Rennrad statt Porsche: Die neuen Luxus-Radler
Behutsam tröpfelt Bernd Lehner etwas Schmieröl mit einer Pipette auf die Fahrradkette. Ein süßer Erdbeerduft steigt in die Nase. Danach sprüht er einen Schutzfilm auf das E-Mountainbike. Vanillegeruch durchströmt den Garten. „Die Produkte sind gleichzeitig auch Parfüms fürs Fahrrad“, erklärt der 40-jährige Familienvater und lacht.
Mit diesem Rad-Fetisch ist er nicht allein: Ausgefallenes Zubehör flutet derzeit den Markt – so wie jenes von „Muc-Off“ oder der österreichischen Marke „Woodman’s Finest“, die Shampoo und Mango-Sirup für Radketten vertreibt. „Am Samstag wird ausgefahren, am Sonntag steht die Pflege am Programm. Man liebt sein Bike eben“, so Lehner über sein Ritual.
Mit jedem neuen Rad gönnt sich der Downhill-Fan eine bessere Ausführung. „Es wird automatisch teurer, weil man sich mit der Zeit besser auskennt und Hochwertigkeit zu schätzen lernt.“
5.300 Euro hat seine neueste Errungenschaft eines spanischen Herstellers gekostet. „In ein, zwei Jahren muss dann wieder ein Neues her“, bekennt der Mountainbiker.
12.000 Euro für ein Rad
Auch wenn der Verkauf von hochklassigen E-Mountainbikes gerade kräftig steigt, noch größere Summen werden bei Rennrädern ausgegeben, beobachtet Mike Hornek, Berater bei Mountainbiker.at in Weiden am See im Burgenland: „Im Rennradbereich geht es noch teurer und schicker zu. Wir verkaufen immer mehr High-End-Produkte.“
Es komme nun öfter vor, dass sich ein Kunde eine Luxusvariante um 12000 Euro zulegt und für seine Frau die etwas günstigere Ausführung um 8000 Euro dazukauft. „20000 Euro investiert ein Paar dann schon mal für neue Räder.“
Die Marke Specialized gilt als Apple der Fahrräder: Das S-Works Venge des kalifornischen Herstellers gibt es um 11.299 Euro.
Der exklusive Shop „Veletage“ offeriert Rad-Maßanfertigungen – unter anderem mit Rahmen des italienischen Herstellers 3T.
Sehr hip: Rennräder, mit denen auf Schotterstraßen (Gravel) gefahren werden kann. Gravel E-Bike von Desiknio.
Porschefahrer steigen auf Rad um
Martin Zeiler, Besitzer von Roadbiker – eines der größten Fahrradgeschäfte in Wien – bestätigt dieses Phänomen: „Das Rad hat das Auto als Statussymbol abgelöst. Männer, die sich gerne mit Rolex und Porsche zeigen, steigen jetzt auf Sportuhr und Rad um. Das bringt gleich mehrere positive Aspekte: Sie halten sich gesund, haben ein cooles Image und das Ganze ist auch noch umweltfreundlich.“
Mamil mögen es teuer
Vom Boom des sogenannten Mamil – middle-aged man in lycra (dt: Mann mittleren Alters in Lycra) – wird schon seit einigen Jahren berichtet. Jetzt aber spielt auch die Ästhetik der Räder und Sportkleidung (die meist aus Lycra besteht) eine immer wichtigere Rolle. Die Mamils sorgen nach England, Australien und den USA auch hierzulande für neue Absatzmärkte.
Zeilers Top-Räder (S-Works) der Marke „Specialized“ gibt es ab 8500 Euro. 16 Stück hat er davon in den vergangenen Monaten verkauft. „Ein Kunde hat mir kürzlich erklärt: ,Wenn ich mit meinem S-Works vorfahre, ist das, wie wenn ich mit meinem Porsche unterwegs bin.’“
Der Stil hält Einzug
Damit auch das Outfit zum exklusiven Carbon- oder Titanium-Bike passt, liefern Marken wie „Rapha“, „Café du Cycliste“, „MAAP“, die Österreicher „BBUC“ oder „Pas Normal Studios“ stylishe Trikots und Bib-Shorts (Radlerhosen) um stolze Preise.
Mit Werbelogos übersäte Leiberl in Knallfarben, die noch vor einigen Jahren das Straßenbild geprägt haben, sind heute immer seltener zu sehen.
Trikot von Rapha um 135 Euro
Typische Radfahrercaps mit kleinem Schirm - von MAAP
Typische Radfahrercaps mit kleinem Schirm - vom heimischen Hersteller BBUC
Gedeckte Farben, schlichtes Design: Pas Normal Studios
Pas Normal Studios
Das gut situierte Klientel sei auch Grund für den neuen Anspruch an die einst als uncool belächelten Radler-Outfits, ist sich Zeiler sicher. „Wenn diese Typen im Alltag Brioni Anzug tragen, wollen sie beim Radfahren natürlich kein Trikot mit Bier-Logo anziehen. Auch deswegen hat sich ein neuer Markt für hochpreisige Radkleidung entwickeln können.“
Exklusives bei Veletage in Wien
Wer es ganz exquisit mag, ist bei Kurt Stefan an der richtigen Adresse. Ihm gehört das Veletage in Wien, ein Tempel für maßgefertigte Rennrad-Schuhe (ab 990 Euro, inklusive eingesticktem Namen) und Rennräder.
„Schnell und schön muss es sein. Schnell alleine reicht nicht, schön alleine aber auch nicht.“ Seine ausgesuchte Ware bezeichnet der 52-jährige Marketing-Spezialist als „Velocouture“.
Kunsthandwerk
Der gebürtige Kärntner hat schon als Jugendlicher in seinem Rennradverein bemängelt, dass die Trainingsoutfits alles andere als modisch sind. „Ab 2010 bin ich regelmäßig nach London geflogen und habe bei Rapha eingekauft, wo es die ersten coolen Trikots und Hosen gab.“
2015 hat er schließlich seinen eigenen Shop auf der Praterstraße eröffnet. Seither gibt es neben hipper Rad-Garderobe, schicken E- und Gravel-Bikes auch Custom-Räder zu kaufen. „Rahmenbau ist Kunsthandwerk. Es wird auf den Millimeter genau gearbeitet, nachdem wir mit sechs Kameras und einem 3D-Verfahren die Bewegungen des Kunden analysiert haben.“ Der Sportfreak besitzt selbst übrigens fünf Luxus-Räder: „Aber ein Rad hat man immer zu wenig.“
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