Geheimtipp in Rumänien: Schlafen, wo unser Fluss endet

Ein Mann und eine Frau stehen auf einem Segelboot, der Santa Marina in Sulina, Rumänien. Weiße Gartenmöbel an Deck
Das Naturjuwel Donaudelta ist bekannt, aber kaum jemand verweilt in Sulina. Das ist ein Fehler, wo es doch ein altes Piratenschiff gibt

Dies ist ein Geheimtipp. Er handelt von einem Ort, dessen Möglichkeiten der Tourismus noch nicht für sich entdeckt hat, aber er wird es tun. Dann wird es schwierig werden, eine der nur drei Kabinen auf der „Santa Marina“ buchen zu können. Aber Sie erfahren davon als Erste. Fast.

Sulina ist eine Stadt, wie sie eigentlich nur in Büchern vorkommt. In Romanen über einst prosperierende und nun verlassene Gegenden. Oder in Geschichtsbüchern. Denn in Sulina endete früher Europa, es liegt am Donaukilometer null, hier ergibt sich der Strom nach zehn Ländern und gut zweitausendachthundertfünfzig Kilometern dem Schwarzen Meer. Daher war Sulina früher eine kleine Weltstadt, oder besser: eine Stadt zwischen den Welten. An den Bruchlinien zwischen großen Reichen, dem byzantinischen oder dem osmanischen, zwischen den Donaukulturen und den Mächten im Osten. So wichtig war Sulina einmal, dass im 19. Jahrhundert die Europäische Donaukommission ihren Sitz hier hatte, samt hohen Beamten, die in bürgerlichen Villen lebten. Damals war hier ein großer Hafen und ein mondänes Leben.

Heute leben höchstens tausend Menschen ganzjährig in Sulina, das abgesehen von der Donaupromenade aus vier langen Straßen in Donaurichtung und Quergassen besteht. Die wenigen Autos und Taxis fahren in der stradă 3 oder stradă 5 Richtung Osten (und Meer) durch die Stadt, oder in der 2 und 4 nach Westen, so oder so ist man in fünf Minuten durch. Stradă 6 und 7 sind klein und ohne ausgewiesene Richtung. Die Menschen leben in ein paar Wohnblöcken in der ersten und zweiten Reihe oder kleinen Einfamilienhäusern dahinter, mit kleinen Gärten und Beeten für die Eigennutzung. Eine Handvoll von ihnen sind Polizist oder Polizistin, Lehrer oder Lehrerin, Krankenschwester, Hafenarbeiter. Viel Arbeit gibt es hier nicht. Außer im Tourismus. Aber der ist nur im Sommer. Und fast alle Touristen steigen über Sulina hinweg, von der Fähre oder ihrem Flusskreuzfahrtschiff direkt auf ein Ausflugsboot ins Donaudelta. Denn Sulina ist nur dafür berühmt. Womit wir wieder beim Geheimtipp wären.

Weißer Leuchtturm in Sulina/Rumänien im Donaudelta, Gebüsche und grünes Wasser rundherum

Es gibt bei Sulina vier Leuchttürme, hinter diesem historischen (17 Meter hoch) geht es am schnellsten ins Donaudelta. Das hat, zusammen mit dem Lagunenkomplex, 5.000  und ist damit nach dem Wolgadelta das zweitgrößte Flussdelta Europas. Die Wissenschaft glaubt, es ist etwa 13.000 Jahre alt

Da liegt ein Schiff

Dabei liegt das nicht an Sulina. Denn lässt sich der Reisende für ein paar Nächte auf die entlegene Stadt ein, die nicht am rumänischen Straßennetz angebunden ist und nur über den einen der drei Donauarme erreicht werden kann, findet er hier, was er überall auf der Welt sucht: Authentizität. Entspanntheit. Einen Ort zum Verweilen. Einen Strand am Schwarzen Meer, wo Einheimische an ein paar Kiosks Fisch auf Papptellern, rudimentäre Schwimmtiere und Bälle verkaufen. Hier ist es wie damals in Italien und Griechenland, bevor sich die Strandindustrie entwickelte. Nur an der Donaupromenade, wo die Delta-Boote liegen, ist ein bisschen was los.

Donaudelta bei Sulina/Rumänien, Wasser der Donau mischt sich hier mit dem Schwarzen Meer, kleine Insel im Hintergrund

Hier hört die Donau auf. Das Wasser mischt sich großzügig mit dem Schwarzen Meer, was ein Bad am Strand außergewöhnlich macht. Ebenfalls besuchen sollte man den alten Friedhof, wo sogar ein Pirat liegen soll, außerdem bietet Sulina einige Veranstaltungen. Das Visitor Center Sulina führt sogar einen Eventkalender

Seit einem Jahr hat Sulina, dessen Quartiere auch originell sind, einen angemessen Ort zum Schlafen. George und Andreea haben die Corabia Santa Marina hier fix vertäut. Corabia heißt auf Rumänisch Schiff und die Santa Marina ist mit ihrer Piratenoptik nicht nur hübsch, sondern hat wie Sulina eine wilde Geschichte erlebt: 1972 wurde sie in Ägypten vollständig aus Holz gebaut, um militärische Truppen und Material zu transportieren. Bald kaperten Piraten das Schiff und verkauften es weiter an einen griechischen Geschäftsmann. Der nannte das Schiff Andromeda und setzte es zwischen griechischen Inseln ein. In den 1990ern übernahm es ein bulgarischer Geschäftsmann und ließ es verkommen. Nur einmal wurde kurz der Scheinwerfer auf die Santa Marina gerichtet, als sie 2010 für den Film Conan (nicht der mit dem Arnie, sondern eine spätere Verfilmung) Kulisse sein durfte.

Anreise
Um Sulina zu erreichen, muss man nach Bukarest fliegen – oder mit dem Nachtzug hinfahren. Danach per Bus oder Auto bis Tulcea, dann weiter
mit der Fähre

Flusskreuzfahrt 
Alternativ dazu gibt es einige Anbieter von Donaukreuzfahrten (inkl. Sulina) ab Wien – am meisten von GTA Touristik

Santa Marina 
Das Holzschiff liegt zu Fuß 20 Minuten (machen Sie das!) vom Zentrum entfernt – mit dem Taxi sind es drei Minuten. 
Es gibt drei Kabinen (2 x 4 Betten, 1 x 2), mit Dusche, Shampoo, Handtüchern. Die Preise variieren etwas: ab 40 € (für 2 Personen) pro Nacht, mit Frühstück. Info und Buchung: siehe Facebook oder contact@yachtsantamarina.com

Ein Glück, dass sich vor drei Jahren George und Andreea in das Fastwrack verliebten. Sie kauften es und George segelte damit die Schwarzmeerküste entlang nach Norden – bis Sulina. Nach viel Arbeit ist die Santa Marina nun ein Schiffshotel mit zehn Betten in drei Kabinen, sehr eng, sehr original: „Wir haben alles zu hundert Prozent aus Holz erhalten“, sagt George sehr stolz. „Als Nächstes will ich den Segelaufbau restaurieren, dann können wir auch herumfahren.“ Derzeit fährt die Santa Marina nur per altem Mercedesmotor mit 200 PS – und nur in Ausnahmen.

Aber man sollte vielleicht ohnehin nicht so viel herumfahren. Man sollte verweilen.

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