Dieses Jahr geht man’s auf der Partyinsel naturgemäß gemächlicher an. Ende Mai, Anfang Juni waren die meisten Clubs aufgrund der Pandemie noch geschlossen, doch ihm Rahmen der Aktion „Blue Freedom“ will die griechische Regierung den Inseltourismus fördern. Bis Ende Juni sollten die Bewohner von insgesamt 80 Inseln durchgeimpft sein, dann wird auf Mykonos wieder getanzt wie einst. Gut so. Denn selbst dort, wo die Party-Hotspots am lautesten wummern und dampfen, erinnert nichts an die derbe Hemmungslosigkeit eines Ballermanns. Man feiert hier viel, aber das einen Hauch nobler als anderswo. Touristisch ist Mykonos trotzdem, vor allem in der Hauptsaison, in der täglich Tausende Touris von riesigen Kreuzfahrtschiffen auf die Insel gespült werden, die mit leicht hysterischen „Oh, ah, how amazing, how pretty“-Rufen in den schmalen Gassen der Hauptstadt für Verstopfung sorgen.
„Ibiza Griechenlands“ wird Mykonos von manchen Besuchern genannt – dabei sind die beiden Inseln nur bedingt vergleichbar. Die „Spanierin“ ist um vieles größer, die „Griechin“ kleiner, intimer, überschaubarer. Beide sorgen für individuelle Show-Effekte mit hoher Promi-Dichte und mitunter recht anstrengenden Jetset-Attitüden. Erst unlängst landete mitten am Tag ein griechischer Geschäftsmann mit seinem Hubschrauber Mission-possible-like auf Mykonos, direkt vor einer Strandbar, zwischen den Liegen. So spektakulär, dass die Medien berichteten.
Einmal Jetset, immer Jetset könnte man sagen – denn eigentlich wurde die 105 km² kleine Insel erst durch Reich und Schön berühmt. In den 1960er-Jahren war Mykonos noch völlig unberührt vom Massentourismus, es gab damals gerade einmal neun Taxis und zwei Busse. Doch dann reisten Jackie Kennedy und Aristoteles Onassis per Yacht an. Von nun an galt die Ägäisinsel als begehrte VIP-Destination. Sie alle waren da: Elizabeth Taylor, angeblich verliebt in den Besitzer einer Taverne, Mick Jagger, Truman Capote, Playboys, Kicker und Lebenskünstler. Arrogant sind die Mykonioten trotzdem nicht geworden.
Der Mykonos-Style
Die Besonderheit der Insel hat wohl auch mit ihrem speziellen Lebensstil zu tun. Das drückt sich auch in Äußerlichkeiten aus: Wie die blau-weißen Polster auf großzügigen Stoffsofas arrangiert sind, wie sich das Basilikum duftend in Tontöpfe schmiegt, wie junge Frauen in flachen Sandalen und weißen, langen Leinenkleidern vom Strand in die Beachbar schlendern, wie der Roséwein in den Gläsern glitzert, wie alles duftet, schillert und leicht im Wind weht. Die perfekten Instagram-Momente, um Daheimgebliebene neidisch zu machen. Und so sehr es hier womöglich darum geht, gesehen zu werden, so sehr entzückt Mykonos mit diskreten Plätzen. Die eher unbekannten, manchmal schwer zugänglichen Strände im Norden und Nordwesten der Insel etwa. Bucht an Bucht, mit kristallklarem, betörend türkisblauem Meer, manchmal mit einer kleinen Taverne, manchmal ohne. Und ebenso ohne Liege und Schirm, Natur pur, drastischer Gegensatz zu den Partystränden Paradise und Super Paradise, wo sich exhibitionistische Schönheiten zu Technoklängen in der Sonne rekeln.
Das Inselinnere, abseits der belebten Südküste wirkt als bizarre Alternativkulisse zum Party-Geschehen. Mit einer Landschaft, die in ihrer steinigen Kargheit an die Mondoberfläche erinnert, von der aber das Meer nahezu immer sichtbar ist, so weit, so heftig blau. Echte Berge gibt es hier keine, die Insel ist trotzdem nicht flach. Und so wirkt die Anhöhe des Propheten Elias Vornioti mit 372 Metern richtig imposant. Mykonos-Urlauber sollten sich unbedingt zwei, drei Tage ein Mietauto nehmen, um Orte wie diese zu entdecken. Nicht nur: auch Villen „wie diese“ – in den Steilhängen des Hinterlands gebaute Anwesen, mit Infinity-Pools und Rundum-Sicht auf die Nachbarinseln Tinos, Andros, Syros. Dazwischen blauer Himmel, blaues Meer, blaue Stunden. Und lachende Möwen.
Wenn die Insel ruht
Wer sich von Mykonos angezogen, vom lauten Lifestyle aber abgeschreckt fühlt, sollte den Spätsommer oder Frühherbst als Reisezeit wählen. Die Partyhungrigen ziehen sich wieder in die Städte zurück, und die Insel beginnt sich auszuruhen, bis sie im Winter vollends entschlummert. Je später der Sommer, desto leiser wird Mykonos, nur der Wind weht stark und stärker. Das Eiland ist von Aiolos geprägt, dem Windgott, im Durchschnitt gibt es hier nicht mehr als zehn Tage ohne Wind. Wohl deshalb befinden sich hier seit dem 15. Jahrhundert zehn Windmühlen, von denen nur fünf erhalten sind. Sie gelten als viel fotografiertes Wahrzeichen der Insel, thronen hoch über der Chora, als stille Zeugen längst vergangener Epochen.
Der US-amerikanische Autor Bobby Underwood beschreibt das Charisma der Insel ganz wunderbar: „Einige Orte, wie Paris, haben eine Magie, die man am besten für kurze Zeit erlebt, damit das romantische Gefühl nicht durch die alltägliche Realität verdorben wird. Mykonos war in dieser Hinsicht anders. Mykonos weckte Sehnsucht nach dem erholsamen, glücklichen Alltag auf der griechischen Insel, und es waren die kurzen Besuche, die die Seele quälten. Paris war eine romantische Atempause vom Leben, Mykonos war das Leben selbst und lebte.“
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