Stubaier Gletscher: Wo der Winter fast nie zu Ende geht
Dichtes Schneegestöber, zweitausend Meter Seehöhe, die Unterarme brennen. Die Unterarme, nicht die Oberschenkel? Mitten in Österreichs größtem Gletscherskigebiet? Am Stubaier Gletscher in Tirol kein Widerspruch. Umringt von den „Seven Summits“, jenen sieben Gipfeln, die markant das Stubaier Landschaftsbild prägen, ragt bei der Bergstation Gamsgarten ein spitzer Eiskletterturm in die Höhe.
„Bis zur Spitze schaffen es beim ersten Mal die wenigsten“, ruft Bergführer Robert durch den pfeifenden Wind, während er das Anlegen der Steigeisen vorzeigt. Jetzt noch die Eispickel und los geht’s. Wichtig ist dem Bergführer zufolge, die Steigeisen wie lange Zehennägel von oben ins Eis zu rammen. „Und alle paar Meter eine Pause, sonst geht dir die Kraft aus.“
Sie reicht. Gerade noch. Nach zehn Minuten ist der Puls auf zweihundert, der Panoramablick ins grenzenlose Weiß den folgenden Muskelkater jedoch wert.
Die Schneemassen verblüffen umso mehr, wenn man zuvor aus dem schneearmen Innsbruck angereist ist. Wird das Stubaital erst einmal Richtung Gletscher passiert, scheint die Jahreszeit wie ausgewechselt. Dicke Äste biegen sich unter schweren, funkelnden Schneekristallen. Einziger Wermutstropfen: Die geplante Zwanzig-Minuten-Fahrt durch das idyllische Tal dehnt sich auf eine Stunde aus, wenn bei Schönwetter die Massen auf den Berg strömen.
Auf Messners Spuren
Steigeisen gegen Skier eingetauscht, erzählt ein Mann in der Gondel: „Das ist heuer mein erster Tag auf Naturschnee.“ Die anwesenden Einheimischen überrascht das nicht, ihr Hausberg gilt als schneesicheres Ganzjahresskigebiet. Warum die breiten Pisten nur teilweise präpariert sind, können aber auch sie nicht beantworten.
Während die Eisgratbahn, eine von Ferrari-Designer Pininfarina entworfene Kabinenbahn, schwebend das Tal hinter sich lässt, erfährt man dafür allerhand anderes: Die eben noch verwendeten Steigeisen und Pickel unterscheiden sich nicht groß von denen, die Reinhold Messner verwendet. Der Extrembergsteiger soll sich wie viele seiner Kollegen auf Ware aus dem Stubaital verlassen. Dort wurde einst Eisenerz abgebaut, das Schmiedehandwerk hat eine lange Tradition.
Bei der Bergstation angekommen, blinzelt die Sonne durch. Und der Magen knurrt. Gut, dass hier „Hochgenuss“ im wahrsten Sinne des Wortes wartet. Auf knapp dreitausend Meter Seehöhe betreibt David Kostner das Gourmetrestaurant Schaufelspitz. Damit hat sich der Tiroler drei Hauben erkocht – die höchsten Hauben der Welt.
Die Zubereitung von Beef Tatar und Hirschrücken kann man dank Showküche mit erstklassigen Weinen live verfolgen. Besonders gut schmecken die regionalen Schmankerln auf der windgeschützten Sonnenterrasse – sogar Skiläufern, die sich sonst zur Fraktion „Berner Würstel und Radler“ zählen.
Kein Schmarrn
Wer es rustikaler mag, wird in Stubai ebenfalls fündig. Neben dem Gletscher liegt das Tal den Skigebieten „Schlick 2000“, „Elferbahnen“ und „Serlesbahnen“ zu Füßen. Besonders Ersteres ist für urige Hütten bekannt.
Auf der südseitigen Galtalalm kommen zu Mittag wetterbedingte Frühlingsgefühle auf. Außerdem führt am Kaiserschmarrn kein Weg vorbei. Für diesen ist die Region bekannt, immerhin hielt das Haupttal der Stubaier Alpen mehrfach den Weltrekord für den größten Kaiserschmarrn. Zuletzt 2018 wurden in einer eigens angefertigten Pfanne dreihundertneun Kilo zubereitet. Tausende Eier machten die Mehlspeise besonders fluffig – ähnlich wie der Schnee, der einen nach der Stärkung auf der Piste erwartet. Und das von jetzt an bis weit in den Frühling.
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