Profi-Snowboarder: "Angst hält uns am Leben"
Travis, als ich einem Freund, der sehr gut Snowboard fährt, erzählt habe, dass ich Sie treffe, meinte der: „Cool, Travis, the Godfather of Snowboard“ ...
Es macht mich demütig, wenn das jemand sagt. Ob ich mich so fühle? Nein.
Das müssen Sie ja jetzt sagen, um nicht als Angeber rüberzukommen.
Nein, echt. Es ist einfach so, dass Snowboarden von jeher ein Teamsport war und ich vielen Leuten zu Dank verpflichtet bin. Die Geschichte des Snowboardens handelt davon, dass eine Gruppe von Menschen zusammenkommt, um beim Snowboarden das Leben zu zelebrieren. Es ist nie einer alleine.
Trotzdem sind Sie einer der Wenigen, die sich einen Namen auch außerhalb der Snowboard-Szene gemacht haben.
Okay, aber das ist nicht das Wichtigste für mich. Verstehen Sie mich nicht falsch, aber mit der Bekanntheit verliert man Freiheiten. Deshalb habe ich nichts dagegen, wenn mich nicht jeder kennt.
Sie haben für Ihren neuen Film „The Fourth Phase“ in den USA, Japan, Alaska und Russland gedreht. Die Bilder sind spektakulär, aber ihre Entstehung ist sicher auch risikoreich. Haben Sie denn keine Angst?
Look, ich bin definitiv nicht angstfrei. Wenn ich das wäre, würde ich heute sicher nicht hier sitzen und mit Ihnen ein paar Runden im Riesenrad drehen. Angst ist ein unglaubliches Geschenk. Sie hält uns am Leben. Man muss nur einen Weg finden, die Angst zu seinem Freund zu machen.
Wie sieht dieser Weg aus?
In meinem Beruf geht es vor allem darum, Entscheidungen zu treffen. Ich sage immer, ich bin im Risikomanagement tätig. Wenn wir in die Berge gehen, ist das Ziel, dass alle wieder lebend rauskommen. Was wir tun, soll auch Spaß machen. Deshalb habe ich mich mit dem Tod ausgesöhnt. Es geht nicht um einen Todeswunsch, ich habe auch definitiv Angst davor, zu sterben, aber ich glaube nicht an den Tod, sondern in erster Linie an dieses wunderbare Leben. Für mich ist der Tod auch nicht das dunkle Ende.
Sie glauben also an Reinkarnation?
Wir sind alle alte Seelen, die herumwandern. Was wir in den Bergen machen, bringt uns dazu, das Leben mehr zu schätzen.
Haben Sie eigentlich den Kunstflug-Piloten Hannes Arch gekannt?
Ist das der Pilot, der heuer bei einem Heli-Crash gestorben ist?
Ja, er ist aber nicht in Ausübung seines gefährlichen Sports gestorben, sondern bei einem privaten Heliflug. Überschätzen sich Extremsportler gerne selbst?
In den Bergen zu sein, ist für mich der Versuch, in Balance zu bleiben. An vielen Tagen klappt alles wunderbar. Irgendwann fühlt man sich zu sicher und es passiert plötzlich was. Das ist die Erinnerung, aufzupassen. Der Schlüssel ist, sich nie zu sicher zu fühlen. Snowboarden im Big-Mountain-Terrain ist immer anspruchsvoll. Es fordert deine ganze Aufmerksamkeit.
Travis, Sie sind einer der wenigen Snowboarder, die mit ihrem Sport wirklich gutes Geld verdienen. Was haben Sie besser gemacht als die anderen?
Ich denke, einer der Gründe, warum ich heute hier bin, ist, weil ich vielleicht immer etwas härter gearbeitet habe als andere. Die ersten acht bis zehn Jahre habe ich jeden Dollar meines Geldes dafür verwendet, um im Winter zu reisen. Snowboarden ist meine Leidenschaft. Ich glaube, ich habe da eine Zwangsstörung. Das meine ich als Witz. Aber ich habe so viel Zeit dafür verwendet, Projekte durchzusetzen und meine Message zu verbreiten. Ich war natürlich auch immer von guten Leuten umgeben.
Ohne Talent wird’s aber wohl nicht gehen.
Ich glaube, Talent wird im Sport überbewertet. Es geht viel mehr um Leidenschaft und den Willen, Dinge durchzuziehen. Ich kenne so viele begabte Snowboarder, die es nicht geschafft haben, weil sie vielleicht zu faul waren. Und ich kenne auch welche mit weniger Talent, die an die Spitze gekommen sind, weil sie drangeblieben sind – auch mit dem Herzen.
Praktisch, wenn man Talent und Leidenschaft hat wie Sie.
Ich denke positiv und glaube an Manifestation. Ich habe das Universum um Unterstützung gebeten und es hat funktioniert.
Das sollte ich auch mal ausprobieren.
Wenn Sie nächstes Mal etwas brauchen, einen Parkplatz oder ein Appartement ...
Ein Haus mit Garten und Gärtner.
Sie müssen das nur laut aussprechen und es wirklich wollen. Dann bekommen Sie es auch.
Was haben Sie sich zuletzt gewünscht?
Gestern war ein langer Interview-Tag und ich dachte, ich hätte zwei Stunden frei. Als dem aber nicht so war, habe ich um Energie und eine liebevolle Erinnerung gebeten, dass Interviews eine gute Möglichkeit sind, eine Botschaft zu teilen. Schließlich mache ich das alles, weil ich es selbst so wollte.
Die freizeit traf Travis Rice im Prater und fuhr mit dem Profi-Snowboarder leider nur Riesenrad
Meistens gelingt uns eine positive Denkweise besser, wenn es uns gut geht. Wenn alles schief läuft, ist das nicht so einfach.
Stimmt, aber weiter bringen uns nur die Schwierigkeiten. Ich war in meiner Karriere oft verletzt. Nur das hat mich vorangebracht. Wenn das Leben zu komfortabel ist, wird man leicht faul und entwickelt sich nicht mehr. Deshalb bin ich gerne auf meinem Segelschiff. Da gibt es immer Herausforderungen. Entweder ist das Wetter schlecht oder das Boot kaputt. Lauter Möglichkeiten, Selbstverantwortung zu übernehmen.
Was war beruflich gesehen bisher die schwierigste Situation Ihres Lebens?
Für mich ist es immer am härtesten, wenn ein Freund stirbt oder verletzt wird. Wie ich schon gesagt habe: Der Tod ist sehr nah. Wir müssen lernen, damit umzugehen.
Auf einer Skala von eins bis zehn: Wo stehen Sie gerade?
Ich nehme neun. Ich sage Ihnen auch, warum. Wenn ich sechs sage, rede ich mir selbst ein, auf Level sechs zu sein. Ich sage aber neun, weil ich auf neun sein will.
Gut, dann nehme ich zehn. Warum nehmen Sie das nicht auch?
Das mache ich dann am Ende des PR-Tages, wenn ich mit meinen Freunden auf einen Drink gehe.
Der Plot klingt toll. Travis Rice, einer der besten Profi-Snowboarder der Welt, von vielen „Godfather of Snowboard“ genannt (siehe Interview nächste Seite), macht sich in seinem neuen Actionsport-Film „The Fourth Phase“ auf den Weg, dem nordpazifischen Wasserstrom zu folgen. Schließlich ist Wasser das Element, das den Gewinner des „Air & Style Contest“ 2006 in München und Besitzer eines Segelbootes am meisten beschäftigt. Von der Westküste der USA geht es im Uhrzeigersinn nach Japan, Russland und über Alaska wieder zurück zur Westküste der USA. Jeder Ort wird begleitet von den besten Snowboard-Fahrten und -Sprüngen, die der Actionsportfilm-Markt derzeit zu bieten hat. Auch dank modernster Technik. Warum Rice seinen Film aber „The Fourth Phase“ nennt, hat er der im Gespräch zwar zu erklären versucht, diese Auflösung bleibt er aber im Film weitgehend schuldig.
Der Titel basiert auf dem Buch „The Fourth Phase of Water“ des US-Wissenschafters Gerhard Pollack, der von einem vierten Aggregatzustand des Wassers neben fest, flüssig und gasförmig ausgeht. Pollacks Meinung nach lassen sich nicht alle Eigenschaften von Wasser mit den drei gemeinhin bekannten Erscheinungsformen erklären. Beim vierten Zustand handelt es sich laut Pollack um strukturiertes Wasser, in dem Moleküle nicht zufällig organisiert, sondern in einem flüssigen Kristall aufgereiht sind. Wohl zu kompliziert für einen Sportfilm, in dem die Protagonisten von der Beschaffenheit des Schnees schwärmen und am häufigsten auf passendes Wetter warten – um dann von Helis oder Snowmobiles zum Ausgangsort ihrer spektakulären Shows gebracht werden. Eine Möglichkeit, ein Abenteuer zu erleben, bei dem dann aber die Geschichte auf der Strecke bleibt. Das spürt man auch im Film, dessen Landschafts- und Sportaufnahmen zwar über vieles hinwegtrösten, aber doch ein Gefühl der Leere hinterlassen. Man will mehr: Abenteuer, Anstrengung und Geschichten – über die Strapazen, die Pionierleistungen an und für sich mit sich bringen (sollten).
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