Indien und Pakistan: Deswegen sollte man die Grenzparade besuchen

Grenzparade Indien Pakistan
Am einzigen Grenzübergang zwischen Indien und Pakistan wird jeden Tag die Fahnenabnahme zu Sonnenuntergang zelebriert

Wer an Indiens Grenze zu Pakistan reist, kennt sich gar nicht mehr aus. Die beiden Länder sind seit der Teilung 1947 wechselnd im Krieg, in kriegsähnlichem Zustand oder zumindest schwer verstimmt. Ihre gemeinsame Grenze von über dreitausend Kilometer ist so stark bewacht, dass man die 150.000 Wachlichter in der Nacht aus dem Flugzeug und dem Weltall sieht. Der einzig echte Grenzübergang Attari (Indien)–Wagah (Pakistan) ist nach den nähest gelegenen Dörfern benannt, liegt aber eigentlich zwischen den Großstädten Amritsar und Lahore. Die sind beide wichtige historische und kulturelle Zentren der Region Punjab, einem Hauptschauplatz der älteren Geschichte – und eben seit 1947 in die Provinz Punjab, in der die Hälfte der knapp 250 Millionen Pakistanis lebt, und den indischen Bundesstaat Punjab geteilt. Das zerriss damals Familien und ist neben dem Streit um Kashmir bis heute eine Hauptzutat der Pakistan-Indien-Verstimmung.

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Außer am Grenzübergang Attari–Wagah. Zu dem stauen sich täglich tausende Autos. Zwischen den Kolonnen auf indischer Seite verkaufen Straßenhändler kleine Landesfahnen wie Kappen mit der Aufschrift „I love my India“ und bieten Wangenbemalungen an. Familien strömen in das halbrunde Stadion am Grenzzaun, die andere Stadienhälfte steht drüben in Pakistan, ein ganzes Stadion, geteilt durch einen Zaun.

Indien Pakistan Grenzparade

Die tägliche Show darin zelebriert die Fahnenabnahme zu Sonnenuntergang. Ein Einpeitscher stachelt die Mengen mit Bharat Mata Ki Jai-Rufen auf – „Sieg der Mutter Indien“, drüben irgendwas mit Pakistan. Dann Soldaten und Soldatinnen mit Stechschritten hoch wie beim Ballett. Helme mit lächerlichem Federschmuck. Marsch- und Stoppbewegungen, von Trommeln und Tuschs begleitet wie bei Zirkusclowns. Ebenso clownesk überzogene Gesten und Grimassen Richtung Nachbarland. Drohende Fäuste ohne Ernst. Plötzlich merkt man, dass die Choreografien beider Seiten ident sind. Zwei streitende Atomwaffenmächte, die den Show-Stechschritt abstimmen.

Das Gittertor geht auf, zwei der Soldaten gehen aufeinander zu, schauen sich besonders böse an und geben sich kräftig, aber betont unherzlich die Hand, das Tor geht zu. Beiderseits runter mit den überdimensionierten Fahnen, Abmarsch im Trommel-Tusch-Schritt, Gejohle der Tausenden. Einer erklärt: „Die Menschen haben keinen Konflikt. Die Politiker haben einen.“ 

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