Schule des Lebens

Welpen: Ihre Entwicklung hängt von den Eindrücken und Erfahrungen der ersten 12. Lebenswochen ab
Ab dem Alter von drei Wochen sind Hunde startklar fürs Lernen. Mangelnde Sozialisation verhindert ein harmonisches Miteinander

Sie sind extrem süß. So klein, so weich, so tollpatschig. So unfertig. Hundebabys kommen mit geschlossenen Augen und Ohren zur Welt, ihr Geruchssinn ist noch nicht stark ausgeprägt. Doch das ändert sich rasch. Ab der dritten Lebenswoche sind die Neugierdsnasen bereit, ihre Umgebung mit allen Sinnen zu erkunden – startklar für die Lektionen der notwendigen Umgangsformen.

„Instinkte, Erfahrungen und die Persönlichkeit des Tieres beeinflussen sein Lern- und Denkvermögen“, sagt KURIER-Tiercoach Dagmar Schratter. Die Direktorin des Tiergarten Schönbrunn weiß, dass Übungserfolge vor allem mit dem Belohnungsprinzip erzielt werden. Auch Lisa Schmitzberger aus dem KURIER-Tiercoach-Team kennt die Wirkung positiver Verstärkung. Die Hundetrainerin erklärt, warum die Sozialisierungsphase entscheidend für ein harmonisches Miteinander ist und wie Vierbeiner fit für den Alltag werden.

Überforderung

Hunde lernen ihr Leben lang, das gilt für Sitten wie für Unsitten. Das Fundament ihres Verhaltens wird jedoch in der dritten bis zur zwölften Woche gelegt, die Phase prägt die Haustiere nachhaltig. „Züchter und Halter müssen darauf achten, dass Vierbeiner positive Erfahrungen machen“, sagt Schmitzberger. Bei kurzen Ausflügen kann der Liebling das Einkaufszentrum kennen lernen, er darf im Kindergarten unbedrängt schnuppern und im Auto eine langsame Runde mitfahren. Er nimmt den Bahnhof vorsichtig in Augenschein und trifft Kollegen beim Gassi-Gehen an der Leine. „Wichtig ist, den Hund nicht zu überfordern. Er soll nicht jeden Tag an eine neue Situation gewöhnt werden“, rät die Expertin. Negative Eindrücke sollen dem Vierbeiner erspart bleiben.

Am schnellsten begreifen Hunde, wenn erwünschtes Verhalten belohnt wird. Sicherheit in der Situation trägt zur Merkfähigkeit bei. Streicheln und Spiel schaffen positive Verknüpfung, Leckerlis verführen zum Folgen. „Der Vierbeiner muss immer die Möglichkeit haben, sich zurückzuziehen“, erklärt Schmitzberger. Daheim steht für die Auszeit sein Körbchen bereit, auswärts nimmt Ausweichen Stress aus der Situation. Dreht der Hund den Kopf zur Seite, wendet er den Körper ab, wedelt er geduckt mit dem Schwanz, deuten diese Signale auf Unbehagen hin. Zeit, aus der unangenehmen Situation hinauszugehen. Raum geben und Pausen einlegen, deeskalieren.

Völlig fehl am Platz sind Strafen. Wassersprühflaschen, Leine-Reißen und Gewalt sind keine zielführenden Erziehungsmaßnahmen. „Das geht nach hinten los“, sagt die Mitarbeiterin der Tierärztlichen Ordination Tiergarten Schönbrunn: Akzeptiert der Hund, dass seine Frühwarnzeichen wie Zähnefletschen und Knurren bei Strafe verboten sind, unterdrückt er sie – solange, bis er in einer ausweglosen Lage sofort zuschnappt. Vierbeiner in der erlernten Hilflosigkeit sind unberechenbar. Schmitzberger: „Besitzer müssen erkennen, wann ihr Haustier Angst hat oder sich unbehaglich fühlt, und dann richtig reagieren.“ Auch aufgeregtes Herumrennen, Hochspringen und Hyperaktivität weisen auf eine psychische Überlastung hin.

Problemhunde

„In der Arbeit sehen wir oft Tiere mit mangelnder Sozialisation“, sagt die Verhaltenstrainerin. Billigwelpen aus schlechten Zuchten erhalten in der entscheidenden Entwicklungsphase zu wenig Zuwendung, in eintöniger Umgebung können sie kaum Eindrücke sammeln, auch der innerartliche Kontakt leidet. Das produziert unangemessene Reaktionen.

Auch Streuner aus dem Ausland zählen hier häufig zu den Problemtieren. Sie werden ohne menschliches Zutun erwachsen und fügen sich dann äußerst schwer in ein harmonisches Zusammensein mit Zweibeinern. Wohnung, Leine, Autolärm machen ihnen mitunter unüberwindbar zu schaffen. „Bevor man sich für ein neues Haustier entscheidet, muss man sehr genau anschauen, wie der Hund untergebracht war“, betont Schmitzberger. Umerziehung ist ein Kraftakt. Keine Spur süß.

Erziehung: Mensch und Hund passen wunderbar zusammen – vorausgesetzt, Zwei- und Vierbeiner wissen, was Sache ist. Fachkenntnisse auf Seiten des Halters sowie eine konsequente Erziehung des Tieres ermöglichen ein harmonisches Miteinander.

Kurse: Die Tierärztliche Ordination Tiergarten Schönbrunn bietet neuerdings Kurse und Trainingangebote für HundehalterInnen an. Infos und Anmeldung unter Tel 01 / 877 20 01 bzw. www.zoodoc.at

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