Mozilla-Chef Gary Kovacs: "Wir haben manches verschlafen"

Mozilla-Chef Gary Kovacs: "Wir haben manches verschlafen"
Im Interview mit der futurezone spricht der gebürtige Kanadier über die Pläne mit dem mobilen Betriebssystem Firefox OS, das zwiespältige Verhältnis zu Google und die viel kritisierten beschleunigten Browser-Updates.

futurezone: Der mobile Markt ist mit iOS, Android und dem kommenden Windows Phone 8 schon jetzt heiß umkämpft. Wieso will Mozilla  nun mit dem eigenen  Betriebssystem Firefox OS in den Wettbewerb einsteigen?
Gary Kovacs: Die  genannten sind großartige Betriebssysteme, aber sie repräsentieren nicht das Web. Im Gegensatz zu uns verlangen die anderen Plattformen, dass man sich für immer in ihren geschlossenen System bewegt. Firefox OS hingegen ist einfach das  Web. Es wird jedem erlauben, daran teilzunehmen und dafür Dinge zu entwickeln.

Welche Geräte und welche Nutzer hat Mozilla mit Firefox OS im Visier?

Firefox OS soll auf günstigen 100-Dollar-Geräten laufen. Wir haben jetzt nicht Menschen im Blickwinkel, die in Industrieländern leben, sondern die anderen 2,5 Milliarden, die in Entwicklungsländern und großteils unter der Armutsgrenze leben. So erhalten auch diese Menschen die Möglichkeit, ein Smartphone mit zahlreichen Funktionen zu nutzen.

Wie wollen Sie ein Ökosystem rund um das Betriebssystem aufbauen, wie es die anderen Plattformen mit ihren App-Stores bereits haben?
Das Ökosystem rund um das Web, das Internet, existiert ja schon. Apple hat heute 100.000 Entwickler für iOS an Bord, Android drei oder vier Mal so viele. Aber für das Web gibt es zehn Millionen Entwickler, sie beherrschen die Programmiersprachen HTML und Javascript.

Wann soll Firefox OS fertig für den Marktstart sein?
Das wird Mitte nächsten Jahres sein. Als Erstes werden wir in Lateinamerika und in einigen ehemaligen Ostblock-Ländern starten.

Es gab zuletzt immer wieder harsche Kritik an den ständigen Updates für den Browser Firefox. Was sagen Sie dazu?

Das ist berechtigte Kritik. Wir hatten zuvor einen Update-Zyklus von 44 bis 48 Monate, das war lächerlich langsam. Offen gesagt, sind wir da hinter die anderen zurückgefallen. Also mussten wir  einen sehr viel schnelleren Weg finden, um Innovationen abzuliefern. Wenn User sich jetzt  beschweren, kritisieren sie aber nur die Unannehmlichkeit, das Update machen zu müssen.

Das bedeutet?
Sie regen sich nicht über neue Funktionen oder bessere Datenschutz-Optionen auf. Leute wollen bei Programmen nicht zum Interagieren gezwungen werden. Updates werden zukünftig daher unbemerkt im Hintergrund ablaufen.

Firefox pflegt eine enge Partnerschaft mit Google. Wie schafft Mozilla den Spagat zwischen Kooperation und hartem Wettbewerb mit Googles eigenem Browser Chrome ?
Zunächst einmal wollen wir sicherstellen, dass das Web für alle zur Teilnahme offen ist. Ob wir jetzt 30 Prozent Marktanteil haben oder Chrome 29 und Internet Explorer 40 Prozent,  ist nicht das, wofür wir kämpfen. Uns geht es darum, dass es einen übereinstimmenden Zugang zum Web gibt.

Chrome hat aber dazu beigetragen, dass der Höhenflug von Firefox gestoppt wurde.

Natürlich ist mit Chrome neuer Wettbewerb entstanden. Microsoft war immer ein wenig verschlafen, während wir anfangs aggressiver waren. Dann allerdings, mit den schon erwähnten langen Update-Zyklen, haben auch wir manches  verschlafen. Google hat da wieder neue Energie hereingebracht, Wettbewerb ist gut.

Mozilla hat sich  entschlossen, das eMail-Programm Thunderbird nicht mehr weiterzuentwickeln und stattdessen in die Hände der Community übergeben. Viele Nutzer sind darüber enttäuscht, überrascht Sie das?

50 Prozent unseres Codes werden ohnehin von der Community entwickelt. Ich hab also seither tatsächlich keinen maßgeblichen Unterschied im Zugang zu Thunderbird feststellen können. Ich höre auch kaum noch Beschwerden, wie zu Beginn. Die Situation, wie sie ist, scheint jetzt für alle zufriedenstellend zu sein.

Die Geschichte der Mozilla-Stiftung, die für die Entwicklung des Firefox verantwortlich zeichnet, ist ebenso bewegt wie die Entstehung des Internets selbst. Ursprünglich hervorgegangen aus dem Browser-Pionier Netscape, der die Browserschlacht in den 90er-Jahren gegen Microsoft verlor, schaffte Mozilla mit seinem Firefox-Browser das scheinbar Unmögliche.

Mozilla ließ den fast 100-prozentigen Marktanteil von Microsofts Internet Explorer global nicht nur auf die Hälfte zusammenschmelzen, vielmehr zwang er den Marktgiganten auch zur Einhaltung von offenen Webstandards.In Ländern wie Österreich hat der Firefox-Browser seinen Konkurrenten mittlerweile abgehängt und kommt laut dem Analyse-Unternehmen StatCounter auf knapp 40 Prozent Marktanteil (Internet Explorer: 28 Prozent).

Starke Konkurrenz droht allerdings vom langjährigen Kooperationspartner Google, der mit seinem leistungsstarken eigenen Browser Chrome sowohl Mozilla als auch Microsoft stark unter Druck setzt. Der Plan, mit Firefox OS ein eigenes Handy-Betriebssystem auf den Markt zu bringen, kann folglich auch als Befreiungsschlag interpretiert werden, der die Zukunft der als gemeinnützigen Stiftung geführten Mozilla Foundation sichern soll. Laut Mozilla will man damit auch  ein Zeichen für das offene freie Web setzen.

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