Aussteigerinsel Moyenne: Der kleinste Nationalpark der Welt

Aussteigerinsel Moyenne: Der kleinste Nationalpark der Welt
Seychellen: Vor sechzig Jahren hatte ein englischer Reporter die winzige Trauminsel um einen Schnäppchenpreis erworben.

Zwanzig Minuten dauert die Fahrt mit dem Taxi-Boot von Victoria, der Hauptstadt der Seychellen. Dann ist der weltkleinste Nationalpark erreicht, die Insel Moyenne, wo ein Schatz vergraben sein soll und noch immer Geistergeschichten die Runde machen wie eine Bottle Rum in einer schicken Bar auf dem Festland. Ein paar Stunden darf jeder Tagesausflügler Robinson Crusoe spielen, dann muss man wieder runter vom winzigen Eiland, das wie ein Regenwald wirkt, der aus dem saphirfarbenen Meer ragt.

Vor sechzig Jahren hatte der englische Reporter Brendon D. Grimshaw Moyenne erworben, 4,5 Kilometer von der Küste der Seychellen-Hauptinsel Mahé entfernt, und nur 0,09 Quadratkilometer groß. Der Schnäppchenpreis: zehntausend Pfund. Für andere Inseln, die ihm angeboten wurden, hätte er ein Vielfaches aufbringen müssen. Grimshaw war für die größten Zeitungen Ostafrikas im Einsatz gewesen, wollte aber mangels Perspektiven eine neue Richtung in seinem Leben einschlagen, auf du und du mit der Natur. Moyenne erfüllte exakt seine Träume. Diese Stille, dieser Friede, dieser Wildwuchs!

In den frühen 1970ern schlug der Brite Wurzeln und machte sich mit seinem einheimischen Freund René Antoine Lafortune daran, das Buschwerk und Unkraut zugunsten der Ansiedlung von 16.000 Bäumen und endemischen Pflanzenarten zu entfernen. Ein Rundwanderweg wurde angelegt – eine wahnwitzige Schufterei, denn die ursprüngliche Vegetation soll so dicht gewesen sein, dass Kokosnüsse, die von den Palmen fielen, nie auf dem von Ratten übersäten Boden ankamen. Die an Besessenheit grenzende Anstrengung der Best Buddies sollte sich auszahlen. Vögel nisteten sich im neuen attraktiven Lebensraum ein, genauso wie Aldabra-Riesenschildkröten, die bis heute grundsätzlich Vorrang genießen, wenn sie die Wege der zweibeinigen Besucher kreuzen.

Lafortune, Sohn eines Fischers, erlebte die Umwandlung in einen geschützten, eigenständigen Nationalpark nicht mehr mit, er starb 2008. Vier Jahre später folgte ihm sein dicker Kumpel. Auch Grimshaw hatte den angeblichen Piratenschatz nie gefunden – vernachlässigbar, denn Materielles war das Letzte, was ihn interessierte. Bis zu fünfzig Millionen Dollar waren dem kinderlosen Journalisten geboten worden, wenn er sich vom Sehnsuchtsziel wohl jedes Aussteigers getrennt und den Weg frei gemacht hätte für ein weiteres Fünfsterne-Projekt im Archipel der hundertfünfzehn Seychellen-Inseln.

Grimshaw, der später auch seinen Vater Ray nachkommen ließ und neben ihm und zwei unbekannten Piraten begraben wurde, hatte ein anderes Vermächtnis im Sinn: Ein Tropenparadies für die Nachwelt konservieren, den Seychellen ein winziges Stück ihrer touristischen Unschuld zurückgeben, authentisches Insel-Flair wiederherstellen. Wer je einen Fuß auf Moyenne gesetzt hat, weiß: Ist voll gelungen. Mission accomplished, Brendon.

  • Moyenne hat kleine Sandbuchten, riesige Granitblöcke, sattgrüne Vegetation, eine Kapelle und eine Strandbar – der perfekte Tagesausflug für Urlauber auf der Seychellen-Hauptinsel Mahé.
  • Gegenüber liegt Enchanted Island für die anspruchsvolleren Gäste: Rolling Stones-Gitarrero Ron Wood mietete sich hier wochenlang ein (enchantedislandresort.com).
  • Mehr Infos über Mahé: seychelles.travel, seyvillas.com

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