Aruba - die Karibikinsel, die kaum jemand kennt

Aruba - die Karibikinsel, die kaum jemand kennt
Von der Karibikinsel Aruba wissen die meisten nur, dass sie nach Sehnsucht klingt. Tatsächlich kann man hier vieles entdecken.

ein Meter vor der Küste Arubas rupfen zwei grüne Meeresschildkröten seelenruhig das Seegras. Um sie herum schwimmt die farbenprächtige Vielfalt tropischer Fische. Unglaublich, dass man diesen Anblick hier oft für sich alleine haben kann.

Die Karibikinsel Aruba ist halb so groß wie Wien, hat 110.000 Einwohner und wird jährlich von eineinhalb Millionen Touristen heimgesucht. Die spektakulären Strände, konstante dreißig Grad und fast permanenter Sonnenschein machen die Insel vor allem für US-Amerikaner für schnelle luxuriöse Strandferien attraktiv. An der Westküste der Insel reihen sich die gewaltigen Hotelklötze der amerikanischen Ketten an Palm Beach, die trotz teils schwindelerregender Preise permanent voll sind.
Weiter südlich, am breiteren, ruhigeren und wesentlich schöneren Eagle Beach liegen die älteren und weniger monströsen Hotels – und einige Baustellen für neue Klötze. Trotzdem kann man rund um die Insel noch einsame Buchten finden und allein einen Sonnenuntergang am Strand genießen.

Der Tourismus hier ist jung. Aruba gehört als autonomer Staat zum Königreich der Niederlande. In den 1920er-Jahren errichtete die Royal Dutch Shell auf Aruba und Curaçao die beiden größten Ölraffinerien der Welt. Das Öl stammte von Bohrinseln in der Macaraibo-See, deren rostige Ruinen noch heute am Horizont zu sehen sind. In der Nähe der gewaltigen Industrieanlage im Süden der Insel entstanden stolze Villen, und der nächstgelegene Ort, San Nicolas, wurde zur größten Industriestadt der kleinen Insel, berühmt für sein schillerndes Nachtleben. Als die Raffinerie 1985 schloss, wurden fast achttausend Menschen arbeitslos, und die Insel war schlagartig bankrott. Erst aus der Not begann danach der Tourismus auf der Antilleninsel.

Mangroven und Felsküsten

Die meisten Gäste wohnen in den großen Hotels an Palm Beach, verbringen ihre Zeit am Stand und knattern höchstens mit einem gemieteten Geländefahrzeug über die Insel. Deren Zauber ist vielerorts trotzdem ungebrochen: Zwischen Säulenkakteen und struppigen Akazien ragen imposante Felsen auf. Am Strand beugen sich knorrige Dividivi-Bäume dem steten Passatwind und vor den Hotels ragen schlanke Palmen in den strahlenden Himmel, in den Salinen des Vogelschutzgebietes rasten Zugvögel zwischen den Mangroven und an der Felsküste tost das Meer.

Aruba - die Karibikinsel, die kaum jemand kennt

Den schönsten Blick hat man vom Hooiberg, der mit seinen hundertfünfundsechzig Metern zwar nicht der höchste Berg der Insel ist, aber der bilderbuchmäßige Vulkankegel ist von überall zu sehen und über eine Treppe leicht zu besteigen. Von hier sieht man, wie gnadenlos zersiedelt die Insel ist. Mit knapp neunzigtausend zugelassenen Autos ist sie auch absurd verkehrsreich. Doch es gibt Oasen.

Mitten in einem Wohnviertel, umringt von zweitausend Quadratmeter Tropengarten, liegen die ruhigen Ferienwohnungen von Paradera Park. Es gibt auch welche rund um das Vogelschutzgebiet Bubali mit seinem See, der beim Bau der Meerwasserentsalzungsanlage entstand. Zwanzig Prozent der Insel gehören zum Arikok Nationalpark und sind geschützt.

Noch bevor der Park seine Tore öffnet, steht dort Neomar, ein dicker junger Mann mit großen Kreolen in beiden Ohrläppchen. Er führt die Gäste durch die Säulenkakteen und Flammenbäume. Eidechsen ziehen die Früchte aus dem Borstenschopf der Melonenkakteen. Sie sehen aus wie Chilischoten, sind aber süß und aromatisch. Von seiner Großmutter weiß Neo, welches Kraut gegen Krämpfe hilft und welches gegen Verstopfung. Jede Pflanze so scheint es, hat eine medizinische Anwendung. Auf dem trockenen Boden aus rötlichem Sand und Vulkangestein strahlen die gelben Blüten der giftigen Erdstachelnuss, wachsen wilder Salbei, Lorbeerkirschen und gelegentlich sogar ein Pfauenstrauch sowie echte Aloe – die einzige Pflanze, die auf der trockenen Insel in größerem Stil angebaut wird.
Neo hält nach Boas Ausschau, findet aber keine. Die Würgeschlangen wurden auf Aruba eingeschleppt und gefährden die einheimische Tierwelt, weil sie sich prächtig vermehren und mangels größerer Beute Vögel fressen. Wer eine erschlägt, schützt die Inselfauna, die vor allem aus Vögeln besteht.

Kanincheneulen-Erdnester

„Wir haben genau zweihundertvierundzwanzig Vogelarten, und die sind spektakulär,“ erklärt Michiel Oversteegen, der naturinteressierte Touristen durch die Mangroven führt. Ein Blauschwanz-Smaragd-Kolibri schwirrt über den Pfad, im seichten Wasser der Spanischen Lagune stehen zwei rosa Löffler und ein Dreifarbenreiher, während einige Regenpfeifer emsig am Ufer auf- und ablaufen. „Nicht zu fassen, dass wir an diesem wunderbaren Ort allein sind“, findet Oversteegen. Der niederländische Unternehmer machte nach einem Burnout sein Hobby zum Beruf und bietet auf Aruba Vogel- und Naturtouren an. Er weiß, wann ein Fischer den Fregattvögeln und Pelikanen bei Arashi Beach seine Abfälle füttert, und führt seine Gäste im Norden der Insel zu den Nestern des Shoko.

Aruba - die Karibikinsel, die kaum jemand kennt

Die arubanische Kanincheneule steht neben ihrem Erdbau und sieht die Besucher aus großen ernsten Augen an. Dreizehn Erdnester hatte Oversteegen noch vor einigen Jahren in der Region um den Leuchtturm im Norden der Insel kartiert. Heute sind es noch zwei. Als er eines zeigt, wird klar, warum die Vögel so bedroht sind: An der wilden Nordküste Arubas knattern unzählige Geländefahrzeuge über die flache Vegetation. Gewaltige Staubwolken legen sich auf verkümmernde Pflanzen, nehmen den Raubvögeln die Sicht und vertreiben Insekten und Eidechsen.

Die schwierige Balance von Tourismus und Naturschutz, Globalisierung und Inseldasein beschäftigt auch den Südtiroler Hotelier Ewald Biemans. Er ist seit 1970 auf Aruba und gründete gleich nach der Schließung der Raffinerie das Bucuti. In dem kleinen feinen Hotel am schönsten Strand der Insel wird alles sparsam verwendet und recycelt. Schon lange ist sein Resort klimaneutral. „Im Lande der Blinden bin ich der Einäugige“, sagt Biemans, der auf dem Klimagipfel in Glasgow für sein nachhaltiges Resort ausgezeichnet wurde.

„Aruba ist die sauberste Insel der Karibik“, sagt Biemans, „aber wir haben auch nur ein einziges Geschäft hier: den Tourismus. Wer soll hierherkommen, wenn es keinen Strand und keine Natur mehr gibt?“ Kulturell ist die Insel gelinde gesagt ausbaufhig. Die Flaniermeile von Oranjestadt, wo die Kreuzfahrtschiffe anlegen, liegt ziemlich ausgestorben. Die historisch anmutende offene Straßenbahn, die erst 2013 angelegt wurde, fährt nicht. Das Museum, in dem Kunstgegenstände der ausgerotteten Ureinwohner ausgestellt sind, wurde wegen Baumängeln nie eröffnet. Immerhin ist die Fassade des historischen Hauses schmuck.

Die Hafenanlagen sind trotzdem sehenswert, unter anderem, weil sich meterlange Muränen unter dem Steg schlängeln, knallrote Krabben und geringelte Leguane auf den Steinen sitzen und Pelikane mit schöner Regelmäßigkeit ins Hafenbecken stürzen, um einen Fisch zu fangen.

Kommentare