Die Nachricht verbreitete sich am ersten Adventssonntag wie ein Lauffeuer in den sozialen Medien: Virgil Abloh, Chefdesigner der Männerkollektion von Louis Vuitton, erlag am vergangenen Wochenende im Alter von nur 41 Jahren seinem Krebsleiden. Über seinen zweijährigen Kampf gegen ein kardiales Angiosarkom, eine sehr seltene und aggressive Krebsform, hatte der Modemacher bis zuletzt geschwiegen.
Ablohs Familie – er hinterlässt eine Frau und zwei Kinder – veröffentlichte emotionale Abschiedsworte auf seinem persönlichen Account. Er habe mehrere herausfordernde Behandlungen durchstehen müssen. „Seine Arbeitsmoral, seine unendliche Neugierde und sein Optimismus haben ihn nie im Stich gelassen. Virgil wurde von seiner Hingabe an sein Handwerk und seiner Mission angetrieben, Türen für andere zu öffnen und Wege für mehr Gleichberechtigung in Kunst und Design zu schaffen“, teilte Ablohs Familie mit.
Sprungbrett
Dass er einst zu einem der einflussreichsten Modedesigner unserer Zeit aufsteigen würde, zeichnete sich für den Sohn ghanaischer Einwanderer lange Zeit nicht ab. Sein Vater hatte ihm einen Bauingenieur-Studiengang ausgesucht, auf den ein Master in Architektur folgte. Sein einziger Berührungspunkt mit der Fashion-Welt: Die Mutter war Näherin, brachte ihrem Sohn die Basics ihres Handwerks bei.
Im Alter von 22 Jahren traf Virgil Abloh zum ersten Mal auf Kanye West und wurde Teil seines Kreativ-Teams. Im Zuge einer Sneakers-Kooperation des Rappers mit Louis Vuitton ließ sich das Duo im Jahr 2009 erstmals auf der Pariser Fashion Week blicken. „Niemand hatte zu dieser Zeit Streetwear auf dem Radar, aber die Gespräche bei Abendessen nach den Shows gingen in die Richtung ’Die Mode braucht etwas Neues. Sie stagniert’“, erzählte Virgil Abloh später der GQ. Dies sei die Zeit gewesen, in der er gedanklich an ersten Ideen gebastelt habe.
Kurze Zeit später heuerten West, der seinerseits hohe Ziele in der Modewelt hatte, und Abloh als Praktikanten beim Luxusmodehaus Fendi, damals noch unter der Leitung von Karl Lagerfeld, an. Ein halbes Jahr lang durften die beiden Freunde für ein Gehalt von 500 US-Dollar monatlich das Modebusiness von der Pike auf erlernen.
Keine Schublade
2013 gründete Abloh sein eigenes Label Off-White – und wurde mit einem Schlag für Modefans weltweit ein Begriff. Seine Taschen, Kapuzenpullover und Gürtel mit plakativem Kreuz-Pfeil-Logo wurden zum Statussymbol vor allem junger Kundschaft. Die Luxusbranche beobachtete Abloh, der nicht einmal Mode studiert hatte, zunächst mit Skepsis. Er selbst bezeichnete sich einmal als „Tourist in der Modewelt“.
Ihn aufgrund seiner von der Hip-Hop-Welt inspirierten Design-Ästhetik als Streetwear-Galionsfigur zu bezeichnen, wäre nicht weit genug gegriffen. Seine Kooperationen mit unter anderem Ikea (die Teppiche gingen weg wie warme Semmeln) und Evian (für horrende Preise auf Ebay zu finden) zeigten, dass sich Virgil Abloh in keine Schublade stecken ließ. „Jeder wird klassifiziert. Aber ich bin heute das, morgen das. Etwas zu erschaffen, bedeutet Freiheit“, sagte der Kreative.
Von dieser komplett anderen Sichtweise auf die Modewelt wollte auch Louis Vuitton profitieren. 2018 wurde er zum Chefdesigner der Herrenlinie berufen – als erster Afroamerikaner an der Spitze eines französischen Luxusmodelabels.
Seine Krebsdiagnose, die er nur ein Jahr später erhielt, hielt ihn bis zuletzt nicht von seinem kreativen Streben ab: „Das Leben ist so kurz, dass man nicht einen einzigen Tag damit verschwenden kann, darüber nachzudenken, was jemand glaubt, was man schaffen kann anstatt zu wissen, was man kann.“
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