Elefanten-Insel Sri Lanka: Im Reich der grauen Riesen

Pruthu senkt das Fernglas. „Da vorne ist einer“, sagt er und zückt seine Kamera. Knirschend kommt der Jeep am Rand der staubigen Straße zum Stehen. Dann herrscht, abgesehen vom Dauerkonzert der Zikaden, Stille. Bis ein Rascheln verrät, was Pruthu aus der Ferne gesehen hat: Im Dickicht, etwa zwanzig Meter von der Straße entfernt, neigt sich ein dünner Baum unfreiwillig zur Seite und ein gewaltiger Elefant schiebt sich an ihm vorbei wie an einem Bühnenvorhang.
Grau-braun steht der Riese da, flattert mit den Ohren. Stoßzähne hat er keine. „Ein Bulle“, sagt Pruthu trotzdem. „Woran erkennen Sie das?“, will jemand wissen. Kurz sind wieder nur die Zikaden zu hören. Pruthu zeigt auf den zweiten Rüssel des Elefanten und sagt: „An den Genitalien.“
Sri Lanka ist das perfekte Reiseziel für alle, die einmal Elefanten in freier Wildbahn sehen wollen. Nirgendwo sonst in Asien leben so viele von ihnen auf so kleinem Raum. Ungefähr sechstausend sollen es sein, auch wenn die Zahl jedes Jahr schrumpft.
Man fährt von der Hauptstadt Colombo aus etwa drei bis vier Stunden ins Landesinnere, dann ist man im Reich der Elefanten angekommen. Hier, wo Wälder und Graslandschaften einander abwechseln, ist eine Begegnung mit den Dickhäutern bei einer Safari garantiert.
So dauert es im Kaudulla-Nationalpark keine fünf Minuten, bis der Jeep erneut stehen bleibt. Diesmal ist es eine kleine Elefantenfamilie, die zwischen Bäumen und Sträuchern grast. Daneben raufen zwei Kälber miteinander, ihre Rüssel ineinander verschlungen wie die Hälse zweier verliebter Schwäne.
Ein Touristenpaar hat die Familie auch entdeckt, ihr Moped steht unmittelbar vor dem Jeep im Staub. Der Mann steigt ab, geht mit gezücktem Handy auf das Tier zu. Bis Pruthu ihn stoppt. „Was Sie da machen, ist lebensgefährlich“, ruft er. „Das sind wilde Tiere – und schneller als Sie.“
Alleine 2022 starben 433 Elefanten durch Menschenhand, umgekehrt wurden 145 Menschen von Elefanten getötet
Pruthu weiß, wovon er spricht. Mit vollem Namen heißt er Dr. Prithiviraj Fernando, ist Wissenschaftler und Vorsitzender einer NGO, die sich dem Schutz von Elefanten verschrieben hat. Ein Feld, das auf Sri Lanka immer mehr an Bedeutung gewinnt.

Dr. Prithiviraj Fernando, genannt Pruthu, zeigt an, wie der von ihm erfundene Zaun funktioniert.
Elefanten bewohnen 62 Prozent der Landesfläche, die Hälfte der Insel müssen sich Elefanten und Menschen teilen. Und weil die Zahl der Menschen auf Sri Lanka von Jahr zu Jahr zunimmt, wird auch ihr Territorium größer. Damit verschärft sich das, was Pruthu „Menschen-Elefanten-Konflikt“ nennt. „Weil ein Konflikt beinhaltet, dass beide Seiten darunter leiden.“
Schon immer hätten wilde Elefanten gelegentlich Felder geplündert, doch als die Regierung während der Wirtschaftskrise 2022 Wasser aus Nationalparks abpumpen ließ, um Wasserkraftwerke zu versorgen, zogen Herden durstiger Elefanten durchs Land. Verzweifelte Bauern begannen, ihre Felder und Vorräte zu verteidigen – mit Feuerwerkskörpern oder Sprengfallen. „Aber Elefanten haben in der Natur keine Fressfeinde, sie reagieren auf Aggression mit Aggression“, so Pruthu.
Im Jahr 2022 starben 433 Elefanten durch Menschenhand, umgekehrt wurden 145 Menschen von Elefanten getötet – beide Zahlen sind die höchsten jemals. Die Regierung ließ Nationalparks einzäunen, doch das machte jene Elefanten, die ausgesperrt waren, nur noch erratischer. Auch Versuche, die Elefanten in entlegenere Landesteile umzusiedeln, scheiterten am hervorragenden Orientierungssinn der Tiere: Sie fanden jedes Mal innerhalb weniger Wochen zurück.
Pruthu und sein Team haben eine Lösung entwickelt, doch sie benötigt Überzeugungsgeschick: Nicht die Elefanten, sondern die Menschen in den Dörfern sollen umzäunt werden.

Die Dorfgemeinschaft in Bendiwewa muss ihren Elektrozaun selbst in Betrieb halten. Dafür habe er all ihre Probleme mit den wilden Elefanten gelöst, erzählt der Dorfälteste.
"Umliegende Dörfer fragen schon, ob sie auch so einen Zaun haben können"
In Bendiwewa, eine knappe Autostunde vom Kaudulla-Nationalpark entfernt, steht Pruthu vor einem roten Stromkasten und zeigt vor, wie der von ihm entwickelte Zaun funktioniert. „Ein Stromschlag erzeugt ein Gefühl, das es in der Natur nicht gibt, deshalb furchteinflößend für Elefanten“, sagt er. Der Zaun basiere nicht auf Wechselstrom, auch die Stromstärke liege nur bei einem Amper. „Damit löst er keine Muskelspasmen, Verbrennungen oder Herzprobleme bei Elefanten aus.“
Anfangs sei die Gemeinschaft skeptisch gewesen, sich einzäunen zu lassen, sagt der Dorfälteste Hendrik Ekanayaka. Doch das Problem war zu gravierend: "In den letzten Jahren waren die Elefanten immer da, wir hatten immer Angst, egal ob tagsüber oder nachts. Sie haben die Felder niedergetrampelt und geplündert, wir konnten kaum noch Landwirtschaft betreiben."
Heute hat das Dorf keine Probleme mehr mit Elefanten. "Nur ein, zweimal haben Sie Äste auf den Zaun geworfen, aber sie sind nie durchgekommen", sagt der Dorfälteste und grinst. "Umliegende Dörfer haben schon gefragt, ob sie auch so einen Zaun haben können."

Doch das Projekt ist teuer, knapp 4.500 Euro pro Kilometer. Finanziert wird es unter anderem von der Hotelkette Cinnamon Hotels und der TUI Care Foundation, einer Tochter-NGO des Reiseanbieters. Künftig soll es Reisegruppen möglich sein, bei Safaritouren einen Abstecher nach Bendiwewa zu machen – „um zu lernen, wie die Nähe zu Elefanten das Leben auf Sri Lanka beeinflusst“. Und um Geld für weitere Zäune zu sammeln.
Als Pruthu in der prallen Sonne „seinen“ Zaun abmarschiert, zeigt er sich zufrieden. „Keine Schäden“, sagt er. Und kommt damit seinem Ziel näher: „Damit können wir hoffentlich aus einem Konflikt wieder Koexistenz machen.“
Tipps für Ihre Sri-Lanka-Reise:
- Anreise
Direktflüge Wien–Colombo mit Emirates (emirates.com) oder Qatar Airways, qatarairways.com. -Kompensation via atmosfair.de: 139 €
- Hotels und Elefantensafari
Die Cinnamon Lodge bei Habarana liegt mitten im Dschungel, bietet etliche Touren an. Ein Doppelzimmer kostet pro Nacht 149 €
- Auskunft
srilanka.travel
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