Rückkehr der Wildkatzen

Rückkehr der Wildkatzen
Ein für Menschen fast unsichtbarer Räuber streift wieder durchs Waldrevier. Ein Besuch im Wildkatzen-Paradies Hainich.

Der furchtlose deutsche Wildkatzen-Experte Thomas Mölich joggt jeden Morgen am Waldrand von Hütscheroda. Hier im Hainich, im deutschen Bundesland Thüringen hat der einst gefürchtete "Wütherich" sein Jagdrevier, dem zum Tiger nur die Größe fehle, wie es im Jägerlatein heißt. "Hin und wieder taucht eine Wildkatze vor mir auf, ignoriert mich völlig und geht ruhig über den Weg und verschwindet auf der anderen Seite im Dickicht."

Rückkehr der Wildkatzen

Anders als die Bevölkerung im Salzburger Anif – der Ort wurde von zwei jungen Geparden in Angst und Schrecken versetzt (der KURIER berichtete) – sucht der Wildbiologe bewusst die Nähe der Raubtiere, die sich seit einigen Jahren vermehrt in den deutschen Wäldern tummeln. Mölich ist der Wildkatzen-Experte Deutschlands und einer der ganz wenigen, die die seltenen Räuber regelmäßig zu Gesicht bekommen. Wildkatzen sind nicht nur fast unsichtbar, sie können auch sehr leise sein, beim Anschleichen berühren nur ihre gepolsterten Pfoten den Boden.

Die Wildkatze ist das neue Maskottchen der Naturschützer. Die Art Felis silvestris gilt in Deutschland als bedroht, in Österreich gar als verschollen. Erst im Jahr 2000 gelang der erste sichere Nachweis im Thayatal seit Jahrzehnten. Die Nachweismethode ist einfach und schonend: Die Katzen reiben sich an sogenannten Lock­stöcken, die von Rangern zuvor mit Drahtbürsten aufgeraut und mit Baldriantee besprüht wurden. Baldrianwurzel wirkt auf Katzen wie ein Sexuallockstoff. Die Ranger müssen dann nur noch die Haare abklauben und ins Labor zur Genanalyse schicken. "So haben wir drei Wildkatzen sicher nachgewiesen", sagt der Direktor Robert Brunner, Nationalpark Thayatal, der in Thüringen einen der neuen Wildkatzen-Korridor besichtigt, die zwischen den Wald­resten Deutschlands angelegt werden.

Rückkehr der Wildkatzen

Mölichs Hauptquartier ist die "Wildkatzenscheune" in Hütscheroda, die Zentrale des Nationalparks Hainich. Deutschlandweit sind Naturschützer und Raumplaner dabei, ein 20.000 km langes Netz aus Grünkorridoren zu öffnen, genannt "Lebenslauf". Keine künstliche Wiederansiedlung, sondern ein natürliches Wieder-Einwandern ist das Ziel. Die Wildkatze ist der Sympathieträger, aber von den Waldkorridoren profitieren auch andere Arten: Alpenbock, Habichtskauz, Rothirsch, Schwarzspecht, Auerhahn und Schwarzstorch. Der österreichische Wildkatzen-Experte Christian Übl möchte einen Grün-Korridor durchs Weinviertel legen. "Die Wildkatze soll wieder Fix-Bestandteil unserer Wäldern werden."

Der Hainich: Ein deutscher UrwaldDie Vergangenheit: Im heutigen Thüringer Nationalpark Hainich (bei Eisenach, wo Martin Luther seine deutsche Bibelübersetzung schrieb, Anm.) lag in der Zeit des Kommunismus ein Truppenübungsplatz der Nationale Volksarmee NVA und der Roten Armee.

Die Gegenwart: Durch einen Grundstückstausch beim Autobahnneubau schufen Naturschützer und Raumplaner eine Verbindung zwischen dem Hainich und den bewaldeten Hörselbergen im Süden. Erste Nachweise an Lockstöcken zeigen, dass die Wildkatze diese neue Zugroute annimmt.

Die Zukunft: Der Korridor soll bis zum Thüringer Wald verlängert werden, Der Hainich entwickelt sich unterdessen zum Urwald aus 2. Hand.

WILDKATZEN-MELDESTELLENaturschutzbund Österreich, Frau Friembichler, Tel.: 0650/22 43 703

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