Sidsel Dalby Glerup ist es gewohnt, unterschätzt zu werden. Mit ihren langen blonden Haaren und blauen Augen widerspricht die Dänin allen Vorstellungen, die die meisten Menschen von einem Diamanthändler haben. Männlich und mittleren Alters – so liest sich der typische Steckbrief in ihrer Branche. Die 42-Jährige hat es als eine der wenigen Frauen weltweit geschafft, sich in einem durch und durch männerdominierten Segment einen Namen zu machen.
Dass sie heute mit einigen der weltweit wertvollsten Edelsteine handelt, ist keine typische Geschichte des lang gehegten Berufswunsches. Glerup studierte Marketing und Wirtschaft in Kopenhagen, kletterte bereits in jungen Jahren die Karriereleiter in großen Unternehmen wie Microsoft hinauf. Ihre Freizeit verbrachte die passionierte Reiterin hauptsächlich im Sattel. „Im Jahr 2009 hatte ich einen schweren Reitunfall, das Pferd stieg mir damals auf den Kopf“, erzählt Glerup. „Danach war ich ein Jahr lang ans Bett gefesselt.“
Im Zuge ihrer Genesung beschloss die Dänin, einen beruflichen Neustart zu wagen. Statt einer Konzernkarriere hatte sie immer vom Unternehmertum geträumt: „Ich begann mit dem An- und Verkauf von Altgold, bald wollte ich jedoch den Schritt in die Diamantbranche machen.“
Nicht hineingeboren
Kurz nach Beginn ihrer gemmologischen Ausbildung am renommierten Gemological Institute Of America (GIA) (mehr dazu siehe Infokasten) war klar, dass sie nicht nur aufgrund ihres Geschlechts eine Außenseiterin war: „Alle anderen Studierenden wurden in diese Welt hineingeboren, ihre Familien handelten seit langer Zeit mit Diamanten“, erinnert sich die 42-Jährige. Sowohl Fremde als auch Freunde trauten ihr nicht zu, Teil dieser von alten Traditionen geprägten Branche werden zu können. „Ich musste umso härter arbeiten, um mich zu beweisen. Der Diamanthandel ist eine geschlossene Gesellschaft – man muss sehr geduldig und hartnäckig sein, um einen Fuß in die Tür zu bekommen.“
Und eine gute Netzwerkerin. Weil Glerup sich bereits während ihrer Ausbildung gute Kontakte aufbaute, begann sie kurz nach dem Abschluss einzelne Steine in den Diamantbörsen in Antwerpen und New York zu kaufen und danach weiterzuverkaufen.
Mittlerweile hat sich die Dänin auf farbige Diamanten spezialisiert, die sie weltweit für ihre Kundschaft sucht. „Sogenannte Fancy Coloured Diamonds sind für mich eine gute Nische – und eine hervorragende alternative Anlage zu Gold oder Aktien. Zum Beispiel die Preise für rosafarbene Diamanten sind in den vergangenen 20 Jahren immer stärker gestiegen. Es ist eine smarte Art, sein Vermögen anzulegen – und es gleichzeitig tragen zu können.“
Lose im Safe
Wobei rund die Hälfte jener Edelsteine, die Glerup an ihre gut betuchte Klientel verkauft, lose im Safe liegen bleibt. Darunter auch Fundstücke, die sogar eine Diamanthändlerin nur äußerst selten unter die Lupe bekommt: „Einer der außergewöhnlichsten Steine, die ich je verkauft habe, ist ein roter Diamant.“ Rot ist die seltenste in der Natur vorkommende Diamantfarbe, nur wenige Dutzend reinrote Varianten des härtesten Minerals wurden jemals gefunden.
Ihren Arbeitsalltag teilt Sidsel Dalby Glerup mit fast 100.000 Followern auf ihrem Instagram-Account @dalbydiamonds. Im Sommer wird in Dänemark ein Buch über ihren Werdegang erscheinen. „Ich möchte mehr Einblicke in diesen Beruf ermöglichen und anderen Frauen zeigen, dass auch sie Diamanthändlerinnen werden können. Wenn ich es kann, könnt ihr es auch.“
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