Winzer Brustbauer im Weinkeller
Interview

Weinbau im Wandel: Winzer Brustbauer über seine unorthodoxen Ideen

Für Weinbauern geht es immer um Balance. Max Brustbauer zum Beispiel versucht in der Wachau, das Gleichgewicht aus fünf Generationen und teils gewagten Ideen zu finden.

Irgendwann reifte der Entschluss in Max Brustbauer, dass das Familienweingut auch in fünfter Generation bestehen bleiben soll. Also ist der Journalist und Filmemacher nach über neunzehn Jahren in Wien 2021 zurück in die Wachau gegangen. Seinen ersten Wein hatte er schon 2016 gemacht, nach und nach hat er alle Ausbildungen vom Facharbeiter bis zur Bio-Zertifizierung absolviert. Heute versucht er, mit seiner Frau Kathi alte Werte hochzuhalten – aber auch viel Neues in den Weingarten zu bringen.

KURIER Talk mit Winzer Max Brustbauer

KURIER: Was steht für einen „Heimkehrer“ im Fokus: Das Traditionelle wiederbeleben oder etwas besonders Schickes zu machen?

Max Brustbauer: Wir wollten das Weingut wieder auferstehen lassen, meine Eltern hatten den Betrieb 2015 ja mit ihrer Pension still gelegt. Und wir wollten den ursprünglichen Charakter haben, also so viel wie möglich selbst machen in den Weingärten. Wir arbeiten an sich ohne Angestellte, nur bei der Lese und im Service beim Heurigen haben wir Helferinnen und Helfer. Aber auch bei dem wird vor allem Selbstgemachtes angeboten, wir bauen zum Beispiel viel Gemüse selber an.

Solche Vorhaben brauchen einen langen Atem. Funktioniert das Konzept denn?

Seit vorigem Herbst merken wir, dass die Gäste unsere Konstanz jetzt wahrnehmen und schätzen. Am Anfang wurde hier sicher geredet: Wie lange wird es die geben, die machen ja was anderes, da gibt es auf einmal keinen Almdudler, sogar die Säfte machen sie selber. Das ist unorthodox und beschwerlicher, aber auch sehr befriedigend. Und jetzt verbinden uns die Leute mit Werten, die wir für uns definiert haben, wie die Wertschätzung vor dem, was die Generationen meiner Familie davor geleistet haben. Ja, wir wollen das wirklich bis zur Pension durchzuziehen.

Interview auf dem „Wachau-Wahrzeichen“ Trockensteinermauer.

Interview auf dem „Wachau-Wahrzeichen“ Trockensteinermauer.

©Halbhuber Axel

Dabei ist der Weinbau in der Wachau beschwerlich, Stichwort steile Hang-Lage und die UNESCO-geschützten Trockensteinmauern – die zementfreien, geschichteten Mauern hier.

In der Regel halten die eh lang, nur bei starkem Regen kann es sein, dass sie ein bisschen abrutschen. Wenn man sie immer alle ständig neu errichten müsste, würde es sie nicht mehr geben, aber sie stehen ja schon über Jahrhunderte.

Trotzdem muss man sich das Wissen darum recht mühsam aneignen, oder?

Das Mauern hat mir meine Mutter beigebracht, zuerst im Garten in der Ebene geübt, ohne steilen Hang, sondern wirklich nur Steine schlichten, zusammenschlägeln und mit kleinem Schotterwerk stabilisieren. Außerdem lese ich viel in den Tagebüchern all der Generationen, die seit 1885 am Hof waren. Da sind Notizen, wie viel wir aus welchen Weingärten geerntet haben, Jahr für Jahr. Ich weiß so auch, wann sie wo geschnitten haben, wie das Wetter war oder wie sie im Keller gearbeitet haben.

Info

Weingut
In Oberloiben 2 (neben Dürnstein) will Max Brustbauer den Wein auch erlebbar machen – daher gibt es neben dem Heurigen samt Liegewiese auch Rieden-Wanderungen, Konzerte, Sommerkino, Terrassen-Trinken samt Pizzaofen und Wein-Workshops. Alle Termine sowie die Wein-Philosophie des Winzerpaars findet man auf Instagram, Facebook und der Website brustbauer.at

Und schreiben Sie jetzt auch Tagebücher?

Ja, ich schreibe jetzt wieder mit. Wir bauen ja zum Beispiel jetzt eine Pergola im Weingarten, (Anm.: die Weinreben werden dabei als Dach über den Riedengang gezogen, siehe Video), da hängen die Trauben unter dem Laubdach. Dadurch bleiben sie um bis zu drei Grad kühler und die Säure soll erhalten bleiben. Aber wir müssen über Kopf arbeiten, das ist dann auch in der Ebene so beschwerlich wie sonst nur auf den Terrassen.

Hintergrund dabei ist natürlich der Klimawandel: Weingärten sind ja bewusst zur Sonne ausgerichtet, ist das heute für Trauben zu warm?

Früher war ja der Vorteil, dass die Steine warm werden, heute ist es oft zu warm. Anfangs haben wir deswegen Bäume zur Beschattung in die Weingärten reingepflanzt. Denn eine große Herausforderung aufgrund des Klimawandels ist eben die durchschnittliche Säure: Wir sehen an den Aufzeichnungen der Qualitätsprüfung, wie die Säure in den vergangenen fünfzehn Jahren runtergegangen ist. Wir arbeiten aber ohne jede Schönung und wir säuern nicht auf, es kommt bei uns nichts dazu. Deswegen kaufen wir jetzt Weingärten in den kühlen Seitengräben. Oder versuchen eben mit Pergola oder Bäumen zu beschatten.

Kann man in der Verarbeitung auch etwas ändern?

Es hilft, dass wir nur noch quetschen (statt zu pressen, Anm.), wir verwenden nur den Seihmost. Da hat man dann ein bisschen mehr natürliche Säure, aber wieder: Es ist nicht einfacher, den Wein so zu machen, trotzdem ehrlicher und in einem Stil, der zu meiner Frau und mir passt. Wir kreieren den Wein nicht, wir sehen uns mehr als sein Begleiter und sind froh, wenn er aus demselben Weingarten in unterschiedlichen Jahren unterschiedlich schmecken kann. Wir versuchen nicht, den Geschmack immer so hinzutrimmen, dass wir jedes Jahr die gleiche Geschmacksmarke verkaufen. Das macht es natürlich wieder schwieriger, weil wir Kundinnen und Kunden erklären müssen: Heuer schmeckt er aber so, weil ...

Aber das hat nichts mit Orange-Wine zu tun, oder?

Wir filtrieren am Schluss, bis zum Tag des Abfüllens sind unsere Weine unfiltriert. Es gibt Zertifizierung-Labels, von „Bio“ bis „nachhaltig“. Wir bauen aus vielen davon jene Wein-Stilistik, die meine Frau und ich präferieren.

Apropos Stil: Bis zum Errichten des Schutzdamms haben Sie oft Hochwasser im Keller gehabt. Aber Sie haben die Flaschen, die früher im Wasser waren, nicht einfach weggeschmissen.

Nein, das ist unsere Marke „Verkommen“. Aber man muss das nüchtern sehen: Was Gutes ist gut, was Schlechtes wird verkocht. Aber da liegen viele gute Sachen im Keller, sie sind zwar mit Donau-Sand bedeckt, aber besonders. Und weil ich ja schon als Kind im Weingarten mitgeholfen habe, weiß ich: Für jede Flasche, die da liegt, hat jemand viele Stunden geleistet. Wenn ich das einfach wegschmeiße, wäre es eine Minderschätzung. Auch für meine Zukunft.

Axel Halbhuber

Über Axel Halbhuber

Ich habe mir unter den Zweigen des Schreibens den Journalismus ausgesucht, um nicht über mich schreiben zu müssen. Und jetzt schreibe ich hier Zeilen zu meiner Vita. Es gibt im Leben Wichtigeres, das es zu beschreiben gilt. Eben das macht diesen Job spannend: gestern ein Interview mit den Klitschko-Brüdern, heute eine Reportage in einem Dorf für Demenzpatienten, morgen das Porträt über die wahre Biene Maja. Leben ist Vielfalt, auch das Berufsleben. Daher habe ich im Journalismus vieles gemacht: Wirtschaftszeitung bis Männermagazin, Online-Ressortleitung bis Gratismedium-Chefredaktion, Sportressort bis Societymagazin, Österreichwanderung bis Weltreise. Und bei aller Vielfalt ist das Reisen doch zu einem Steckenpferd geworden, auch durch meine Bücher „Ich geh dann mal heim“, „Einfach eine Weltreise“ und "Reisen ist ein Kinderspiel". Aber am wichtigsten war die Biografie über Helmut Kutin: "Wie aus einer zerstörten Kindheit ein gutes Leben wurde." Das muss wirklich jeder lesen!!!!

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