Der Herr von heute steht mehr auf gut gestylt. Der Bart symbolisiert mehr Gentleman als Pornobalken. Und die prächtigen Rotzbremsen eines Burt Reynolds oder Tom Sellecks oder anderer Exemplare mit offenen Hemdkrägen, Brustbehaarung und Goldketterln sind auch eher passee – auch Sätze wie „Die absolute Härte sind Oberlippenbärte“.
Ironisch ist da nichts mehr. Noch in den 2000ern ließen sich junge Männer vom damaligen New Yorker Trendviertel Williamsburg ausgehend den Oberlippenflaum stehen. Jene, die mit prächtigerem Bartwuchs gesegnet waren, zwirbelten sich dann auch in den anderen Großstädten dieser Welt die Enden hoch. Die „Bärte der Hipster wurden ‚ironisch‘ getragen, sollten also das Gegenteil bedeuten, was absolut keinen Sinn ergab. Zitiert wurde weiße Männlichkeit aus der amerikanischen Vergangenheit des 19. Jahrhunderts, aus dem Hinterland der Hillbillies, aus der proletarischen Klasse“, schrieb der Autor Heinrich Dubel im GQ Magazin.
Und die Mädchen malten oder tätowierten sich den so genannten ’stache auf den Zeigefinger. Weil es so lustig und ironisch war, sich diesen unter die Nase zu halten. So ein stilisierter Bart prangte später auf T-Shirts und Kaffeehäferln. Und hat jetzt selbst ganz schön einen Bart. Die Ironie frisst ihre eigenen Kinder.
Ansonsten wurde der Schnauzer aber durchwegs mit einem gewissen Ernst getragen. Der Deutsche Kaiser Wilhelm II. etwa bog die Enden preußisch korrekt nach oben. Dass der Haarwuchs auch stramm dort blieb, dafür sorgte er mit einer Bartbinde, die er nachts trug. Wer sich politisch dem Monarchen zugehörig fühlte, trug auch gerne einen derartigen Bart und outete sich so als kaisertreu. Die Form war so prägend, dass in der Barber-Szene noch heute der Kaiser-Wilhelm-Bart – oder internationaler der Imperial Moustache – getrimmt wird.
Gegen Wagner und Nebel
Eine auch ikonisch gewordene Form machte Salvador Dalí bekannt. Und diesen führte der Künstler auf die Ablehnung eines anderen berühmten, ebenfalls nicht für seine Sanftmut bekannten Deutschen zurück. So postulierte dieser in seiner Autobiografie: „Sogar im Schnurrbart wollte ich Nietzsche übertreffen! Mein Bart soll nicht deprimierend, katastrophisch, erdrückt von Wagner-Musik und Nebel sein. – Nein! Er soll dünn, imperialistisch und ultrarationalistisch sein und in den Himmel zeigen wie der vertikale Mystizismus.“
Weniger exzentrisch und verschwurbelt, dafür umso eleganter und verführerischer wirkte der dünne Bart Clark Gables. Durchs Lippenspitzen am Gegenüber Vivian Leigh in „Vom Winde verweht“ kam der besonders zur Geltung – und die Zierde bekam viele Bewunderinnen und viele Nachahmer. Einer davon wurde Brad Pitt, der den Bart für „Inglourious Basterds“ tragen musste und sich auch nach Drehschluss stehen ließ. Weil Schnurrbärte nicht genügend respektiert würden, meinte der Star.
Der Rasur-Experte Reitbauer würde da eher widersprechen. „Ich finde nicht, dass der Schnauzer negativ behaftet ist. Wenn man sich die 1970er ansieht, da war er schon sehr angesagt. Die Fußballer wie Schneckerl Prohaska waren damals die Vorreiter.“ Der Bart gepaart mit dem Vokuhila entwickelte sich bis in die 90er hinein – gerade in der deutschen Bundesliga – zu einer Art Kickeruniform. Seit geraumer Zeit wird er wieder am grünen Rasen gesichtet. Er ist nur nicht mehr ganz so üppig wie einst.
Einer bleibt ein Tabu
Frisuren gibt es genug – rund zwei Dutzend. Eine ist aber tabu: der kleine, aus den USA kommende, ursprünglich Zahnbürstenbart heißende Stil. Im Europa der Jahrhundertwende stand er für das Moderne und gegen das Feudale. „Es ist bemerkenswert, dass derselbe Bartstil von einem der lustigsten Menschen des 20. Jahrhunderts getragen wurde und zugleich von einem der bösesten“, schrieb Dubel im GQ Magazin.
Charlie Chaplin und Adolf Hitler. Chaplin trug den Bart zum letzten Mal, als er 1940 in „Der große Diktator“ spielte. Bis heute symbolisiert der Bart das Böse. Oder wie es Dubel treffend formuliert: „Der Hitlerbart ist die wirkungsmächtigste Anordnung von Gesichtsbehaarung, die die Welt je gekannt hat. Es reicht, sich zwei Finger unter die Nase zu halten und schon ist man Hitler und eben nicht Charlie Chaplin.“
Dann schon lieber einen längeren, womöglich gezwirbelten Bart. Der erfordert aber etwas Geduld. „Das Zwirbeln kann man erst ab einer Länge von 1,5 bis 2 Zentimeter beginnen“, erklärt Barbier Reitbauer. Und momentan sei das wegen der Pandemie noch etwas schwierig, weil durch die FFP2-Masken der Bart ramponiert werde. Da muss man(n) sich noch etwas in Geduld üben. Oder eine andere Variante andenken. Und wer wissen will, für welchen Gesichtstyp welcher Bart passt, für den hat Reitbauer eine ganz einfache Weisheit parat. „Wo nichts wächst, gehört nichts hin.“
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