Kritik an "giftigem" Artikel über Influencerin Jessie Weiß

Jessie Weiß ist eine erfolgreiche Influencerin und war eine der ersten Modebloggerin in Deutschland
Die Zeit hat ein wenig schmeichelhaftes Porträt über Instagram-Promi Jessie Weiß veröffentlicht. Vor allem Influencer-Kollegen kritisieren den Artikel scharf.

Ein Jahr lang hat sich Emilia Smechowksi von der deutschen Zeit immer wieder mit Jessie Weiß getroffen, um ein großes Porträt über eine der ersten Bloggerinnen Deutschlands zu schreiben. Erschienen ist es nun im ZEITmagazin.

Jessie Weiß ist inzwischen hauptsächlich als Instagram-Influencerin mit dem Profil @journelles aktiv und macht Werbung für unterschiedliche Produkte. Es ist vor allem diese Tatsache, die im aktuellen Zeit-Artikel immer wieder erwähnt wird - und wie überraschend hervorragend Weiß damit verdiene. Fast so, als stünde das einer Influencerin nicht zu.

Böse Worte von Ex-Kollegen

Auch ihr ehemaliger Chef vom Interview Magazine wird zitiert. Sie sei zu durchschnittlich und nicht cool genug gewesen. Frühere Mitarbeiter kommen ebenfalls zu Wort. Weiß sei als Chefin streng und ungut gewesen. Was ihren Stil angeht, sagen Leute, die sich mit Mode "wirklich auskennen", er sei "langweilig".

Dazwischen fragt sich Autorin Smechowksi immer wieder, was an Jessie Weiß nun echt und was inszeniert sei.

"Sie prägt unser Bild, wie das Leben einer Frau auszusehen hat. Sie verdient Geld mit unseren Unzulänglichkeiten und Sehnsüchten. Sie hat Macht", so das Fazit der Redakteurin. Und: Dass man einen Menschen nie abgeschlossen porträtieren könne. Von Weiß habe sie gefühlt zwar tausend Bilder, aber hinter den tausend Bildern keine echte Welt finden können.

Viel Kritik für "herablassenden" Artikel über Weiß

Das Porträt sorgt für viel Gesprächsstoff, vor allem in der Netz-Szene. Es hagelt Kritik für den Printartikel - von Influencer-Kollegen, aber auch von Jessies Followern und Lesern.

Medienexperte Sasha Lobo, der für das Porträt interviewt wurde, meint: "Unnötig giftig, und eben nicht differenziert, was Jessie Weiß angeht, sondern nur auf die eigene Empfindungslandschaft der Autorin bezogen. Es sind zum Beispiel praktisch ausschließlich schlechte bis bösartige Zitate Dritter darin. Ansonsten tappt dieses Porträt exakt in die Falle, in die bisher praktisch alle klassischen, redaktionellen Medien getappt sind: die Herablassung ist mit Händen zu greifen."

Kollege Fabian Hart, der im Porträt zitiert wird, ärgert sich über den Bericht und fühlt sich falsch interpretiert.

Leserinnen reagieren: "Wenig differenziert"

Eine Leserin schreibt: "Leider ist das Porträt in Summe wenig differenziert, voreingenommen und herablassend. Es ist sogar verständlich, dass Leser:innen, denen Jessie Weiß kein Begriff ist, nach dem Lesen nicht wirklich schlauer sind – hat es die Autorin schließlich nicht geschafft, in ihrem Text, dem immerhin fünf Doppelseiten plus Titel eingeräumt wurden, irgendetwas Neues zu erzählen oder Frau Weiß und ihre Arbeit den Leser:innen näher zu bringen. Ganz im Gegenteil, es drängt sich förmlich die Frage auf, warum sie sich einem Thema gewidmet hat, dem sie scheinbar nicht mit journalistischer Offenheit begegnen konnte. Stattdessen hat sie sich vergeblich an dem Geschäftsmodell Influencer:in abgearbeitet, anstatt das Jahr (!) ihrer Recherche zu nutzen, um einen differenzierten Text zu schreiben, der nicht von ihrem 'latenten Misstrauen' (S. 21) geprägt ist. Der ganze Artikel unterscheidet sich in der Attitüde kaum von dem herablassenden Gehabe etablierter Medien zu Zeiten der ersten heranwachsenden Blogs und lässt damit das ZEITmagazin ganz schön alt aussehen – wirklich schade!"

Influencerin und Redakteurin Veronika Heilbrunner gibt der Leserin recht.

"Keinerlei neue Infos" im Artikel über Jessie Weiß

Ein ehemaliger Jessie-Fan: "Ich war großer Les Mads- und Jessie-Fan. Heute gleicht ihr Account leider wirklich einer Dauerwerbesendung für Produkte, die ich mir trotz recht guten Einkommens nicht leisten kann. Und die, vom Interior abgesehen, auch gar nicht mehr meinem Geschmack entsprechen. Jessie wirkte in den letzten Jahren - auf mich - auch immer unnahbarer und unsympathischer. Ich folge ihr trotzdem. Aus Nostalgie. Und weil ich weiterhin großen Respekt davor und große Bewunderung dafür habe, was sie aufgebaut hat. Aufgrund dieses Zwiespalts habe ich mich sehr auf den Artikel gefreut. Dass er so ausfallen wird, habe ich aber nicht im Ansatz erwartet. Und bin, was viele andere hier richtig gut auf den Punkt gebracht haben, erschrocken darüber, wie man in einem Medium wie dem ZEIT Magazin so voreingenommen, subjektiv, belastend, diffamierend und nicht differenzierend über jemanden schreiben kann. Es kann keinen anderen Grund als eine große persönliche Betroffenheit der Autorin geben. Die diesen Artikel deshalb besser einer Kollegin/ einem Kollegen hätte überlassen sollen.. Es sind wirklich keinerlei neue Infos enthalten und die Autorin macht auch keinen Halt davor, Jessies Mann durch oberflächliche Floskeln doof dastehen zu lassen. Vollkommen unnötiger Artikel."

Influencerin hält Artikel für "private Abrechnung"

Marie Nasemann - selbst Influencerin - schreibt: "Mal abgesehen von dem wirklich total banalen, antifeministischen Influencerinnenbashing, von dem man schon zig tausend mal gelesen hat, hatte der Artikel wirklich gar keinen Mehrwert. Was ist die Aussage? Influencer*innen wollen viel Geld verdienen und stellen ihr Privatleben zur Show. Glückwunsch zu dieser spannenden neuen Erkenntnis. Beim Lesen schlich sich schon stark das Gefühl ein, dass sich die Redakteurin aus welchen Gründen auch immer, ganz persönlich auf den Schlips getreten fühlte (vielleicht weil Jessie ihr nicht schnell genug ihre Emails beantwortete?!). Dieser Artikel ist eine private Abrechnung. Irgendwie alles viel zu persönlich und trotzdem total leer und nichtssagend. Qualitätsjournalismus sieht anders aus."

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