Nicht Fisch, nicht Fleisch: Kann Sport vegan sein?

Pflanzliche Ernährung im Spitzensport galt lange als rotes Tuch. Nun schwärmen immer mehr Athleten von ihrem veganen Lebensstil. Was Experten zu dem Trend sagen.

In seiner aktiven Zeit als Bodybuilder verzehrte Arnold Schwarzenegger bis zu 15 Eier – pro Tag. Dazu kamen Milchprodukte und Unmengen an Fleisch. Dieses, so wurde ihm und Millionen anderen Menschen jahrzehntelang suggeriert, sei für Muskeln und Männlichkeit schließlich unerlässlich. Wer „ein echter Kerl“ sein will, isst am besten schon zum Frühstück ein Steak. Heute schwört der Ex-Gouverneur auf Mandelmilchsmoothies und Fleischersatzprodukte aus Erbsenprotein.

Was war passiert?

Der 72-Jährige ist einer von vielen (ehemaligen) Spitzensportlern, die tierische Produkte von ihrem Speiseplan verbannten und seitdem keine Gelegenheit auslassen, die positiven Folgen – von mehr Energie über Leistungssteigerung bis zu besseren Blutwerten und weniger Allergien – zu preisen. Einige von ihnen kommen im neuen, bereits im Vorfeld viel besprochenen US-Dokumentarfilm „The Game Changers“ zu Wort, der kommende Woche in Österreichs Kinos anläuft: Der ehemalige Elitesoldat James Wilks erzählt darin, wie er nach einer schweren Verletzung in der Hoffnung, rasch wieder fit zu werden, Hunderte Ernährungsstudien durchackerte und schließlich zum Veganer mutierte.

Den Ausschlag gab eine fünf Jahre alte Studie, an der auch Forscher der MedUni Wien beteiligt waren: Anhand von Knochenanalysen fanden Mediziner damals heraus, dass sich Gladiatoren hauptsächlich von Getreide und Bohnen – also vegan – ernährt haben mussten.

Die Ergebnisse gaben Wilks zu denken. Wenn die einst stärksten und mutigsten Athleten ihrer Zeit ohne Fleisch Höchstleistungen erbrachten – warum sollte es zweitausend Jahre später nicht möglich sein?

Als Sportler vegan leben? Diese Profis machen es vor:

Lewis Hamilton mit Kappe und Sonnenbrille geht auf einer Straße entlang.

Lewis Hamilton

Lewis Hamilton (34) ist fünffacher Formel-1-Weltmeister und seit 2017 begeisterter Veganer.

Novak Đoković feiert mit erhobenem Schläger und Tennisball in der Hand.

Novak Djokovic

Novak Djokovic (32), Tennisprofi, setzt auf eine glutenfreie und  großteils pflanzenbasierte Ernährung.

Ein Mann mit blonden Haaren und einem roten T-Shirt mit dem österreichischen Wappen lächelt.

Sebastian Prödl

Sebastian Prödl (32) spielt im österreichischen Nationalteam und lebt hauptsächlich vegan. Ein Interview über seine Beweggründe gibt es weiter unten zu lesen.

Arnold Schwarzenegger spricht bei einer Veranstaltung in ein Mikrofon.

Arnold Schwarzenegger

Arnold Schwarzenegger (72), Terminator, Umweltaktivist und Bodybuilder, begann 2016, seinen Fleischkonsum drastisch einzuschränken.

Ein Mann mit Bart und kariertem Hemd posiert vor dem Hintergrund der Internationalen Filmfestspiele Berlin und zeigt seine Muskeln.

Patrik Baboumian

Patrik Baboumian (40), stärkster Mann Deutschlands, ist seit 2011 Veganer und entkräftet manches Vorurteil.

Das Proteinproblem

Der Mega-Lifestyle-Trend der vergangenen Jahre breitet sich nun also auch in der Sportwelt aus: Neben Profis wie Lewis Hamilton und Venus Williams lassen auch immer mehr Hobbyathleten aus gesundheitlichen oder ökologischen Gründen Fleisch, Milch, Käse und Eier weg, berichtet der Wiener Sportmediziner Robert Fritz. Eine gute Idee? Immerhin galt Veganismus und Sport lange als Widerspruch – ohne tierische Proteine, so hieß es, könne man nicht leistungsfähig sein.

„Man kann auch mit veganer Ernährung Höchstleistungen erbringen. Es ist allerdings mit einem Aufwand verbunden“, sagt Fritz. Auch die Österreichische Gesellschaft für Sporternährung (ÖGSE) rät nicht per se ab. Vegane Ernährung sei aber nur dann geeignet, „wenn durch die Auswahl von entsprechenden Lebensmitteln – Hülsenfrüchte, Obst und Gemüse, Nüsse, Samen, Öle – der erhöhte Energiebedarf abgedeckt wird“.

Die größte Herausforderung für Veggie-Sportler: ausreichend Eiweiß, das für Muskelaufbau und Regeneration benötigt wird, zuzuführen. Essenzielle Aminosäuren, die der Körper nicht selber produzieren kann, aber unbedingt braucht, sind in tierischen Lebensmitteln hochwertiger vertreten. Fritz empfiehlt Veganern daher ein „hohes Profil an verschiedenen Aminosäuren“. Kalziummangel könne man durch Gemüsesorten wie Brokkoli oder Fenchel bzw. Sojadrinks vorbeugen.

Nicht jeden Bedarf deckt das Gemüseregal. „Meine veganen Sportler kommen an Nahrungsergänzung nicht vorbei“, sagt der Arzt. Das betrifft Eisen und Vitamin B12.

Pflanzliche Proteinquellen:

Ein Holzlöffel gefüllt mit gewürfeltem Tofu.

Tofu

Der beliebte Fleischersatz  enthält zwischen 12 und 19 Prozent Eiweiß, liefert aber auch Eisen, Magnesium, Kalzium und B-Vitamine.

Eine Schüssel ist mit gekochter Quinoa gefüllt.

Quinoa

Mit 15 Prozent Eiweiß, einer idealen Auswahl an Aminosäuren sowie ungesättigten Fettsäuren ist der kalorienarme Inka-Reis eine gute Alternative zu Nudeln und Kartoffeln.

Rote Kidneybohnen in einer hölzernen Schüssel.

Hülsenfrüchte

Bohnen, Linsen, Kichererbsen sind reich an Kalium und Ballaststoffen. Linsen sind sogar eiweißreicher als Fleisch, sollten aber immer mit anderen Eiweißquellen kombiniert werden.

Eine hölzerne Schüssel gefüllt mit verschiedenen Nüssen auf einem Holztisch.

Nüsse

Die Energiebooster bestechen durch eine günstige Nährstoffdichte. So versorgen sie den Körper etwa mit wertvollen Omega-3-Fettsäuren, die sonst in Fischen enthalten sind.

Ein Teller ist mit frischem, grünen Babyspinat gefüllt.

Blattspinat

Die grünen Blätter zählen, so wie Brunnenkresse, Champignons und Brokkoli,  zu den eiweißreichen Gemüsesorten (wusste schon Popeye) und wirken entzündungshemmend.

Eine Kopfsache

Und was sagt die Wissenschaft? Über eine schlechte Wirkung von Milchprodukten etwa gibt es keine allgemeinen Aussagen. Dass eine pflanzenbasierte Diät Cholesterin und Blutdruck senkt und somit gut für das Herzkreislaufsystem ist, konnten Forscher inzwischen belegen.

Die kollektive Veggie-Euphorie sei häufig auch eine Kopfsache, sagt die Ernährungswissenschaftlerin Katharina Bruner: „Wenn man sich eine Zeit lang bewusst ernährt, fühlt man sich danach besser – egal, in welche Richtung.“ Die Verbreitung einzelner Erfahrungen über sozialen Medien – vor allem durch Stars – trage das Ihre zum Hype bei: „Ernährung ist ein Religionsersatz geworden.“

Fleischesfrust

Mit ihrem Verzicht auf Fleisch taugen Arnie, Novak und Co. auf jeden Fall als Vorbilder. „Wir essen derzeit das Dreifache der empfohlenen Menge“, sagt Bruner. „Nicht Fleisch per se ist schlecht, sondern die Menge.“ Über die ökologischen Folgen der globalen Fleischeslust wurde ausgiebig berichtet; auch medizinisch macht es Sinn, fleischfreie Tage einzulegen – nicht nur für Sportler: „Fleisch hat einen schlechten Einfluss auf die Darmflora, die das gesamte Gesundheitssystem beeinflusst“, sagt Bruner. In hoher Menge kann es zu Entzündungen führen, chronische Entzündungen anheizen und Darmkrebs begünstigen.

Formel-1-Pilot Lewis Hamilton hatte also allerlei gute Argumente parat, als er seine Teamkollegen im Juli zu einem veganen Grillfest einlud. Alle seien „begeistert“ gewesen, verkündete er stolz auf Instagram. Die Gruppe der veganen „Game Changers“ im Spitzensport könnte also noch weiter wachsen. Dass weder Muskeln noch Männlichkeit unter veganer Ernährung leiden, sollte endgültig bewiesen sein.

Fußballprofi Sebastian Prödl: "Gesundheit sollte kein Trend sein"

Der 32-jährige England-Legionär (FC Watford) möchte seinen gesunden Lebensstil nach Österreich bringen. Er erzählt, warum er fast gänzlich auf tierische Produkte verzichtet.

KURIER: Warum haben Sie Ihre Ernährung umgestellt? 

Sebastian Prödl: Zu Beginn meiner Karriere habe ich mich nicht so gesund ernährt. Mit der Zeit habe ich mich immer mehr damit beschäftigt, im  gesundheitsbewussten London hat das einen Höhepunkt erreicht. Nach einigen Verletzungen und Rückschlägen habe ich gemerkt, dass ich etwas ändern muss, und habe mich auf die Ernährung fokussiert. Ich habe Zucker und Weizen weggelassen und entzündungshemmend gegessen, also viel Blattgemüse, Spinat, Hülsenfrüchte. Da habe ich gemerkt, wie schnell Entzündungen verschwinden können und Verletzungen oder Schwellungen heilen.  Bis heute habe ich Milchprodukte um 90 Prozent reduziert, Fleisch gibt es ein Mal pro Woche und sehr ausgewählt. Ich fühle mich vitaler, fitter und habe weniger Entzündungen. Nach dem Essen bin ich satt, aber nicht voll.

Ein österreichischer Fußballspieler mit einem Ball.

Fußballprofi Sebastian Prödl beim Training.

Mit Ihrer Frau haben Sie „June Lifestyle“ gegründet, Sie bieten Yoga-Retreats und Ernährungsworkshops an. Was war Ihre Motivation? 

Wir wollen unseren privaten Lebensstil nach Österreich bringen. Gesundheit sollte kein Trend sein, sondern eine Lebenseinstellung. Hier gibt es gefühlt keinen fleischlosen Tag, es heißt immer, was soll man sonst essen. Wenn man recherchiert und offen ist, merkt man, dass es auch andere Zugänge gibt. 

Yoga ist ein Frauensport, Männer, vor allem Sportler, müssen viel Fleisch essen – solche Klischees gibt es immer noch. Tut sich da etwas?  

Ich habe meinen Weg gefunden, da ist es mir relativ egal, was andere Leute sagen. In London ist man da schon weiter, in Österreich dauert es immer etwas länger, bis sich die Dinge ändern.

Hatte Ihre Entscheidung auch ökologische Gründe?

Wenn man sieht, was gerade auf der Welt passiert, vom Amazonas bis zur Klimaerwärmung, dann sollte man  ehrlich zu sich selbst sein und sich fragen, wie viel Anteil man selber daran hat. Ich denke, unsere Generation muss sich intensiv damit befassen  – sonst haben unsere Kinder nichts mehr davon.

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