"Wir fahren nach Venedig! Kennst du ein nettes Lokal?"
Die Frage im Titel war in den vergangenen siebzehn Jahren, in denen ich hauptberuflich in meiner Wien-Version einer venezianisch/triestinischen Weinbar meine Gäste mit Rezepten aus dem Veneto bekochte und mit charaktervollen Weinen verwöhnte, eine der mir meistgestellten. Dicht gefolgt von: „Hast du einen passenden Hoteltipp?“
Und meist hatte ich. Von vielen meiner Stammgäste wusste ich exakt über deren kulinarische, kulturelle Vorlieben und finanzielle Schmerzgrenzen in Sachen Genuss Bescheid und konnte immer eine stimmige Adresse für die lukullische Horizonterweiterung oder für eine charmante Übernachtungsstätte beisteuern.
Dass Venedig mehr kann als Rialto und Markusplatz, habe ich in meinen Büchern über die Serenissima, die mich bis in die abgelegensten Winkel der venezianischen Lagune führten, ausführlich beschrieben. Im kommenden Jahr werden es nun fünfundzwanzig Jahre, in denen ich als Forscher, Beobachter und vor allem als Genießer in der venezianischen Lagune unterwegs bin. Meist unternahm ich die besinnlichen Trips in das Innere Venedigs auf eigene Faust, doch die Krönung waren immer die Touren, in denen ich von den einheimischen Begleitern zu Orten geführt wurde, die ich allein nie gefunden hätte.
Mittlerweile finde ich selbst bei dichtem Nebel die Stelle, wo bei Niedrigwasser die schmackhaften Lagunen-Aale morgens aus ihren Verstecken hervorkommen, um von den Fischern abgepflückt zu werden. Aale, die bereits eine Stunde später auf dem Fischmarkt in Rialto als Tagesfang angeboten werden, um nur kurze Zeit darauf in den umliegenden Osterien als Mittagstisch auf den Tellern zu landen.
Ich kenne die genaue Anzahl der Paddelschläge, die in den Teil der südlichen Lagune führen, wo die Pellestrina-Muschel veredelt wird, aber auch wo sich in der Laguna Morta die gut bewachten Unterwasser-Zuchtplätze für die heiß begehrten und exorbitant teuren Moeche (Weichschalenkrebse) befinden.
Und ich hatte sogar die Ehre, bei der täglichen Routine anwesend zu sein, bei der fachkundige Fischerhände den Reifegrad der begehrten Delikatesse ertasten, die zweimal im Jahr Saison hat und nur in ausgewählten Lokalen zubereitet wird.
Wolfgang Salomon: „Genießen in Venedig“ erschienen im Styria Verlag, 192 Seiten, 29 Euro
„Genießen in Venedig“ ist nun das Ergebnis einer intensiven Genussrecherche, die mich durch jedes Sestiere der Stadt, hinaus zu den Inseln Murano, Mazzorbo, Burano, Torcello und bis zum Lido und Pellestrina führte. Ein Jahr lang habe ich mich vom urigen Markttschocherl, in dem die Herren bereits zur morgendlichen Stunde den ersten Ombra zum Stockfisch-Brötchen schlürfen, bis zum sternedekorierten Luxus- Gourmet-Tempel durch das kulinarische Angebot der Serenissima durchgekostet. Ich wurde dafür mit reichlich Hüftgold belohnt, weiß aber nun auch, wo Early Birds vor Sonnenaufgang ofenwarme Brioche mit Pistazienfüllung (Bar Redentore) zur ersten Koffein-Infusion genießen können, wer in Venedig sardische Küche auf die Teller bringt, in welcher Ecke ausschließlich vegane Speisen angeboten werden, wo der Chef zu venezianischen Gstanzln selber in die Saiten greift (Ristorante Giorgion), in welchem Sestiere das beste Eis über die Theke wandert (Gelateria Artisan), und kenne die Adresse für soulige Lagunen-Currys (Buddha Soul Resto), die ganz im Zeichen der Nachhaltigkeit stehen.
Conclusio: Venedig kann auch in kulinarischer Sicht weit mehr als klassische Lagunenküche. Sie werden überrascht sein! Großes Genießer-Ehrenwort.
„Osteria Enoteca San Marco“: Nur einen Steinwurf vom Museo Correr entfernt, bietet sich diese Osteria für einen mittäglichen vinophilen und kulinarischen Höhenflug an, bevor man sich wieder in die durch die engen Gassen rund um San Marco ziehenden Touristenströme einreiht. osteriasanmarco.com
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