Armenien: Klein das Land, groß die Überraschungen

Armenien: Klein das Land, groß die Überraschungen
Uralte Kultur, herrliche Natur und Menschen mit Humor. Das Gebirgsland Armenien im Kaukasus lässt selbst eingefleischte Globetrotter staunen.

Frage an Radio Jerewan: „Ist es möglich, dass man mit einem Moskwitsch mit hundert Stundenkilometer in eine Kurve fahren kann?“ Radio Jerewan antwortet: „Im Prinzip ja, aber nur ein Mal.“ Die Witze der fiktiven Radiostation kennen viele, das Land, in dem die Witze als Ventil gegen die staatliche Unterdrückung im Sozialismus entstanden sind, dagegen kaum wer.

Dabei gibt es in diesem kleinen Gebirgsland im Kaukasus so viel zu entdecken.

Sona, die Reiseleiterin der vierköpfigen Gruppe aus Österreich, verkörpert die Seele der kultivierten, stolzen, selbst- und traditionsbewussten Armenier. „Wir sind die Erfinder von allem“, sagt die Deutschlehrerin scherzhaft und zählt einige Berühmtheiten ihres Landes auf: Alex Manoogian, Erfinder des Einhandmischers für Warm- und Kaltwasser. Luther George Simjian brachte es auf zweihundert Patente, darunter der Geldautomat und der Teleprompter. Und Hovhannes Adamian entwickelte die Grundlage für die Erfindung des Farbfernsehens. "Und wir Armenier haben markante Gesichter. Viele haben die große, gebogene armenische Nase“, sagt Sona lachend. Auf dem Markt in Jerewan stellt ein Künstler Holznasen von berühmten Armeniern als Brillenständer aus. Wie etwa die Nase von Alexander Tamanjan, der Architekt von Jerewan.

Armenien: Klein das Land, groß die Überraschungen

Die markanten, armenischen Nasen. Die Holznase des Architekten von Jerewan als Brillenständer.

Armenien, heute fast ausschließlich von islamischen Staaten umgeben, ist die älteste christliche Nation der Erde. Vor 1.700 Jahren wurde das Christentum zur Staatsreligion erklärt. Entsprechend reich ist das Erbe an Kirchen und Klöstern. Auf Schritt und Tritt trifft man UNESCO-Welterbestätten. Mehr als 92 Prozent der Bevölkerung gehören der armenischen Kirche an. Auf dem Reiseplan stehen Besuche von Jahrtausende alten Sakralbauten. Dazwischen genießen wir die abwechslungsreiche Natur, die Berglandschaft (bis zu 4.095 Meter hoch) bei einem kleinen Ausritt, die Obst- und Gemüseplantagen oder die kulinarischen Schätze.

Armenien: Klein das Land, groß die Überraschungen

Armenien: Markt.

Von der Hauptstadt Jerewan fahren wir mit dem Auto auf 2.000 Meter Höhe zum Sewansee, genannt „Blaue Perle Armeniens“. Rund um den zweithöchsten Gebirgssee der Welt (der höchste ist der Titicacasee in Peru), blickt man auf die imposante Bergkulisse. Der Sewansee ist ungefähr doppelt so groß wie der Bodensee. „Fünf verschiedene Fischarten leben im See, darunter auch eine endemische Forellenart“, sagt Sona.

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Armenische Kreuzsteine.

Kreuzsteine aus Tuff.

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Sewansee: Maler auf dem Weg zum Kloster Sewanawank.

Sewanawank: Bildverkäufer am Sewansee.

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Sewansee, Armenien.

Sewansee in Armenien.

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Armenische Souvenirs.

Souvenirs aus ARmenien.

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Armenien, das Land der Kirchen und Klöster.

Armenische Klöster.

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Klöster im ganzen Land

Zum Kloster Sewanawank oberhalb des Sees führen zweihundert Stufen. Am Wegesrand verkaufen Einheimische Souvenirs: bunte Bilder, T-Shirts, armenische Trachtenpüppchen und Schmuck aus Obsidian. Der schwarze Halbedelstein, ein vulkanisches Gesteinsglas, glitzert auf den Hängen der Berge. Die sogenannten Kreuzsteine, Chatschkar, die wir noch im ganzen Land bei den heiligen Gemäuern sehen werden, stehen auch hier wie Zinnsoldaten um das Kloster. „Das sind in der Tradition der armenischen Kirche kunstvoll ziselierte Gedächtnissteine aus Tuff“, erklärt Sona.

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Berglandschaft Armeniens.

Hinter dem Sewansee öffnen sich nach einer Passüberquerung die grünen Täler des Kurorts Dilijan, bekannt als „kleine armenische Schweiz“. Die Sommer sind kühl, die Winter mild. Viele Künstler, Komponisten und Filmemacher haben sich hier niedergelassen. Die armenische Architektur der traditionellen Häuser aus Tuffstein mit den geschnitzten Holzbalkonen ist ein Blickfang. Im Inneren zeigen Kunsthandwerker, wie Teppichweber, Töpfer oder Schmiede, ihre Arbeit.

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Handwerkskunst in Dilijan.

Aus ocker- bis pinkfarbenem Tuffstein sind auch die meisten Gebäude der Hauptstadt Jerewan gebaut. Nach der sowjetischen Kulturrevolution (1920) wurde der berühmte Architekt Alexander Tamanjan mit dem Generalbebauungsplan für Jerewan beauftragt. „Ich werde eine Stadt aus Sonnenstrahlen bauen“, sagte er. Das ist ihm mit einem logischen Plan, einem einheitlichen Stadtbild und vielen Grünanlagen gelungen. Sehenswert: die Opern, der sternenförmig angelegte Platz der Republik und das Wasserkraftwerk.

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Jerewan.

Von der Einmillionen-Einwohner-Stadt sind die sehenswerten Regionen in Tagesausflügen leicht zu erreichen. Südlich, in der Ebene von Ararat, wo die köstlichen Marillen, Äpfel, Pistazien und Granatäpfel, das armenische Symbol für Fruchtbarkeit und Reichtum, prächtig gedeihen, ist der schönste Blick auf den Berg Ararat. „Wir können ihn sehen, aber nicht berühren“, sagt Sona traurig. Die Stadt Ararat liegt in Armenien, der schneebedeckte Fünftausender, auf dem einst Noahs Arche gelandet sein soll, seit 1922 jenseits der gesperrten Grenze, in der Türkei.

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Ausblick von Armenien zum Berg Ararat in der Türkei.

Traurig wird Sona auch auf der Fahrt in den Norden rund um Spitak. Dort erschütterte 1988 ein Erdbeben der Stärke 6,9 die Region, zerstörte fast alle Häuser und kostete 25.000 Menschen das Leben. „Dank unserer Kultur und unseres Zusammenhalts existieren wir noch. Es gab kaum ein Jahrhundert ohne Gewalt, Krieg oder Katastrophe in unserem Land.“

Charles Aznavour in Wien

Armenische Wurzeln: Charles Aznavour spendete nach dem Erdbeben für den Wiederaufbau.

Hilfe aus der Ferne

Armenier, die im Ausland leben, unterstützen nicht nur ihre Verwandten, sondern das ganze Land. Während in Armenien selbst nur drei Millionen Armenier leben, sind es im Ausland acht Millionen, die fünfzig Prozent der armenischen Bevölkerung regelmäßig finanziell unterstützen. Der armenisch-französische Chansonnier und Schauspieler Charles Aznavour schickte ein volles Flugzeug mit Hilfsmitteln, schrieb ein Lied über das Erdbeben und spendete die Einnahmen von zwei Millionen verkaufter Tonträger den Erdbebenopfern.

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Gedenksteine bei Spitak.

Gleich zweihundert Millionen Dollar überwies der amerikanische Multimilliardär mit armenischen Wurzeln, Kirk Kerkorian, genannt der „König von Las Vegas“ und ehemaliger MGM- und United-Artists-Besitzer, für den Wiederaufbau der Häuser.

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Kaffeepause in Ararat. 

Was bleibt von der Reise durch das Kleinod, das lange unterschätzt wurde? Große Überraschungen: weite Hochebenen, grüne Nationalparks, imposante Berge, alte Klöster, das Nationalgetränk Cognac und heimatverbundene Menschen, die jedem Krieg und jeder Naturkatastrophe trotzen und immer noch ein Lächeln auf den Lippen haben.

Imkerin in Armenien im gelben Anzug mit einem Bienenstock in den Händen

Gayane, eine junge Unternehmerin und ideenreiche Künstlerin, gründete  BeeLife, eine  Honigfarm, die mit einer kleinen Bienenwachskerzenproduktion begann. Heute ist  der Bauernhof  der Imkerin  ein Zentrum für Apitourismus mit Workshops, Verkauf und Verkostung. Spitak, Vopyan 34, Tel. 374/77 599 876.

  • Anreise
    Direktflüge mit Wizz Air von Wien nach Jerewan. 
    Co2-Kompensation: 10,25 € 
  • Pauschalreisen
    Ruefa Kultur- & Studienreisen, 8 Nächte ab 1.498 €, inkl. Flug Transfers, Hotels Kat. 3+/4*, Frühstück und Abendessen, Besichtigungen, Studienreiseleitung und örtl. Guides, Termine Juni und Juli
  • 6.100 Jahre alt ist das  älteste Weingut der Welt. Areni-1 wurde 2007 in der Region Vayots Dzor entdeckt
  • Festivals
    – Vardavar, das Wasserfest, findet am 7. Juli 2024 in ganz Armenien statt.  An diesem Tag gehen Armenier auf die Straße und spritzen einander mit Wasser an. Ein heidnischer Brauch zu Ehren der Göttin  des Wassers, der Liebe und  der Fruchtbarkeit
    – Khorovats, das BBQ-Festival mit armenischem Rindfleisch-, Fisch- und Gemüsegrillspeisen. Am 18. August 2024 in Achtala  
    – Jerewan Wine Days, vom 7. bis 9. Juni auf den Straßen von Jerewan
  • Auskunft armenia.travel/de/
 Sechseckige Basaltsteinformationen ragen bis zu 200 Meter wie Orgelpfeifen in den Himmel

Symphonie der Steine 

So werden die sechseckigen Basaltsteinformationen genannt, die bis zu 200 Meter wie Orgelpfeifen  in den Himmel ragen. Beim Spaziergang durch die Schlucht von Garni  machen eine Rast am Ufer des Azat-Flusses und ein frisch gepresster Fruchtsaft  am Wegesrand die Hitze  erträglich.

Armenisches Nationalgericht Dolma, gefüllte Weinblätter mit Knoblauchsauce auf einem Teller mit einem Löffel aus Ton

 Das armenische Nationalgericht (eigentlich im gesamten Nahen Osten und Mittelmeerraum verbreitet)  besteht aus Weinblättern, die mit Kräutern, Zwiebel, Fleisch und gekochtem Reis gefüllt sind. Dazu wird eine Sauce aus Joghurt, gemischt mit Knoblauch, serviert   

Mann in traditionellem Gewand spielt in Armenien das Nationalinstrument Duduk, eine armenische Flöte

Dieses zylindrische Holzblasinstrument gab es in Armenien schon in Zeiten von König Tigrans II.  (reg. 95–55 v. Chr.) und gilt als Nationalinstrument. Deshalb wird das Duduk auch armenische Flöte genannt. Duduk-Musik soll imstande sein, mit weichem, warmem Klang sämtliche vorstellbare Emotionen zu vermitteln.

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