„Die Tradition reicht rund sechshundert Jahre zurück“, sagt Krzysztof Ciesielski, Guide im „Museum des Thorner Lebkuchens“, der größten von mehreren Ausstellungen in der mittelalterlichen Altstadt. „Erste Aufzeichnungen über das kräftig-würzige Gebäck stammen bereits aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts.“ Gegessen und gebacken wird Pierniki, so das polnische Wort, aber längst nicht nur in der Weihnachtszeit. Hier hat er ganzjährig Saison.
Wie er nach Toruń gekommen ist, sei unklar, ginge aber wohl zurück auf den Deutschen Orden, der die Stadt an der Weichsel 1233 gründete. „Wahrscheinlich brachten die Deutschen die Rezepte für Lebkuchen mit“, erklärt Ciesielki beim Museumsrundgang über mehrere Stockwerke und durch Jahrhunderte Lebkuchen-Geschichte. „Weil Toruń ein wichtiger Handelspunkt war, gab es hier im Mittelalter die exotischen Lebkuchen-Gewürze, die aus Asien kamen und sehr teuer waren.“ Entsprechend konnten sich Lebkuchen lange nur sehr wohlhabende Leute leisten – von denen gab es vor allem zur Blütezeit des Handels aber einige in der Hansestadt.
Der einstige Reichtum spiegelt sich bis heute in der eindrucksvollen, gotischen Altstadt, die seit den Neunzigern zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt. Bis auf wenige Ausnahmen sind die historischen Gebäude und die mittelalterlichen Straßenführungen erhalten. Wuchtig wirkt das Altstädtische Rathaus mittendrin, ein gotischer Backsteinbau, mit einer Statue des berühmten Stadtsohnes, des Astronomen Nikolaus Kopernikus, davor und im Dezember mit den Ständen des beschaulichen Weihnachtsmarkts drumherum.
Schlendert man durch die Gassen, ist der nächste Lebkuchen nie weit – auch als Souvenir oder in der „Jan Olbracht“-Brauerei sogar in trinkbarer Form. Braumeister Miroslav Gauka braut dort das in Toruń unvermeidbare Lebkuchenbier. „Ein Jahr haben wir an der Rezeptur gearbeitet und immer wieder Nuancen verändert, bis sie stimmte. Anfangs war es noch würziger, das fertige Bier ist nun etwas süßer“, erklärt der 36-Jährige den Herstellungsprozess des dunklen Biers. Vor allem aber wird Lebkuchen natürlich gegessen und die Nachfrage danach ist groß.
In den vergangenen Jahren sind daher neben dem größten Anbieter „Kopernik“ einige neue Geschäfte entstanden. Rund zwanzig verteilen sich mittlerweile in der ganzen Stadt. Bei „Sklep Z Piernikami“ etwa kann man sich seinen Lebkuchen individuell bemalen lassen. Das „Iga Sarzyńska“ wiederum ist eine schickere Lebkuchen-Adresse, wo das Gebäck unter anderem mit feinem Blütendekor angeboten wird und der süße Lebkuchenmann eine Fliege trägt.
In den Geschäften findet man vor allem den weichen, essbaren Lebkuchen. Die zweite Sorte ist dagegen fest und nur für dekorative Zwecke gedacht. „Das war ein Symbol für Reichtum, so wie heute etwa ein Ferrari“, sagt Lebkuchen-Meister Kociszewski, bei dessen Schnellkurs ebenfalls ein fester Souvenir-Lebkuchen gebacken wird.
Los geht es mit einer Demonstration, wie der Teig hergestellt wird. Dann ziehen die Teilnehmer an die großen Tische, rollen den Teig aus und drücken ihn in die traditionellen Holzformen. Die Form, für die Toruń bekannt ist, ist das Kathrinchen. Länglich ist sie und besteht aus zwei Mal drei ineinander übergehenden Kreisen. Auch beim Backkurs kommt nach einer Stunde manch Kathrinchen aus dem Ofen – neben Herzen, Kutschen, Lebkuchenmännern und anderen gebackenen Souvenirs, die die Kinder und Erwachsenen am Ende in Papiersackerln verschwinden lassen.
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