"Serien zeigen das Familienleben echter als die Realität"

"Serien zeigen das Familienleben echter als die Realität"
Psychologin Martina Bienenstein sagt im Interview, wie Film-Familien die Eltern entspannen und inspirieren können

KURIER: Es gab immer Familienserien, die der Unterhaltung dienten. Jetzt sehe ich einen Trend, in den Serien die Elternrolle genauer zu betrachten und Verhaltensweisen zu zeigen. Wie hilft diese Perspektive den zusehenden Eltern?

Bienenstein: Es hängt natürlich davon ab, wie etwas aufbereitet ist. Es tut Eltern manchmal gut, Situation zu sehen und ihr eigenes Verhalten zu reflektieren. Sie können sich so besser hineinversetzen und fühlen sich erkannt. Wir hatten diesen Effekt auch in der Doku-Soap "Die Supernanny". Im besten Fall kann man einen Ratschlag annehmen, sonst kommt einfach heraus: Den anderen geht es noch schlechter als uns. Es schafft ein Bewusstsein, dass man Erziehung nicht nur nebenbei macht und Know-how braucht.

In der Serie "Modern Family" werden drei Elternpaare aus einer Familie gezeigt. Dazwischen besprechen die Familienmitglieder in Richtung Kamera und Zuschauer die Szene, die sie gerade erlebt haben. Ein gutes Vorbild?

Modern Family kenne ich auch. Wichtig ist, zu reflektieren, wie geht es mir dabei. Nicht mit dem erhobenen Zeigefinger. Zu sehen, wie es läuft, heißt aber nicht, dass ich eine Lösung dafür habe oder sie umsetzen kann, wenn es nicht gut läuft. In einer hektischen Situation greift man auf seine alten Muster zurück. Da braucht man manchmal mehr Hilfe, um das zu durchbrechen, und einen Profi zum Reflektieren.

"Serien zeigen das Familienleben echter als die Realität"

Eltern geben meist nicht zu, wie gestresst sie wirklich sind

Die Eltern am Bildschirm sind manchmal auch abschreckende Beispiele.

Das schafft ein Bewusststein, was es alles gibt. Wie eine Situation eskaliert, man kann sich das nicht vorstellen, bis man selbst drinsteckt, etwa Pubertät oder schreiende Babys.

Oft erkennt man sich selbst in den Szenen.

Es geht um Probleme, die jeden treffen, aber die anderen geben es nicht zu. Es könnte sich aus diesen Serien ein kollektives Verstehen herauskristallisieren. Dass das Bild vom zufriedenen Baby in seiner rosaroten oder hellblauen Decke eben nicht zutrifft, das andere Mütter gerne vermitteln wollen. Wenn Eltern schon in den ersten Wochen sagen, ihr Kind ist so brav, dann muss ich schmunzeln. Man vergönnt jedem, dass es gut schläft, aber die Wahrscheinlichkeit spricht dagegen. Die anderen Eltern wollen einem diese Bilder vorenthalten, weil sie unter Druck stehen, perfekt zu sein. Die Serien zeigen die Realität echter als das Leben. Im Film sieht man es so, wie es wirklich ist.

In Workin' Moms" reden sie über wunde Brustwarzen und andere Stillprobleme.

Die Serien zeigen das Leben offener als in jeder Freundesgruppe. Unter Müttern wird oft von anderen kritisiert, Marke „Was du stillst nicht???“ In den Serien sind Probleme lustig dargestellt und überspitzt, aber das gibt es wirklich. Es könnte ein Ansporn sein, vom Perfektionsimus Abstand zu nehmen. Wenn man dort sieht, dass es den anderen schlecht geht, geht es mir besser.

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