Muscheln und vieles Meer
Die Zehen in den Sand stecken, den Kokosnuss-Verkäufer herwinken und stundenlang nach Muscheln suchen. So ungefähr sieht die Urlaubsplanung des durchschnittlichen Mitteleuropäers aus. Doch kaum ist der Sonnenschirm aufgespannt, wird klar: Sandstrände und Dünen sind keine sterilen Sandhaufen, sondern dynamische Lebensräume für speziell angepasste Tiere und Pflanzen: Jakobs- und Herzmuscheln, Einsiedlerkrebse und Strandkrabben, Korallenmöwen und Wildkaninchen, Neptungras und Meersalat leben hier.
Robert Hofrichter ist zehn Jahre alt, als er 1967 zum ersten Mal an die nördliche Adria kommt. "Das Mittelmeer war damals faszinierend, ich erinnere mich an von Algen überwachsene Felsen und Schwärme von Goldstriemen (eine Meerbrasse, Anm.)." Der Salzburger Meeresbiologe kehrt 20 Jahre später an den Traumstrand seiner Kindheit zurückkehrt und ist schockiert: "Das war eine fremde Welt, nur noch kahle Kalkfelsen, Massen von Seeigeln hatten die Algen abgeweidet."
Hofrichter gründet Vereine zum Schutz der Mittelmeerküsten. "Die Küsten sind so wahnsinnig wichtig, weil hier die zwei großen Lebensräume der Erde zusammentreffen, sie sind ein Paradies für die Vogelwelt." Mit der Fischfauna geht es allerdings bergab. Wie eine Untersuchung des Hellenic Center for Marine Research in Griechenland zeigt, werden seit 1990 immer mehr junge Fische aus dem Meer geholt, noch bevor sie sich fortgepflanzt haben.
Auch andere, einst typische Bewohner, wie die Steckmuschel, sind in ihrem Bestand gefährdet. Die bis zu einem Meter große Muschelart wurde jahrzehntelang rücksichtslos ausgebeutet und von Sporttauchern als Souvenir mitgenommen.
In manchen Meeren besetzen von Kreuzfahrtschiffen und Containerriesen eingeschleppte Arten die frei werdenden ökologischen Nischen. Die Pazifische Auster wurde vor 20 Jahren vor der Nordseeinsel Sylt sogar bewusst ins Meer gesetzt, sie sollte die ausgestorbene Europäische Auster ersetzen. Wie die Sylt-Touristen fühlt sich die Pazifik-Auster an der Nordsee überraschend wohl, so sehr, dass sie bereits heimische Arten verdrängt.
Lebende Muscheln erfüllen eine wichtige Funktion, sie sind die Kläranlagen der See. 15 Liter schafft seine Miesmuschel pro Tag. Sie saugen Wasser an und fressen das darin enthaltene Plankton. Eine Handvoll gesammelter toter Muscheln "wird das Mittelmeer nicht umbringen", sagt Hofrichter. Hingegen sollte man von Schneckenschalen die Finger lassen. Sie dienen den Einsiedlerkrebsen als Gehäuse. Wer die Brandung hören will, muss in die Tropen reisen. Die prächtigen Gehäuse großer Meeresschnecken sollte man nicht im Souvenirladen kaufen, sagt Hofrichter, "die Tiere werden umgebracht".
Strände sind ein herausfordernder Lebensraum für kleine Tiere. Fressfeinde gibt es zuhauf, bei Ebbe fallen Vögeln in Schwärmen ein, bei Flut suchen Fische, Krabben und Sepien (Tintenfische) nach Beute. Wellen brechen über den Stränden zusammen, Wind Regen und Sonne setzen ihm zu.
Für Erholungssuchende ist das noch ein Glück. "Oder gibt es jemanden, der auf dem Sonnenöl-durchtränkten Strand vergangener Jahre liegen möchte?", fragt der Geologe Klaus Schwarzer von der Universität Kiel.
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