
Sieben Jahre Freiheit: Eine Salzburger Familie reist um die Welt
Eine Salzburger Familie tauscht ihre sichere Existenz gegen ein Leben unterwegs und umrundet in einem Lkw die gesamte Erde. Eine Reise, die sie für immer verändert.
Das Gefühl, in Routinen festzustecken, beschleicht sehr viele Menschen zu unterschiedlichen Zeitpunkten. „Einfach mal weg“, denkt man sich dann gern – und bucht zwei Wochen Urlaub in dieser entzückenden und gar nicht touristischen Pension in Apulien oder wagt zur Abwechslung eine Fernreise. Und in letzter Zeit wurden Sabbaticals zu einer Art Mini-Trend, man nimmt sich eine Auszeit für ein paar Monate oder gar ein Jahr ...
Aber ganze sieben Jahre unterwegs? So lange benötigten Maria und Leander mit ihrem gemeinsamen Sohn Lennox, um die komplette Welt zu umrunden.
Die Reise führte sie von Salzburg über die Balkanroute, durch die Türkei und den Iran, über das Kaspische Meer nach Kasachstan. Sie fuhren die alte Seidenstraße entlang, überquerten den Pamir Highway – die zweithöchste Fernstraße der Welt –, gelangten nach Russland, durchquerten die Weiten Sibiriens, setzten per Fähre nach Südkorea über, erkundeten Japan, Indonesien, dann Australien. Später: die USA, Kanada, Mexiko. Und schließlich: zurück nach Europa. Nach Hause?

Eine Familie umrundet die Welt. Maria, Leander und ihr Sohn Lennox. Er war vier Jahre alt, als die Reise begann - und beinahe zwölf, als sie endete
©Leander NardinÜber ihre Abenteuer haben sie heuer ein Buch mit faszinierenden Storys und atemberaubenden Fotos herausgebracht: „Life on the Road“. Leander war Fotograf, bevor er und Maria ihre Jobs aufgaben, sich von allem lösten, was sie an ihre Heimat Salzburg band. Und in ihrem umgebauten Mercedes-Truck losfuhren.
„Aber wir sind nicht mit dem Vorsatz aufgebrochen, sieben Jahre um die Welt zu reisen. Ursprünglich wollten wir in einem Jahr von Österreich nach Neuseeland – doch unterwegs fügte sich alles anders“, erinnert sich Maria heute.
Die Dimension, die ihre Reise dann tatsächlich annahm, verdeutlicht sich am drastischsten wenn man sie mit ihrem Sohn in Beziehung setzt: Lennox reiste als vierjähriges Kind ab und kam als knapp 12-jähriger Beinahe-Teenager zurück.
Die Welt als Schule
„Lennox hat den Großteil seines Lebens als Nomade verbracht, für ihn war es völlig normal, jeden Tag an einem neuen Ort aufzuwachen, neue Kulturen zu entdecken und Teil des großen Ganzen zu sein“, erklärt seine Mutter.
Schon auf dem Buch-Cover sieht man den weiß-blauen Mercedes-Truck, 50 Jahre alt, kantig, verlässlich. Früher war er ein Grenzschutzfahrzeug. Heute trägt er den Namen „Akela“ – wie der Wolf in Rudyard Kiplings Dschungelbuch.
Er wurde zum Zuhause für die Familie aus Salzburg. „Akela“ war mehr als ein Fortbewegungsmittel – er war Rückzugsort, Schutzraum, Esszimmer, Klassenzimmer. Der Umbau: durchdacht, reduziert, robust. Solarzellen, Wassertanks, Arbeitsplätze, Stauraum. „Du wirst ganz automatisch minimalistischer“, sagt Maria. „Du merkst, wie wenig du brauchst. Und wie viel Raum entsteht, wenn du Dinge weglässt.“

Fahrt mit spektakulärer Aussicht: Auf der „Sea Cliff Bridge“ über dem Pazifischen Ozean von Sydney nach Wollongong
©leander nardinLennox wuchs auf mit Aussicht auf Berge, Wüsten, Wälder. Er lernte, wie man Feuer macht, Wildtiere erkennt, Grenzposten durchquert. „Er hat gelernt, sich in der Welt zu orientieren, nicht in einem System“, sagt Leander. Unterricht fand unterwegs statt – mit digitalen Lernplattformen, mit lokalen Lehrerinnen, mit dem Leben selbst.
Einmal durchquerten sie Sibirien bei minus 40 Grad. In Indonesien begegneten sie fliegenden Hunden, in Japan übernachteten sie auf Parkplätzen zwischen stillen Tempeln und Automaten, die warme Suppen ausspucken. In Australien verbrachten sie ein ganzes Jahr, schliefen in der Wildnis, beobachteten Echsen und Emus.
Hatten sie nie Angst? Gab es keine brenzligen Situationen, ausgewachsene Gefahren?

Wo Touristen fliegen: Heißluft-Ballone über der bizarren Felslandschaft Kappadokiens in der zentralen Türkei
©leander nardin„Wenn mit brenzligen Situationen Einbrüche, Überfälle oder lebensbedrohliche Notfälle gemeint sind: In all den Jahren gab es keinen einzigen Moment, in dem wir wirklich um unser Leben fürchten mussten“, gibt Maria Entwarnung für alle potenziellen Weltumrunder.
Außer natürlich dieses eine Mal, als eine Fähre in Indonesien beinahe untergegangen wäre. Auch etwas unangenehm war sicher der Tag, an dem sie auf Borneo mit Drogenkurieren verwechselt wurden. „Was zu guter Letzt aber sogar eine lustige Wende nahm“, erklärt Maria rückblickend doch überraschend heiter.
Herausfordernde Situationen erlebten die drei allerdings zur Genüge. Als sie unter einer glühenden Sonne ihren Lkw in den Wüstendünen „versenkten“ und ihn stundenlang freischaufeln mussten, während ein Sandsturm anfing zu toben.
Wenig später stellten sie einen Getriebeschaden am Fahrzeug fest, kurz darauf einen Motorschaden – und als wäre das nicht genug, wurde beim versuchten Grenzübertritt das Visum für Turkmenistan abgelehnt, was die Familie zu einem 3.000 Kilometer langen Umweg zwang. „Grenzen schlossen plötzlich ihre Pforten vor uns“, erinnert sich Leander, „und oft waren es nicht die großen Abenteuer, sondern Bürokratie und unerwartete Reparaturen, die uns an den Rand der Verzweiflung brachten.“
Doch auch diese Momente, die Rückschläge und Hürden machten die Reise zu dem, was sie war: „Eine intensive Erfahrung, die uns als Familie wachsen ließ“, sind sich Leander und Maria einig.
Und was vor allem bleibt, sind die positiven Erinnerungen, die Begegnungen mit Menschen, so unterschiedlich und auf der ganzen Welt verstreut, und doch mit vielen, essenziellen Gemeinsamkeiten. „Am meisten hat uns die tiefe Erkenntnis berührt, dass Menschen weltweit – unabhängig von Hautfarbe oder Herkunft – im Herzen gut sind und wir alle nach denselben grundlegenden Bedürfnissen streben. Das hat uns Mut gemacht und gezeigt, wie verbunden wir in Wahrheit alle sind, jenseits von kulturellen Unterschieden und geografischen Entfernungen.“

Ein optimistisches Tempo-Limit: Auf 50 Meilen kam „Akela“ im Outback kaum
©leander nardinLieblingsländer und -orte fand aber natürlich jeder der drei im Lauf der sieben Jahre. Fast zu viele, um sich in dieser Hinsicht eindeutig festzulegen. „Aber wir drei haben doch einen gemeinsamen Kontinent gefunden: Asien“, erklärt Leander.
Die Ruhe finden
Während Lennox Japan ganz oben auf der Liste hat, haben Maria und Leander „Zentralasien besonders ins Herz geschlossen. Orte, die uns Ruhe und eine tiefe Verbundenheit mit der Natur geschenkt haben“.

In Kirgistan wird noch mit Adlern gejagt. Sie beschützen aber auch die Herden ihrer Besitzer vor Wölfen
©leander nardinDas sieht man auch an Leanders Bildern. Es sind keine Postkarten, sondern Blicke, die hängen bleiben. Sie zeigen die Stille vor dem Aufbruch, das Gesicht eines kasachischen Hirten, den Staub unter den Reifen. Die Texte – knapp, klug, nah – werfen Fragen auf. Wie weit muss man fahren, um sich selbst zu begegnen?
Haben sie eine „goldene Regel“ für das Leben unterwegs? „Immer offen für das Unbekannte zu sein. Wir haben gelernt, dass Dinge nicht immer nach Plan laufen und gerade das Unerwartete oft die wertvollsten Erfahrungen mit sich bringt.“ Die Umstellung nach sieben Jahren Freiheit wieder „sesshaft“ zu werden, sei ihnen schwer gefallen, geben Maria und Leander zu.
Aber: „Unser Lastwagen steht vor dem Haus, bereit wie eh und je, und natürlich gibt es Momente, in denen die Versuchung groß ist, einfach einzusteigen und loszufahren.“
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