NMS Eibengasse: Wo Schüler Unternehmer werden
Den Weg zu den Keksen kann niemand verfehlen, denn im ganzen Schulhaus weisen Pfeile auf den Verkaufsstand der „Stressless Junior Basic Company“ hin.
Ein kurzer Weg für die Kunden, ein langer für die Produzenten. Denn bevor die Schülerinnen und Schüler ihre süßen Verführungen verkaufen konnten, mussten sie eine Firma gründen – mit allen Abteilungen, die nötig sind: Produktion, Geschäftsführung, Marketing, Finanzabteilung, Verkauf und Qualitätsmanagement. Die Firmengründer besuchen ein vierte Klasse der Mittelschule Eibengasse in Wien-Donaustadt, wo Berufsorientierung Teil des Lehrplans ist. Wer sich nicht für Wirtschaft interessiert, kann Technik, Gesundheit oder Tourismus wählen.
Theorie ist hier Nebensache, es geht vor allem um die Praxis. Denn nur wer den Arbeitsalltag kennt, kann feststellen, ob ihm ein Beruf liegt. Wiktoria und Angelina wissen zum Beispiel, was es heißt, Chef zu sein: Sie sind die Geschäftsführerinnen. Wie sie zu dem Job kamen? „Wir haben uns beworben – mit Anschreiben, Lebenslauf und Vorstellungsgespräch bei zwei Lehrern und der Direktorin“, erzählt Angelina.
Als sie den Vertrag in der Tasche hatten, war ihr erster Schritt zu überlegen, mit welcher Produktidee sie Erfolgsaussichten haben. „Da wir in einer Zeit leben, in der alle über Stress stöhnen, haben wir uns für zwei Produkte entschieden – Kekse und Stressbälle. Beides stellen wir selbst her“, berichtet Wiktoria.
Die Entwicklung ihrer „Stress-weg-Produkte“ war schwieriger als gedacht: Zuerst musste ein Rezept gefunden werden, weshalb die „Bäcker“ Janik und Moaz einige Stunden in der Küche standen. Als sie den Keks gefunden hatten, der ihren Ansprüchen entsprach, konnten sie nicht gleich loslegen: „Wir mussten zuerst klarstellen, ob wir alle Zutaten wie etwa rohe Eier verwenden dürfen“, erzählt Qualitätsmanagerin Valentina. Weil Hygiene wichtig ist, hat sie einen Leitfaden entworfen: In der Backstube müssen die Hände gewaschen werden und jeder hat eine Haube zu tragen. Wer will schon Haare im Keks?
Die Stressbälle zu entwerfen, war einiges herausfordernder: „Da half uns der Chemielehrer“, verrät Katharina. Und selbst als die Bälle entwickelt waren, gab es noch Beschwerden: „Dabei lernten wir, was Qualitätsmanagement und Umgang mit Kundenbeschwerden heißt.“
Auch um das nötige Kapital mussten sich die Schüler selbst kümmern. Wie die Profis verkauften sie Anteilsscheine für fünf oder zehn Euro. Einer davon hängt im Zimmer der Direktorin.
Selbst im Stress
Was blieb bei den Schülern hängen? „Wir standen unter Zeitdruck und mussten lernen, mit Stress umzugehen“, erzählt Angelina. „Zudem haben wir erlebt, was Teamarbeit bedeutet und wie man mit Stärken und Schwächen von Mitarbeitern umgeht.“
Die Stärken zu stärken, das ist das Ziel von Direktorin Doris Pfingstner, die Mitglied im KURIER-Bildungsbeirat ist. „Wer die Stärken kennt, weiß am ehesten, wie es nach der Mittelschule weitergeht. Für einige ist eine Lehre, für andere eine weiterführende Schule der richtige Weg. Im Alter von 15 Jahren machen manche ja noch enorme Entwicklungsschritte.“
Die Eibengasse kooperiert deshalb mit der HAK Polgarstraße (Wien). Deren Direktor Christian Posad lobt die Arbeit der Mittelschule: „Es ist schön zu sehen, wie viele es nachher bei uns gut schaffen.“ So wie zum Beispiel Merve, die im kommenden Jahr die Matura macht: „Ich war vorher in einem Gymnasium, wo mein Selbstvertrauen vollkommen zerstört wurde. Deshalb wechselte ich in die Eibengasse. Hier habe ich gelernt, wieder an mich zu glauben – ohne das hätte ich die HAK sicher nicht geschafft.“
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