsten Tag Grünzeug plus Gewand an.

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Ein bisserl Glück

Im „TafelHaus“ in der Mitte des Marktgeländes freut man sich jedes Mal, wenn der Lastenradfahrer voll beladen um die Ecke biegt. Er bringt Arbeit. Eine motivierte Truppe aus Studenten, Zivildienern, Klienten von „Jugend am Werk“ und einem Freigänger aus der Strafanstalt Simmering putzt Gemüse, schlichtet kistlweise um und räumt alles in den bereitstehenden Transport-Lkw.

Hans Dokulil hat gute Gründe, warum er sich ehrenamtlich als Sozialspediteur engagiert. Er musste als Kind einer Brigittenauer Arbeiterfamilie nicht Armut leiden. Er weiß aber noch, wie es sich in bescheidenen Verhältnissen lebt. Und er führt seine tolle berufliche Karriere nicht alleine auf seinen Fleiß zurück, sondern auch auf ein bisserl Glück.

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"Ein gutes Gefühl"

Deshalb kann der zufriedene Familienmensch, bevor er am Ende seiner morgendlichen Tour noch die Donuts von einer nahe gelegenen Großbäckerei abholt, sagen: „Ich möchte von dem Glück, das ich gehabt habe, etwas an jene zurück geben, die es im Leben nicht so gut erwischt haben wie ich.“

Auch heute hat er mehr als eine Tonne Lebensmittel für die Wiener Tafel eingebracht. Entspannt kann er daher sagen: „Es ist schon ein gutes Gefühl, wenn du anderen Menschen mit deiner Arbeit helfen kannst.“

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Ehrenamtliche gesucht!

Zwei Jubiläen: Die Sozialspedition Wiener Tafel feiert in Kürze zwei Mal Geburtstag: zum einen die eigene Gründung vor 20 Jahren, zum anderen das fünfjährige Bestehen der gesamt-österreichischen Tafel-Plattform.

Neuer Umschlagplatz: Zu Beginn 2020 will man ein neues Quartier (Büro und Lagerhallen) auf dem Großgrünmarkt beziehen. Dafür fehlt noch ein bisserl Geld. Alle Infos hier.

Ehrenamtliche, bitte vortreten!Wer aktiv helfen möchte, dass arme Menschen Gutes zum Essen bekommen und gleichzeitig die Müllberge nicht weiter wachsen, kann sich bei der Ehrenamtlichenkoordinatorin der Wiener Tafel melden: 01/236 56 87–005 oder  theresa.seitz@wienertafel.at

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