Richtungswechsel: Ein Tag mit der falschen Hand
Von rechts auf links: Uwe Mauch
Wer mit dem linken Fuß aufsteht, dem droht ein mühsamer Tag. Heißt es. Mir reicht das frühmorgendliche Befüllen der Espressomaschine mit links. Schon mit der Rechten eine Herausforderung, verteile ich den Kaffee über die halbe Tischplatte. Immerhin fällt das Aufwischen danach nicht allzu schwer.
Früh an diesem, meinem, Linkshändertag wird klar, wie viele Verrichtungen des Alltags eine Führungshand benötigen: Bett machen, Zähne putzen, Obst schneiden, Brot schneiden, schmieren, Zeitung zerpflücken, Radio-Morgenjournal aufdrehen, Geschirr abwaschen, Hände waschen, duschen, abtrocknen, anziehen. Und da reden wir bitteschön noch nicht von schminken, Nägel lackieren, bügeln oder handwerken.
Die Unterstellung "Er hat zwei Linke" bekommt für Menschen, die mit der Linken wenig bis gar nichts zusammenbringen, eine neue, noch schmachvollere Bedeutung. Das Radschloss lässt sich leicht öffnen und verschließen. Die auf dem Lenker rechts montierte Radklingel macht indes deutlich, wie viel im Alltag auf die rechte Hand abgestimmt ist. Dann whatsappen, SMSen und so: Kein gröberes Problem, zumindest für all jene, die nicht als Digital Natives geboren wurden und sich automatisch mehr Zeit für ihre Mobiltelefonkommunikation nehmen müssen.
Ein guter Bekannter, Jahrgang 1966, hat sich mit Mitte 40 das Schreiben und Gitarrespielen mit der linken Hand beigebracht. Respekt! Allerdings wurde er in der Volksschule gezwungen, mit der rechten Hand zu schreiben, obwohl er als Linkshänder geboren wurde. Wenn er von seiner Schulzeit erzählt, erwähnt er auch, wie sehr ihn das Umlernen fertig machte. Auch ich merke schnell, wie ein Tag mit links vieles verkompliziert und das Umdenken müde macht. Unvorstellbar, dass mir jemand befiehlt, von nun an alles mit der linken Hand auszuführen. Und gut, dass die Pädagogen heute keinen bzw. deutlich weniger Druck mehr auf Linkshänderkinder ausüben.
Links liegen gelassen
Was mir auch auffällt, ist die sprachliche Bevorzugung der Rechts- bei gleichzeitiger Abwertung der Linkshänder. Die einen sorgen als rechte Hand ihrer Chefs fürs rechte Maß und bleiben somit auf dem rechten Weg. Die, die linksherum kommen, von der vermeintlich falschen Seite, werden als link links liegen gelassen. – Tags darauf übrigens wieder mit dem rechten Fuß aufgestanden, sonst wäre das hier nie erschienen.
Von links auf rechts: Julia Pfligl
Sehen Sie die Schrift im Titelbild? Ziemlich verwordagelt, würden wir zuhause auf dem Land sagen – wurde ja auch mit der "schwachen Hand", in meinem Fall die rechte, geschrieben. Das Problem ist nur: mit der Linken wären die Buchstaben auch nicht gerader. Seit ich denken kann, ist Schreiben eine Qual für mich (also mit der Hand, sonst hätte ich einen anderen Beruf gewählt). Sobald ich einen Stift halte, rollt sich meine Hand seltsam nach innen, verkrampft und fabriziert Buchstabenungetüme, die sonst nur tollpatschige Taferlklassler hinbekommen. (Nach der Deutsch-Matura war ich sicher, ich brauche eine neue. Hand, nämlich.) Manchmal muss ich Postkarten nach dem Urlaub vorlesen, weil die Empfänger meine Linkshänderklaue nicht entziffern können. Selbst die frühen Bemühungen meiner Pädagoginnen-Mutter ("Ich hab’ dir eine Linkshänder-Füllfeder/-Schere/-Maus mitgebracht!") änderten nichts an meinem Elend.
Ich schreibe nun also erstmals mit rechts – und wundere mich plötzlich nicht mehr, dass 90 Prozent der Menschen das so praktizieren. Zu sehen, was man geschrieben hat, und es nicht sofort wieder zu verschmieren, ist ein völlig neues Gefühl für mich. Ich denke an all die Geburtstagskarten, die ich über die Jahre kübeln musste, weil sie nach dem Schreiben wie ein Aquarell aussahen, und erwäge kurz, doch noch auf rechts umzusteigen.
Auch andere Alltagstätigkeiten fühlen sich "mit der schönen Hand" logischer an: schneiden mit einer fremden Schere, etwa. Normalerweise kann ich damit nicht einmal Preisschilder abtrennen. Das Schlimmste im Linkshänder-Kosmos sind aber diese Kaffeehäferl, deren Griff so geschwungen ist, dass man ihn nur mit rechts halten kann. (Ist Ihnen noch nie aufgefallen. Ich weiß.) Auch das funktioniert nun – wenn auch wackelig.
Knackpunkt Messer
Dann, beim Mittagessen, stoße ich doch noch an meine Grenzen. Dabei will ich nur meinen Salat essen – mit dem Messer in der rechten Hand, wie man das halt so macht. Plötzlich setzt mein Gehirn aus, ich halte inne, wechsle nochmal auf links, weil ich nicht mehr weiß, ob das Messer vor oder hinter die Gabel gehört. Mir wird schwindelig, meine Kollegen schwanken ob der Totalverwirrung zwischen Belustigung und Sorge. Was soll ich sagen: Satt bin ich an meinem Rechtshändertag nicht geworden. Aber um einige Erfahrungen reicher.
Umgelernte Linkshänder
Linkshänder benutzen bevorzugt die linke Hand, insbesondere bei Tätigkeiten mit nur einer Hand, die nicht durch Erziehung geprägt sind. Lange wurden sie auf die rechte, kulturell oder historisch als besser bewertete Hand umerzogen. Dies hat bei vielen physische und psychische Probleme hervorgerufen.
Linkshändertag
Der Internationale Linkshändertag findet seit dem Jahr 1976 am 13. August statt. Er wurde vom betroffenen US-Amerikaner Dean R. Campbell ins Leben gerufen. Campbell gründete bereits ein Jahr zuvor die Organisation „Lefthanders international“, um auf die Bedürfnisse und Probleme der Linkshänder hinzuweisen.
Zur Feier des Tages
Auch heuer lädt der engagierte Selbsthilfeverein LinkeHand zur Feier des Linkshändertags ein. Schon heute Abend findet die Veranstaltung im Uni-Campus des Alten AKH statt. Zentrales Anliegen des Vereins ist es, den Informationsstand zum Thema Linkshändigkeit zu erhöhen: www.linkehand.at.
Berühmte Linkshänder
Leonardo da Vinci, Michelangelo, Rubens, Pablo Picasso, Wolfgang Amadeus Mozart, Ludwig van Beethoven, Heinrich Heine, Mark Twain, Franz Kafka, Muhammad Ali, Björn Borg, John McEnroe, Martina Navratilova, Pelé, Maradona sowie vier US-Präsidenten seit 1981: Reagan, Bush sen., Clinton, Obama.
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