Roland Kaiser: Attraktive Männer sind treuer als man denkt
Herr Kaiser, Ihre Hände sind verschränkt. Ein Körpersprache-Experte würde jetzt sagen: Der macht zu, da geht heute nix.
Wenn ich das immer höre, mein Gott. Ich bin offen und kontaktfreudig. Es ist halt einfach bequem so.
Wo fangen wir denn jetzt an ...
Sie stellen die Fragen und ich antworte.
Guter Plan, Ihr Leben ist nur so umfangreich, dass ich den ganzen Sonntag mit Ihnen verbracht habe ...
Davon hab’ ich nix mitgekriegt.
Es war ein Eintauchen in längst vergangene Zeiten. Ihre Karriere hat 1974 begonnen und dauert an. Auch heute noch sind Ihre Konzerte binnen weniger Stunden ausverkauft. Ihr Erfolgsgeheimnis?
Ich hab das Gefühl, dass es generell in Deutschland, aber auch Österreich, wieder eine Hinwendung zur eigenen Sprache gibt. Da hat sich ein neues Selbstbewusstsein entwickelt. Die Leute sagen voller Stolz: „Ich gehe wieder zu einem Künstler, der in meiner Sprache singt.“ Schauen Sie sich nur die neue deutsche Musik an, angefangen bei Frau Connor über Revolverheld und Glasperlenspiel. Alle singen auf Deutsch und sind hochangesehen. Wer derzeit musikalisch Karriere machen will, ist gut beraten, das in der eigenen Sprache zu tun. Man muss nicht mehr mit Katy Perry oder Justin Timberlake konkurrieren.
Obwohl die nationale und internationale Popmusik auch schon mal besser war.
Aber die wirklich Großen können das alle, auch die österreichischen Sänger.
Wen meinen Sie?
Ein Fendrich ist ein guter Sänger, ein Ambros auch. Ich hab das geliebt, diese drei Österreicher: Ambros, Fendrich und Danzer. Das fand ich großartig und ich hätte mir gewünscht, dass wir das mal bei uns in Deutschland hinkriegen. War nicht möglich.
Bevor ich zum Interview gekommen bin, habe ich mir „Dich zu lieben“ in Dauerschleife angehört. Ein großartiges Lied. Gehen Ihnen Komplimente in dieser Richtung eigentlich nicht schon tierisch auf die Nerven?
Ich wäre ja ein kompletter Dummkopf, wenn ich das jetzt ablehnen würde. Das ist doch meine Musik, die mich großgemacht hat. Das kann doch kein unangenehmes Gefühl in mir auslösen. Und der Punkt ist ja, dass die Musik sich über die Jahre auch weiterentwickelt. Man bringt die Lieder als Künstler immer in zeitgemäß passenden Gewändern auf die Bühne.
Das neueste Kleid Ihrer Musik ist sehr klassisch. Sie treten nächstes Jahr mit der Dresdner Philharmonie auf.
Mit den Philharmonikern mache ich im nächsten Jahr drei Konzerte und wir haben die ersten Proben hinter uns. Ein klassisches Orchester mit 85 Leuten hat zwei Titel von mir gespielt. Da klang „Manchmal möchte ich schon mit dir“ plötzlich wie Jacques Offenbach. Das ist unfassbar! Wenn man es gut umsetzt, liegt so viel Kraft in der Musik. Da freu ich mich drauf. Deshalb habe ich mit meinen Hits keinerlei Berührungsängste.
Das kann man so sagen. In Ihren Hits geht es sehr oft um Berührung. Um Sex ...
Im Leben auch.
Worauf ich hinaus will, ist, dass Sie einmal meinten, Sie würden nie über die Liebe singen. Aber in „Dich zu lieben“ heißt es doch: „Wächst die Sehnsucht in mir auf ein Leben mit dir“ ...?
Ich singe schon über die Liebe, aber nicht in der Form, dass wir beide nur den Strand rauf und runter rennen. Das machen wir auch, aber danach gehen wir schon irgendwohin und nicht wieder den Strand rauf und runter. Der Text ist gewissermaßen zielorientiert. Zwei Menschen, die eine erotische Anziehung füreinander verspüren, wollen eine gemeinsame Nacht miteinander verbringen.
Oder ein ganzes Leben, wobei diese Vorstellung ja mehr die romantische Liebe bedient als die erwachsene. Mit der Liebe ist das irgendwie ein Dilemma.
Ich habe unlängst auch mit Arno Luik, einem Kollegen von Ihnen über das Thema gesprochen. Im Endeffekt ist die ganze Weltliteratur voll von einem Thema: Wie kann das klappen zwischen Mann und Frau? Und zwar ohne Probleme, ohne Stress. Shakespeare, Schiller, Goethe: Nehmen Sie, wen sie wollen. Alle großen dieser Welt haben diese Frage als zentrales Thema und keiner findet eine Lösung. Ich suche auch noch danach.
Wenn Sie eine haben, bitte ...
... ruf ich Sie an, ja.
Roland Kaiser im interview mit Barbara Reiter
Da Sie Herrn Luik angesprochen haben: Ich kenne sein Interview mit Ihnen. Ich fand es teilweise despektierlich. Sie wurden darin als Schlagerfuzzi und Schnulzensänger bezeichnet. Warum haben Sie ein Interview dieser Art zugelassen?
Weil ich klug bin. Als die Anfrage vom Stern kam, wurde ich von einigen Kollegen von der Süddeutschen und der Zeit gewarnt. Das ist der Interviewpapst in Deutschland. Er ist knallhart und provokant, aber hinterher kommt in der Regel was Hochinteressantes dabei raus. Wenn man sich auf so einen Mann einlässt, kann man nicht erwarten, dass ein Claqueur um die Ecke biegt.
Na ja, aber wenn man beleidigt wird... Als ich mit dem Journalismus begonnen habe, wollte ich von Hansi Hinterseer einmal wissen, was er dazu sage, dass vorwiegend ältere Semester seine Konzerte besuchten. Nach der Frage wollte er nicht mehr weiterreden.
Ich werde mich hüten, mich provozieren zu lassen und zu sagen: „Ich sag nichts mehr“, wie ein kleines Kind.
Vor 30 Jahren haben Sie das anders gesehen. Damals waren Sie Gast in Karl Dalls Sendung „Dall-As“, deren Konzept es war, prominente Gäste zu irritieren und zu provozieren. Als Dall zu Ihnen sagte: „Na, sing schon mal, damit wir es hinter uns haben!“, haben Sie verärgert die Sendung verlassen.
Auch das war meine Schuld. Ich kannte die Ausrichtung der Sendung, hatte aber an dem Tag schlechte Laune und Stress. Es lief alles nicht gut und ich geh hin und lauf ihm direkt ins Messer. Wie dumm muss man sein? Ich hätte auch sagen können: Ich hab mir den Fuß vertreten, anstatt hinzugehen. Immerhin hat Dall dafür gesorgt, dass der Vorfall nachher in aller Munde war. Das hat ihm und mir nicht geschadet.
Vergangenes Jahr hat Karl Dall seinen 75er gefeiert. Haben Sie ihm gratuliert?
Nein, aber drei Monate nach der Sendung haben wir uns wiedergetroffen und es war wieder alles okay.
Beim Stöbern fand ich auch ein Interview von Ihnen und Harald Schmidt aus dem Jahr 1996. Sie haben damals über das Alter philosophiert und gesagt: „Ich hoffe, dass ich in Zukunft anders aussehe als heute. Sonst habe ich etwas falsch gemacht.“ Damals waren Sie 44. Sind Sie zufrieden mit dem Roland, den Sie heute mit 64 im Spiegel sehen?
Ja, das ist für mein Alter völlig in Ordnung. Ich bin kein sehr eitler Fatzke. Meine Kinder sehen sich gerne die ZDF-Hitparade von früher an und meine Tochter meinte: „Mensch, da trägst du ja auch Anzüge – wie heute.“ Ich bin ein sehr konservativer Mensch in solchen Dingen. Gestern bin ich hier in Wien mit meiner Frau und meiner Tochter durch die Stadt gebummelt, vorbei an verschiedenen Designer-Geschäften. Das würde ich alles nie anziehen.
Das Gilet steht Ihnen doch sehr gut, ganz ehrlich.
Na ja, modisch ist das jetzt nicht der letzte Brüller, aber es ist okay. Bühne bedeutet für mich immer Anzug, privat gehe ich es etwas lockerer an.
Herr Kaiser, Sie hatten nicht das beste Startpotenzial für eine große Karriere. Sie haben Ihre Eltern nie kennengelernt und sind bei einer Pflegemutter aufgewachsen. Hat sie ihre Sache gutgemacht?
Ja, das hat sie. Sie hat mir extrem viel Liebe gegeben und mir die nötigen Grundwerte beigebracht. Recht von Unrecht unterscheiden zu können, nicht nach unten zu treten, aufrecht zu gehen – all das. Und ich kann ja heute meinen Kindern eine Familiensituation und Harmonie geben, die sie zu guten Menschen werden lässt. Ich bewege mich immer nach vorne.
Es gibt auch noch Hendrik, Ihren Sohn aus einer früheren Ehe mit der Schauspielerin Anja Schüte. Haben Sie denn Kontakt zu ihm?
Natürlich haben wir Kontakt zueinander. Er ist jetzt mittlerweile 26 Jahre alt und es gibt heute keine Fürsorgepflicht mehr für ihn.
War es Ihnen wichtig, trotz Trennung ein guter Vater zu sein?
Im Rahmen meiner Möglichkeiten, natürlich. Die Mutter hat aber woanders gelebt als ich. Nichtsdestotrotz haben wir uns regelmäßig gesehen und haben auch ein gutes Verhältnis zueinander.
Unlängst wurde kolportiert, dass Frau Schüte, bekannt aus Erfolgsserien wie „Forsthaus Falkenau oder „Die Wicherts von nebenan“, nicht mehr als Schauspielerin, sondern in einer Boutique arbeitet. Was sagen Sie dazu?
Ich habe da meinen Respekt vor.
Ich dachte, wenn man Schauspielerin und mit einem Mann wie Ihnen verheiratet war, hätte man ausgesorgt.
Sie sind lustig! Ausgesorgt zu haben, ist sicher nicht die Motivation zu heiraten.
Das wird es auch geben. Aber so meinte ich das in Ihrem Fall gar nicht, aber gut. In einer Boutique zu arbeiten, ist sicher schön, nur, wenn man einmal eine erfolgreiche Schauspielerin war ...
Sie teilt das Schicksal vieler Schauspieler: Wenige kriegen viele Rollen und viele wenige Rollen. Wenn man etwas lange nicht macht, gerät man in Vergessenheit. Und irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem man einfach nicht mehr zurückkommen kann. Deshalb finde ich ihren Weg, arbeiten zu gehen, völlig in Ordnung. Hochlobenswert sogar.
Könnten Sie sich theoretisch vorstellen, nach einer tollen Karriere in einer Herren-Boutique als Verkäufer anzufangen?
Frau Reiter, mich nimmt doch keiner mehr. Ich bin viel zu alt dafür.
Sehen Sie, Sie sind für mich alterslos. Daran habe ich jetzt gar nicht gedacht.
Ich bin 64, drei Jahre vor der normalen Pensionierung in Deutschland. Kein Mensch nimmt mich mehr. Aber das ist ja auch nicht schlimm.
Nach 90 Millionen verkauften Tonträgern kann das jeder nachvollziehen. Sie haben auch Texte für andere geschrieben.
Maffay, Milva, Mouskouri ...
Und trotzdem sind Sie weder abgehoben noch hochnäsig.
Bei mir spielt die Historie eine große Rolle. Wenn Sie fast nicht mehr am Leben waren, durch diese Krankheit (Anm.: Kaiser litt an der Lungenerkrankung COPD), und dann zurückkommen und eine zweite Chance bekommen, gehen Sie erstens mit dem Leben und zweitens mit den Mitmenschen behutsamer um.
Ihnen wurde 2010 eine Spenderlunge transplantiert. Wie geht es Ihnen heute?
Sehr gut. Ich mache eine Menge Fitness, habe mein tägliches Sportprogramm, aber man wird halt älter.
Blödes Alter. Lassen Sie uns lieber wieder über die Liebe reden. Sie sind zum dritten Mal verheiratet. Was haben Sie in all den Jahren und nach so vielen Songtexten über Liebe gelernt?
Dass Sie darum kämpfen müssen, wenn Sie sie gefunden haben. Liebe ist keine Selbstverständlichkeit. Wenn man nicht aufpasst, geht sie. Es gilt, sie zu bewahren.
Ist das nicht vor allem in jungen Jahren schwer, wenn man ein erfolgreicher gutaussehender Schlagerstar war wie Sie?
Ach, hier wird gerne übertrieben. Das ist lange her und ich lebe im Heute. Und heute bin ich seit 21 Jahren verheiratet und bei uns brennt’s immer noch. Mit den Jahren fängt man an, eine funktionierende Partnerschaft auch zu wahren.
Mit den Jahren vielleicht. Aber in jüngeren Jahren sind gutaussehende Männer, die noch dazu Erfolg haben, sicher eine Kopfweh-Partie.
Ach, Frau Reiter, ich kann Ihnen eines sagen: Attraktive Männer sind treuer als Sie glauben.
Roland Kaiser, 64, wurde 1952 in Berlin geboren. Er war ein Findelkind und hat Vater und Mutter, die ihn als 17-Jährige in einem Körbchen vor einem Heim abstellte, nie kennengelernt. Später kam er zu einer Pflegemutter, die „ihre Sache gut gemacht hat“. Nach Jobs in einem Autohaus und als Telegrammbote begann er zu singen und veröffentlichte 1974 seine erste Single. Seinen Durchbruch erzielte er 1980 mit „Santa Maria“, zahlreiche Nr.-1-Hits und eine bis heute andauernde Karriere folgten. 2010 wurde Kaiser erfolgreich eine Lunge transplantiert, nachdem der ehemals starke Raucher zehn Jahre an der Krankheit COPD, auch Raucherlunge genannt, gelitten hatte. Heute geht es ihm wieder gut. Kaiser ist seit 21 Jahren in dritter Ehe verheiratet und hat drei Kinder.
Info: Roland Kaiser – die Tour zum neuen Album „Auf den Kopf gestellt“, live 2017, am 4. April in der Wiener Stadthalle, Halle F. Tickets in allen Raiffeisenbanken in Wien und Niederösterreich. Tickets im Internet: www.ticketbox.at Ermäßigung für Raiffeisen-Kontoinhaber. www.oeticket.com
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