Zwei Shinkansen-Hochgeschwindigkeitszüge stehen an einem Bahnsteig in Tokio.
Japan

Von Nagoya nach Tokio: Das Erlebnis Shinkansen mit 300 km/h

Das Land ist stolz auf seinen Hochgeschwindigkeitszug Shinkansen. Wie fährt es sich in den weltberühmten „Bullet Trains“? Ein Erlebnisbericht.

„Der Zug“, ruft der Guide und bekommt dabei einen hochroten Kopf, „hat fünf Minuten Verspätung.“

Dem Japaner, der die österreichische Reisegruppe zum Bahnhof der Hafenstadt Nagoya gebracht hat – sie befindet sich auf der Insel Honshu –, ist die Situation sichtlich peinlich.

Denn eigentlich kommt der Shinkansen, der japanische Hochgeschwindigkeitszug, der mit mehr als 300 Kilometern pro Stunde durch Nippon rast, so gut wie nie zu spät. Im Durchschnitt beträgt die Verspätung pro Zug weniger als eine Minute – pro Jahr. Eine Statistik, die ein ganzes Volk stolz macht.

Wie ein Raubvogel

Dann kommt er doch. Handys werden gezückt, um Fotos zu machen – von jenem Transportmittel, das mit seiner aerodynamisch geformten Nase wie ein Raubvogel im Sturzflug aussieht.

An diesem Maitag geht es in die Hauptstadt Tokio. Die Fahrzeit wird ohne Umsteigen etwas mehr als eineinhalb Stunden betragen.

In den Waggons sieht man gleich, dass der Shinkansen schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel hat. Tatsächlich nahm die japanische Staatsbahn JNR den Hochgeschwindigkeitsverkehr zwischen den Metropolen Tokio und Osaka bereits im Jahr 1964 auf. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 210 Stundenkilometern fuhren die sogenannten „Bullet Trains“ (Geschoss-Züge) auf der ersten, 515 Kilometer langen, normalspurigen Tokaido-Schnellfahrstrecke.

Begehrte Technologie

Der Begriff „Shinkansen“ bedeutet wörtlich „neue Hauptstrecke“ und war ursprünglich die Bezeichnung für eben diese Schnellfahrstrecke. Heute meint man mit „Shinkansen“ die Superzüge selbst.

Die Technologie, die in diesen Zügen steckt, wurde bereits nach Indien und Taiwan exportiert.

Angenehme Ruhe

Was im Inneren der Waggons sofort auffällt, sind die großen Sitze mit enorm viel Beinfreiheit. Hier lässt sich die Reisezeit bequem verbringen. Mehr als nur gewöhnungsbedürftig sind hingegen die Pissoirs: Man kann sie nicht absperren, durch ein kleines Fenster sieht man jedoch, ob sie belegt sind.

Dann fährt er los – es geht nach Tokio. Durch die Stadt rollt der Zug noch ganz bedächtig und ruhig, es ruckelt kaum. Doch dann macht er Tempo: Immer schneller zieht die Landschaft an einem vorbei. Pfeilschnell ist die Garnitur unterwegs – für die Passagiere aber kaum merkbar.

Ein Großteil der Fahrt erfolgt auf diesem Abschnitt oberirdisch – viel Zeit, um Eindrücke zu sammeln. Bestechend sind zudem die leisen Innenräume, was aber auch am ruhigen Gemüt der Japaner liegen könnte. Laut sein oder sich auffällig verhalten wird dort oft als rücksichtslos oder egozentrisch empfunden, weil es die soziale Harmonie stören könnte – da könnten sich hierzulande manche Passagiere ein Beispiel nehmen.

Sicher kommen wir am Bahnhof in Tokio an. Apropos Sicherheit: Auch hier sticht der Shinkansen aus der Masse heraus. Seit seiner Inbetriebnahme ist es noch zu keinem Unfall mit Todesfolge gekommen.

Johannes Weichhart

Über Johannes Weichhart

Nach dem Abschluss der Fachhochschule für Informationsberufe im Burgenland als Reporter beim KURIER gestartet. Seit 2003 in der Landeshauptstadt St. Pölten und darüber hinaus auf der Jagd nach guten Geschichten. Zudem Autor der Kolumne "Auf den Punkt gebracht". Hobbys: Lesen und Reisen.

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